CD Tipp:
Anastassiya Dranchuk
Rites de Passage
ARS 38340
von Peter Sommeregger
Die deutsch-kasachische Pianistin Anastassiya Dranchuk stellte für ihr Debüt-Album ein reizvolles, gleichzeitig äußerst anspruchsvolles Programm zusammen. Die in Berlin lebende Musikerin, deren Karriere inzwischen nach durch die Pandemie bedingter Zwangspause an Fahrt aufgenommen hat, wählte die von Mikhail Pletnev erstellte Klavierfassung von Pyotr Tchaichkovskys Ballettmusik zum „Nussknacker“. Damit stellt sie einen Bezug zu ihrer eigenen Kindheit her, in der dieses Stück ihr Lieblingsmärchen war.
Einen starken Kontrast dazu bieten die Auszüge aus Fazıl Says monumentaler „Troy Sonata“, die 2018 uraufgeführt wurde und eine gewaltige, höchst emotionale Verarbeitung des Homer’schen Epos in einer modernen Tonsprache bietet, die inzwischen zu einem Klassiker der neueren Klavierliteratur wurde.
Die Bearbeitung Franz Liszts von Schuberts „Gretchen am Spinnrade“ führt zurück von der orientalisch beeinflussten Musik zu den europäischen, also abendländischen Musiktraditionen, deren Exponent der selbst als Virtuose berühmte Liszt zweifellos war. Der Komponist variiert hier die eher schlichte Schubert’sche Melodie in meisterhafter Weise.
Ein wahres Virtuosenstück schrieb Liszt wohl für seine eigenen Konzerte mit dem berühmt gewordenen Mephisto-Walzer, der einen 12 Minuten langen ekstatischen, sich permanent steigernden Tanz schildert. Goethes und Lenaus Faust-Dichtungen werden hier in ihrer musikalischen Illustration erlebbar.
Dranchuk zeigt sich den Herausforderungen dieser virtuosen Stücke bravourös gewachsen. Ihr energischer Anschlag passt perfekt zu den emotionalen Achterbahnfahrten der Kompositionen, stilsicher wechselt sie zwischen der Tonsprache der Spätromantik und Fazıl Says geschickt orientalische Einflüsse einbindende Troy Sonate. Sie erweist sich damit als für ihr jugendliches Alter erstaunlich reife Pianistin, auf deren weitere Entwicklung man gespannt sein darf. Das im Herbst 2022 in Berlin auf einem Steinway-Flüges eingespielte Album dürfte nur der Auftakt für weitere Projekte Dranchuks sein.
Dranchuk shows herself to be brilliantly up to the challenges of these virtuoso pieces. Her energetic touch perfectly suits the emotional rollercoaster rides of the compositions; she switches stylistically confidently between the tonal language of late Romanticism and Fazıl Say’s Troy Sonata, which skilfully incorporates oriental influences. She proves to be an astonishingly mature pianist for her youthful age, and we can look forward to her further development. The album, recorded on a Steinway grand piano in Berlin in autumn 2022, is likely to be only the prelude to further projects by Dranchuk.
Note 1
Peter Sommeregger, 6. April 2022, für
klassik-begeistert.de und lassik-begeistert.at
CD-Rezension: Jessye Norman, The Unreleased Masters klassik-begeistert.de, 6. März 2023
CD-Rezension: Hans Sommer, Orchestral Songs klassik-begeistert.de, 4. Januar 2023