Ein Opernglück – die Weltersteinspielung von Joachim Raffs „Samson“ bereichert die Musiklandschaft

CD-Rezension: Joachim Raff, „Samson“  klassik-begeistert.de, 8. Juni 2024

CD-Rezension:

Opernglück, die Weltersteinspielung von Joachim Raffs „Samson“, bereichert die Musiklandschaft und stellt ein besonderes Werk dem Publikum vor.

Joachim Raff
SAMSON

World Premiere Recording

von Axel Wuttke

Es gibt sie noch, die besonderen Entdeckungen. Samson, Musikdrama in Fünf Akten von Joachim Raff. Komponiert zwischen 1851 und 1857, uraufgeführt am 11. September 2022 (!) in Weimar. Jetzt legt die Schweizer Fonogramm, unter der Produktionsleitung der Dirigentin Graziella Contratto, die Weltersteinspielung auf CD vor.

Der in der Schweiz geborene Lehrer und musikalische Autodidakt Joachim Raff (1822 – 1882) galt zu seiner Zeit als einer der gefragtesten Komponisten des deutschsprachigen Kulturraumes. Er war äußerst produktiv und hinterließ eine große Anzahl an Kompositionen verschiedener Gattungen. Doch nach seinem Tod geriet er in Vergessenheit.

Als Assistent von Franz Liszt in Weimar hinterließ die Uraufführung von Wagners Lohengrin bei ihm einen starken Eindruck. Bestens vertraut mit den Werken und Theorien Wagners, komponierte er, auf ein eigenes Libretto, das Musikdrama Samson.

Widrige Umstände verhinderten eine Uraufführung in Weimar. Mehrere Versuche, die Oper an einem anderen Theater zur Uraufführung zu bringen, scheiterten. Nach der erfolgreichen Uraufführung von Saint-Saëns Samson und Dalila in Weimar, legte Raff die Partitur endgültig zur Seite.

Umso erfreulicher, dass jetzt, nach der verspäteten Uraufführung 2022 in Weimar, diese Weltersteinspielung entstanden ist und das Werk einem breiten Publikum zur Diskussion stellt.

Mit großem musikalischem Gespür zeichnet Raff die Entwicklungen der Personen und der Handlung musikalisch nach und gibt ihren Charakteren klare Profile.

Besonders auffällig ist die farbige, diffizile Instrumentierung. Auch wenn noch klare Formen wie Arien, Duette, Ensembles etc. zu erkennen sind, ähnlich wie im Lohengrin, sind diese in den Fluss der Musik, ganz im Sinne des Wagnerschen Musikdramas, eingebunden.

Raff entwickelt eine ganz eigene, oft in ihrer Wendung überraschende Musiksprache, die sich zwischen Traditionsbewusstsein und den Strömungen um Wagner, bewegt.

Gespielt wird diese faszinierende Musik vom Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Philippe Bach. Der Dirigent kostet die Schönheiten der Partitur voll aus und gibt der Musik den nötigen Atem, um sich zu entfalten. Das Orchester spielt in allen Gruppen mit Souveränität, Homogenität und großer Klangschönheit.

Magnus Vigilius als Samson hört man seine Lohengrin-Erfahrung an. Auch hier besticht er mit seiner hell timbrierten, klaren Stimme, die er in den dramatischen Passagen heldentenoral erstrahlen lässt. Der Held, der hier vom Weg abkommt und dafür bitter bestraft wird, wird von ihm zuerst auftrumpfend, später lyrischer, weicher gesungen, so dass die Entwicklung des Charakters mit rein stimmlichen Mittel klar nachvollziehbar ist.

Samsons Gegenspieler ist Micha, gesungen von Michael Weinius. Sein Tenor ist dunkler gefärbt, auch er singt mit gut geführter Stimme und strahlenden Höhen. Den Charakter seiner Rolle versteht er sehr eindrücklich zu vermitteln.

Robin Adams als Abimelech verströmt seinen balsamischen Bariton sowohl in den Ausbrüchen als auch in den lyrischen Passagen. Dem zwischen Vaterliebe und Staatsraison schwankenden König gibt er Glaubwürdigkeit.

Christian Immler verleiht mit großem, voluminösem, klangschönem Bass dem Oberpriester Autorität und lässt an seiner Machtstellung keine Zweifel.

Delilah ist bei Raff als aufrichtig liebende, nur durch politischen Druck zum Verrat an Samson getriebene Frau, dargestellt. Olena Tokar singt sie mit lyrischer, in den dramatischen Momenten mit dramatischem Aplomb sich öffnender Stimme.

Die kleineren Rollen sind mit Mirjam Fässler, Christian Valle, Bareon Hong und Katharina Willi sehr gut besetzt.

Der Chor der Bühnen Bern, unter der Leitung von Zsolt Czetner, präsentiert sich als homogener, vollstimmiger Klangkörper. Für diese Oper ist so eine Qualität unabdingbar.

Ein großes Lob verdient die durchgängig klare und sorgfältige Diktion bei allen! Das ist so in dieser Ausprägung leider schon lange nicht mehr selbstverständlich. Ebenso verdient die Aufnahmeleitung unter Frédéric Angleraux großes Lob. Die Stimmen, das Orchester und der Chor sind wunderbar abgemischt, die Klangbalance perfekt.

Die edel gestaltete Box enthält neben den 3 CDs zwei Booklets, je mit einem Essay über Joachim Raff und dem Libretto. Beide Bocklets sind in Deutsch, Englisch und Französisch.

Es ist zu hoffen, dass die Einspielung das Interesse an dieser Oper und dem Komponisten weckt und sich die Theater damit auseinandersetzen. Es handelt sich hier um eine echte Repertoire-Bereicherung.

Axel Wuttke, 8. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Camille Saint-Saëns, Samson und Dalila, Oper in drei Akten Opernhaus Kiel, 28. April 2024

Benjamin Britten, Peter Grimes Oldenburgisches Staatstheater, Premiere, 9. März 2024

Lear, Oper von Aribert Reimann Staatsoper Hannover, 10. Februar 2024 PREMIERE

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