Debüt-Album: Kartal Karagedik singt Lieder von Franz Schubert über die griechische Antike

CD Rezension: Kartal Karagedik, Bariton  klassik-begeistert.de, 7. Februar 2024

Debüt Album von Kartal Karagedik: Der aus der Türkei stammende Bariton interpretiert deutsche Lieder von Franz Schubert über die griechische Antike

CD Rezension:

Kartal Karagedik und Helmut Deutsch gestalten Schuberts Lieder über tiefe menschliche Wahrheiten voller sinnlicher Lebendigkeit und laden die Zuhörer ein zu einer Reise in den inneren Kosmos der Besungenen.

Franz Schubert – Prometheus

Kartal Karagedik, Bariton
Helmut Deutsch, Klavier

von Patrik Klein

Prometheus“ heißt die erste CD des jungen türkischen Baritons Kartal Karagedik, die am 7. Februar 2025 unter dem Label Prima Classic erschien und im Umfeld der Schubertiade in Hohenems 2024 aufgenommen wurde. Zusammen mit dem Meisterpianisten Helmut Deutsch interpretieren sie insgesamt 21 Titel von Franz Schubert (1797 – 1828), die sich dem Thema antike Mythen und ihre Wirkung auf unsere Gegenwart mit viel Leidenschaft zuwenden.

In der Klassik haben sich viele berühmte Dichter mit der griechischen Mythologie befasst, haben ihr zeitgenössisches Umfeld an diesen dort beschriebenen Werten gemessen und sich mit der Gesellschaft leidenschaftlich auseinandergesetzt.

Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Heinrich Heine, Friedrich Gerstenberg, Johann Mayrhofer, August Lafontaine u.v.a. beschrieben in ihren Gedichten Geschichten von Titanen, Göttern und Helden, waren aber eigentlich damit immer auf der Suche nach Freiheit, Selbsterkenntnis und der Verbundenheit mit der aktuellen Welt.

Ganz besonders waren die Lieder Schuberts von seinem Freund und Dichter Johann Mayrhofer geprägt. Für den Bariton vereinen diese Werke höchsten musikalischen Anspruch mit einer zeitlosen inhaltlichen Relevanz:

„Es gibt Geschichten und Lieder, die über Jahrhunderte immer wieder erzählt und gesungen werden müssen. Schuberts Musik, wie die Mythen, die sie oft aufgreift, gehört in diese ewige Kategorie.“

Die auf der CD zusammengestellten Lieder fokussieren zeitlose Themen wie die Suche nach Freiheit, Widerstand gegen Unterdrückung und die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen des Lebens. Dabei ist der Sänger stets auf der Suche nach der menschlichen Existenz, in der die Sehnsucht nach Liebe, Erfüllung und die Herausforderungen des Schaffensprozesses miteinander verwoben sind.

Besonders deutlich wird dieses Ansinnen im achten Lied, dessen Text von Schuberts trübsinnigen Freund Mayrhofer stammt, der leidende Charaktere in den Vordergrund rückte. Mit Atys, dem kastrierten und heimwehkranken sich zu Tode stürzenden jungen Mann, besingt der äußerst fein intonierende Bariton das Lied über tief verwurzelte Verlassenheitsgefühle und Depressionen unter dem Deckmantel der antiken Erzählung.

Man spürt beim Hören aller dieser 21 Lieder das Einfühlungsvermögen in die sinnlichen und intensiven Momente der ausgewählten Literatur. Variantenreich, zartfühlend bis kraftvoll  metallisch glänzend und mit vielen Farben werden die zahlreichen Facetten seiner warm timbrierten Stimme im Sinne der Komposition herausgearbeitet. Authentisch wirken seine Klangfärbungen, die Dynamik und der klare Ausdruck, seine Phrasierung und Anwendung des Legato erscheinen vorbildlich. Mit fein ziselierter Diktion wird jeder Widerstand der gesungenen Konsonanten deutlich. Die Textverständlichkeit ist auch dadurch überragend, so dass ein begleitender Klavierauszug eher akademisch erscheint.

Bei seinem Begleiter Helmut Deutsch am Klavier scheint er in besten Händen zu sein für eine lebendige Liedgestaltung, die technisch auf allerhöchstem Niveau stattfindet und zudem noch Raum gibt für individuelle Freiheiten.

Kartal Karagedik ist häufig an seinem Stammhaus, an der Staatsoper Hamburg zu erleben, wo er seit 2015 Ensemblemitglied ist. Sein breites Repertoire reicht von Verdi bis Gluck mit über 40 bislang gesungenen Rollen. Er trat auf als Renato in „Un ballo in maschera“, in „Simon Boccanegra“, „Don Giovanni“ usw. Er konzertierte an Opernhäusern wie der Opéra Vlaanderen, dem Grand Théâtre de Genève, der Opéra de Monte-Carlo, dem Teatro Comunale di Bologna und vielen anderen.

Auf der Konzertbühne interpretierte er z.B. Werke von Mahler, wie die Symphonie Nr. 8,  die Kindertotenlieder, die Lieder eines fahrenden Gesellen bis hin zu Mendelssohns „Die erste Walpurgisnacht“. Konzerte führten ihn u.a. in die Hamburger Elbphilharmonie, ins Brucknerhaus Linz, in den Wiener Mozartsaal, in die Herkuleshalle München, in die Tokyo Metropolitan Hall, zum Schleswig-Holstein Musik Festival…

Karagedik arbeitete mit Dirigenten wie Joana Mallwitz, Stefano Ranzani, Ottavio Dantone, Eliahu Inbal, Gianluca Capuano und Pablo Heras-Casado zusammen.

Helmut Deutsch zählt zu den gefragtesten und erfolgreichsten Liedbegleitern der Welt. In Wien geboren, studierte er am Konservatorium, an der Musikakademie und der Universität seiner Heimatstadt, erhielt den Kompositionspreis der Stadt Wien und wurde mit 24 Jahren Professor. Schon in seiner Studienzeit konzentrierte sich sein Hauptinteresse auf die Liedgestaltung.

Seine internationale Karriere als Liedbegleiter begann mit der Sopranistin Irmgard Seefried, wichtigster Sänger seiner jungen Jahre aber wurde Hermann Prey, dessen fester Partner er für zwölf Jahre in mehreren hundert Konzerten war. In weiterer Folge arbeitete er mit einem Großteil der bedeutendsten Liedsänger unserer Zeit zusammen und spielte in allen wichtigen Musikzentren der Welt.

Patrik Klein, 7. Februar 2025, für
klassik-begeisstert.de und klassik-begeistert.at

21 Lieder von Franz Schubert mit einer Gesamtspielzeit von 78:01 Minuten

  1. PROMETHEUS (D.674, 1819) (Johann Wolfgang von Goethe 1773)
  2. DIE GÖTTER GRIECHENLANDS (D.677, 1819) (Friedrich Schiller 1788)
  3. GANYMED (D.544, 1817) (Johann Wolfgang von Goethe 1774)
  4. PHILOKTET (D.540, 1817) (Johann Mayrhofer 1817)
  5. DER ENTSÜHNTE OREST (D.699, 1820) (Johann Mayrhofer 1820)
  6. FRAGMENT AUS DEM AESCHYLUS (D.450B, 1816) (August Lafontaine 1814)
  7. HIPPOLITS LIED (D.890, 1826) (Friedrich Gerstenberg)
  8. ATYS (D.585, 1817) (Johann Mayrhofer 1817)
  9. MEMNON (D.541, 1817) (Johann Mayrhofer 1817)
  10. DER ATLAS (D.957/8, 1828) (Heinrich Heine 1827)
  11. LIED DES ORPHEUS, ALS ER IN DIE HÖLLE GING (D.474B, 1817) (Johann Georg Jacobi 1770)
  12. FAHRT ZUM HADES (D.526, 1817) (Johann Mayrhofer 1816)
  13. GRUPPE AUS DEM TARTARUS (D.583, 1817) (Friedrich Schiller 1817)
  14. AN DIE LEIER (D.737, 1822) (Franz von Bruchmann)
  15. LIED EINES SCHIFFERS AN DIE DIOSKUREN (D.360, 1816) (Johann Mayrhofer 1816)
  16. FREIWILLIGES VERSINKEN (D.700, 1820) (Johann Mayrhofer 1820)
  17. DER SIEG (D.805, 1824) (Johann Mayrhofer 1823)
  18. AUS HELIOPOLIS I (D.753, 1822) (Johann Mayrhofer 1821)
  19. AUS HELIOPOLIS II (D.754, 1822) (Johann Mayrhofer 1821)
  20. GRENZEN DER MENSCHHEIT (D.716, 1821) (Johann Wolfgang von Goethe 1781)
  21. AN SCHWAGER KRONOS (D.369, 1816) (Johann Wolfgang von Goethe 1774)

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