Foto: C. Höhne (c)
Chris Thile, Mandoline
Elbphilharmonie, 26. März 2017
Von Ricarda Ott
Chris Thile und seine Mandoline. Das ist die Geschichte einer langen, musikalischen Freundschaft. Wenn er beim Spielen seinen ganzen Körper zu den Klängen seiner Mandoline bewegt, sein Gesicht scherzhaft verzieht zum Zupfen seiner Finger, dann ist es fast, als sei die Mandoline er selbst und er die Mandoline.
Sein Konzert im Kleinen Saal war die klassische one-man-show: ein 36 Jahre alter Ausnahmemusiker mit breitem Grinsen und noch breiterem kalifornischen Akzent, sein Gesang und seine Mandoline. Und schon vor der ersten Nummer empfing ihn das Publikum mit lautem Gejohle und stürmischem Applaus.
Was in den nächsten knapp zwei Stunden folgte, lässt sich wohl am besten als perfekt arrangiertes, virtuoses „meddling“ eines Vollblutmusikers zusammenfassen. Alleine spielte er Songs seiner fünfköpfigen Band Punch Brothers (in der traditionellen Bluegrass-Besetzung: Mandoline, Banjo, Violine/Fiddle, Gitarre und Bass) und seiner ersten Band Nickel Creek, die er bereits mit acht Jahren gründete, spielte auf den Abend verteilt die Partita d-moll für Solovioline von Johann Sebastian Bach und auf „request from the audience“ sogar den Hit der White Stripes „Dead Leaves and the Dirty Ground“.
Thile, der in der Vergangenheit mit herausragenden Künstlern wie dem Cellisten Yo-Yo Ma zusammengearbeitet hat und in seinem jüngsten Projekt auf den Jazz-Pianisten Brad Mehldau trifft, kennt sein Instrument und seine Stimme in- und auswendig. Dabei zeigt er aber nicht nur, was er kann – und seine Fingerfertigkeit ist wirklich spektakulär –, sondern auch, was man einer Mandoline alles entlocken kann.
Das Publikum ist sprachlos: weitaufgerissene Augen, einige schütteln ungläubig die Köpfe, spontaner Szenenapplaus. Das ist wirklich richtig gut und macht vor allem viel Spaß.
Zwischen den Musikblöcken immer minutenlanger Jubel und ein trotz seines internationalen Erfolgs immer noch überwältigt wirkender Thile, aus dessen Gesicht ab und an das verschmitzte, spitzbübische Lächeln zu lesen ist, das seine frühen Albumcover zierte.
Einer der Höhepunkte dann: sein Song über den frisch inaugurierten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Überschwänglich entschuldigt er sich „on behalf of the Americans“ dafür und schüttelt symbolisch die Hände der Zuhörer in der ersten Reihe – es scheint ihm ein wahres Bedürfnis zu sein. Trotz der Ernsthaftigkeit des Themas liefert er erneut den Beweis, wie gut und unterhaltsam der vierfach ausgezeichnete Grammy-Gewinner mit Musik umgehen kann.
An diesem Abend verschmelzen Grenzen: nahtlos fügt er den Bach an den Folk – wer braucht schon Genres? – und spielt, singt und schlägt auf seiner Mandoline alleine für eine ganze Band – wer braucht schon festgelegte Besetzungsmuster? Seit seiner Kindheit fordert ihn die Musik nun schon heraus – und er fordert zurück. Einen Gewinner gibt es dabei nicht: nur die Freude, ihn bei dieser immerfort währenden Auseinandersetzung zu erleben.
Ricarda Ott, 27. März 2017,
für klassik-begeistert.de
Genau so war’s! Bleibt nur die Frage: Woran erkennt man einen kalifornischen Akzent?
Jan Pärsch