Es gilt auch für diese Oper: Siegfried Wagner war ein begabter Komponist, seinen Opern aber einen bleibenden Platz im Repertoire zu verschaffen, wird kaum möglich sein.
Siegfried Wagner
An Allem ist Hütchen Schuld!
PPP Music Theatre Ensemble Munich
Marco Polo 8.225378-80
von Peter Sommeregger
Als Sohn Richard Wagners Opern zu komponieren, kam förmlich einem Himmelfahrtskommando gleich. Dass Siegfried, Wagners einziger Sohn, davon gleich 15 schuf- und damit seinen Vater zahlenmäßig übertraf, ist bemerkenswert und ein Zeichen starken Selbstbewusstseins.
Große Erfolge waren diesen Werken aber nicht beschieden, teilweise kamen sie erst nach Siegfrieds frühem Tod zur Aufführung. Winifred Wagner, Siegfrieds Witwe, hatte wenig Interesse an den Opern ihres Mannes, lediglich die Tochter Friedelind setzte sich in späteren Jahren für das Werk ihres Vaters ein.
Einen engagierten Sachwalter fand Siegfried im Musikwissenschaftler Peter P. Pachl, aus dessen Feder auch die erste Biographie des zweiten Bayreuther Meisters stammt. Jahrzehntelang initiierte Pachl Aufführungen der Werke Siegfrieds. Es ist hauptsächlich ihm zu danken, dass inzwischen alle Bühnenwerke auf Tonträgern vorliegen, auch um szenische Aufführungen machte er sich verdient, gründete dafür das PPP Music Theatre Ensemble. Mit Pachls plötzlichem Tod im Jahr 2021 verlor der Komponist seinen wichtigsten Unterstützer.
Die nun erschienene, bereits 2019 eingespielte Aufnahme von „An Allem ist Hütchen schuld“ entstand im barocken markgräflichen Opernhaus in Bayreuth. Pachl ist darin in der kleinen Sprechrolle des Jacob Grimm zu hören. Das PPP-Ensemble, unterstützt vom Karlsbader Symphonie-Orchester und dem Nürnberger Philharmonischen Chor, realisiert eine durchaus stimmige Aufführung dieser etwas komplizierten Märchenoper. Siegfried Wagner hatte nach eigener Aussage bis zu 40 Motive aus den Grimm’schen Märchen in dem von ihm verfassten Libretto zusammengeführt, was die Handlung abwechslungsreich, aber auch unübersichtlich macht. Ist das Werk im ersten Akt noch reichlich textlastig, gelingen in den Akten zwei und drei schöne, lyrische Momente spätromantischer Art. Die Gesangspartien sind umfangreich und nicht leicht zu singen, allerdings nicht ganz so fordernd wie in den Opern des Seniors.
Die Hauptrollen des Frieder und des Katherlies’chens (sic!) sind mit Hans-Georg Priese und Rebecca Broberg sehr gut besetzt, der Rest des Ensembles übernimmt jeweils gleich mehrere Rollen in der bizarren, aber vergnüglichen Handlung. Das Karlsbader Orchester unter David Robert Coleman und der Nürnberger Chor sind höchst engagiert bei der Sache und tragen wesentlich zum Gelingen der Aufführung bei.
Ein wenig befremdlich wirkt, dass der Tod Pachls, der für sein Ensemble eine Katastrophe bedeutet, mit keiner Zeile erwähnt wird. Wo hätte es eine bessere Gelegenheit gegeben, seine Verdienste um die Wieder- oder sogar Erstgewinnung des Werkes von Siegfried Wagner zu würdigen?
Es gilt auch für diese Oper: Siegfried Wagner war ein begabter Komponist, seinen Opern aber einen bleibenden Platz im Repertoire zu verschaffen, wird kaum möglich sein.
Peter Sommeregger, 3. September 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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