CD-Rezension:
Schubert Lieder
Philippe Jaroussky
Jérôme Ducros
Erato 0190296737688
von Peter Sommeregger
Kurz bevor die Corona-Pandemie 2020 das Musikleben weitgehend lahmlegte, tourte der populäre Countertenor Philippe Jaroussky mit einem Schubert-Liederabend durch verschiedene Städte, in Berlin fand sein Konzert in der Staatsoper Unter den Linden statt. Jaroussky verfügte damals wie heute über eine eingeschworene Fangemeinde und konnte auf ein enthusiastisches Publikum zählen. Entsprechend stark fiel der Applaus für den Sänger aus, seine Fans bejubelten Jaroussky, aber dem neutralen Publikum konnte sein Zugriff auf Schuberts Liedgut nicht wirklich gefallen.
Erstaunt registriert man nun mehr als vier Jahre später, dass Jarousskys Label eine CD mit Schubert-Liedern herausbringt. Der Blick auf das Kleingedruckte offenbart, dass die Aufnahmen dafür tatsächlich auch bereits im Februar 2020 stattfanden. Die seinerzeit durchgehend schlechten Kritiken für die Liederabende ließen wohl eine Veröffentlichung zu diesem Zeitpunkt als nicht ratsam erscheinen. Besser geworden ist die Interpretation aber durch die verzögerte Veröffentlichung nicht, der negative Eindruck des Live-Konzerts verstärkt sich beim konzentrierten Durchhören noch deutlich.
Schuberts Liedschaffen zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass es weitgehend problemlos in verschiedene Stimmlagen transponiert werden kann. Ob Bariton, Bass, Sopran oder Alt, jede Interpretation hat ihren eigenen Reiz.
Für die Stimme eines Countertenors sind die Lieder aber tatsächlich nicht geeignet, das hätte dem hoch musikalischen Sänger eigentlich klar sein müssen. Statt dessen biegt er sich die einzelnen Lieder so zurecht, dass seine oberton-lastige Stimme die nicht vorhandene Mittellage kaschieren kann. Das verfälscht aber eindeutig den Duktus der Wortmelodie und klingt bestürzend eintönig. Auch die Textverständlichkeit bleibt dabei auf der Strecke, über weite Strecken hört man ein hochgeschraubtes Zirpen, der Stimme fehlt Körper und Grundierung. Überdehnte Phrasierung kann die fehlende Wärme von Jarousskys Gesang nicht ersetzen. Sein Begleiter, Jérôme Ducros, trägt leider ebenfalls zum negativen Gesamteindruck mit schleppenden Tempi und uninspiriertem, trockenem Ton bei.
Was den Künstler und seine Plattenfirma bewogen hat, diese Aufnahmen freizugeben, bleibt deren Geheimnis. Einen Gefallen hat man sich damit nicht getan, aber Hardcore-Fans von Jaroussky werden sicher in großer Zahl zugreifen. Mein erster Gang nach dem Durchhören des Albums war zum CD-Regal, um mit werkgerechten Interpretationen anderer Sänger den unerfreulichen Eindruck dieser CD zu relativieren.
Peter Sommeregger, 27. Oktober 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Philippe Jaroussky und Le Concert de la Loge Konzerthaus Berlin, 8. November 2021