Foto: © Matthias Creutziger
„Durch die wohligen Klänge der Sächsischen Staatskapelle wird man an diesem Abend vollends von diesem Urlaubs- und Wonnegefühl überwältigt. Christian Thielemann und die Dresdner übermitteln eine ausgelassene Musizierfreude, dass es eine wahre Freude ist.“
Semperoper Dresden, 20. Oktober 2020
3. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden
Christian Thielemann, Dirigent
Sächsische Staatskapelle Dresden
Ludwig van Beethoven:
Symphonie Nr. 6 F-Dur op. 68 »Pastorale«
Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92
von Pauline Lehmann
Die Sächsische Staatskapelle Dresden und ihr Chefdirigent Christian Thielemann setzen ihren Beethoven-Zyklus fort. Zur musikalischen Idee einer ländlichen Idylle in der Sinfonia pastorale tritt der schöpferische, pathetische Gestus der Siebten Symphonie. Eine pure Hörfreude!
Gleichsam schlagen die Sächsische Staatskapelle Dresden und ihr Chef mit dieser Werkfolge einen Bogen über eine der längsten Pausen im symphonischen Schaffen des Komponisten, denn während die Sechste in den Jahren 1807/08 parallel zur Fünften entstand, geht Ludwig van Beethoven mit seiner 1811/12 komponierten Siebten neue Wege.
Vom Komponisten selbst mit den Worten „mehr Ausdruck der Empfindung als Mahlerey“ beschrieben, verkörpert die Sechste keine programmatische Idee in dem Sinne, dass sie Außermusikalisches in Klänge fasst. Der Symphoniker Beethoven bedient sich vielmehr der Ähnlichkeit, denn als Sinfonia characteristica übermittelt seine Sechste eine bloße Erinnerung, ist eine Ahnung an oder eine gedankliche Berührung mit einer Naturidylle.
Natur und Musik als Weltflucht, heute wie damals. „Wie froh bin ich, einmal in Gebüschen, Wäldern, unter Bäumen, Kräutern, Felsen wandeln zu können. Kein Mensch kann das Land so lieben wie ich. Geben doch Wälder, Bäume, Felsen den Widerhall, den der Mensch wünscht,” schreibt Ludwig van Beethoven im Frühjahr 1815 in einem Brief an Therese Malfatti. Durch die wohligen Klänge der Sächsischen Staatskapelle wird man an diesem Abend vollends von diesem Urlaubs- und Wonnegefühl überwältigt. Christian Thielemann und die Dresdner übermitteln eine ausgelassene Musizierfreude, dass es eine wahre Freude ist.
Die Dresdner Interpretation spürt den Motiven und musikalischen Bewegungen von Grund auf nach und der finale Gestus der Sechsten Symphonie wird mit dem Gewicht jedes einzelnen Tones genau bedacht. Im Kopfsatz, dem Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande, erscheinen die Eröffnungsgesten, die jeweils durch eine Fermate abgesetzt werden, wie durch ein Brennglas. Christian Thielemann schafft eine dynamisch hoch diffizile und bis ins Kleinste nuancierte Entwicklung des musikalischen Geschehens. Im Kleinen ist das Dirigierbild dadurch manchmal stark justiert.
In der Szene am Bach, einem langsamen und liedhaften Andante, hält Christian Thielemann die Violinen in den Anfangstakten zunächst zurück. Wunderbar treten auch die Soli der Holzbläser zu Tage (Wolfram Große, Solo-Klarinette; Sabine Kittel, Solo-Flöte; Céline Moinet, Solo-Oboe, Thomas Eberhardt, Solo-Fagott), welche sich an die französische Symphonie concertante anlehnen und in den Vogelrufen einen Höhepunkt finden.
Es ist eine beeindruckende Leistung, diese symphonischen Kolosse, die jeder für sich eine Dreiviertelstunde ausfüllen, in dieser Intensität darzubieten, wie es der Sächsischen Staatskapelle Dresden und Christian Thielemann an diesem Abend gelungen ist. Spannungsgeladen und mit Furore ist auch die Siebte mit ihrer markanten Rhythmik, eine „Apotheose des Tanzes“, wie Richard Wagner dieses Werk nannte.
Pauline Lehmann, 22. Oktober 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sächsische Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann, Semperoper Dresden, 18. Oktober 2020
Eine kleine Richtigstellung: Die Soloflötistin war zumindest am 19. und 20. Oktober – entgegen der Rezension (und dem gedruckten Programm) – nicht Frau Sabine Kittel, sondern Frau ROZÁLIA SZABÓ.
Günther Störzinger