CD-Rezension:
Bruno Walter
String Quartet
Piano Quintet
Aron Quartett
Massimo Giuseppe Bianchi
cpo 555 193-2
von Peter Sommeregger
Komponierende Kapellmeister waren speziell im 19. Jahrhundert eher die Regel, als die Ausnahme. Von Wilhelm Furtwängler ist bekannt, dass er eine stattliche Zahl von Kompositionen hinterließ, auch Otto Klemperer war als Komponist tätig. Weniger bekannt war dies vom gefeierten Dirigenten Bruno Walter, der seine kompositorische Arbeit aber bereits um das Jahr 1912 beendete, und seine Karriere ausschließlich als Dirigent fortführte.
Das hier zum ersten Mal eingespielte Streichquartett wurde in Wien am 17. November 1903 vom berühmten Rosé-Quartett uraufgeführt, das gleiche Ensemble wirkte mit dem Komponisten am Klavier auch bei der Uraufführung des Klavierquintetts 1905 mit. Laut Bruno Walter stieß das Streichquartett beim Publikum auf Unverständnis. Heute, mit dem Abstand von mehr als hundert Jahren gehört, besticht es durch Melodienreichtum und technisch versiert ausgeführte Instrumentation, es entsteht ein kunstvolles polyphones Gewebe. Im dritten Satz, leidenschaftlich und zugleich innig, kompliziert sich die Struktur des Werkes, was sich im Finalsatz weiter verstärkt und wohl zur reservierten Aufnahme des Werkes führte.
Möglich wurde diese komplette Einspielung erst durch das unerwartete Auffinden einer kompletten Abschrift des Manuskriptes, der erste Satz galt bis dahin als verloren. Walters Klavierquintett konnte bei seiner Uraufführung einen weit größeren Erfolg verbuchen. Die Kritik lobte speziell die leidenschaftlichen Ecksätze, es wurde als das „Bedeutendste, was uns in der modernen Kammermusik begegnet“ bezeichnet. Zu Lebzeiten des Komponisten erschien es allerdings nicht im Druck, erst 2012, fünfzig Jahre nach Bruno Walters Tod wurde es von der Wiener Universal Edition veröffentlicht.
Beide Werke überzeugen durch ihre Originalität und großen Einfallsreichtum, man muss sich wundern, dass sie so lange unaufgeführt blieben. Die Einspielung des Aaron-Quartetts, einer 1998 gegründeten Formation, wird den kunstvollen polyphonen Strukturen der Werke voll gerecht, beim Klavierquintett fügt sich der Pianist Massimo Giuseppe Bianchi kongenial in das Ensemble ein.
Beide Stücke kann man als wichtige Entdeckung feiern, diese Einspielung sollte zu ihrer weiteren Verbreitung beitragen, sie könnten eine Bereicherung der Literatur jener stilistischen Epoche darstellen.
Peter Sommeregger, 28. Juli 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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