Christian Thielemann dreht seine erste Ehrenrunde, Herlitzius und Nylund führen die Semperoper an die Spitze der Strauss-Liga

Miina-Liisa Värelä (Baraks Frau), Evelyn Herlitzius (Die Amme), Camilla Nylund (Die Kaiserin), Tilmann Rönnebeck (Der Einarmige), Oleksandr Pushniak (Barak), Tansel Akzeybek (Der Bucklige), Rafael Fingerlos (Der Einäugige), Kinderchor der Semperoper Dresden
© Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Ein durchweg überragendes Ensemble um die Sopranistinnen Camilla Nylund und Evelyn Herlitzius sorgt für Stuhlkanten-Stimmung in der neuen Dresdner Frau ohne Schatten, einige Achtungserfolge lassen aufhorchen. Christian Thielemann deklassiert auch kurz vor dem Ende seiner Semperoper-Amtszeit die Dirigats-Konkurrenz. Einzig die übermäßig düstere Regie von David Bösch konnte nicht überzeugen.  

Die Frau ohne Schatten
Musik von Richard Strauss
Libretto von Hugo von Hofmannsthal

Semperoper Dresden, 30. März 2024
Premiere 23. März 2024

von Johannes Karl Fischer

Eigentlich gehört in einer durchwegs fantastischen Vorstellung immer das Positive an erster Stelle. Diese Regel werfe ich jetzt mal Hals über Kopf über Bord, ebenso, wie in David Böschs eher düsteren Inszenierung zwei Brüder Baraks den dritten Hals über Kopf in einen Eimer mit giftig dampfenden Substanzen stecken wollen. Etwa illustrativ für die Gesamtstimmung dieser Inszenierung: Ein riesiger Raubvogel schwebt über der Bühne, als würde er als publikumsverschlingender Dino gleich in den Saal fliegen. Baraks Häuschen erinnert mehr an eine tief in der Erde vergrabene, gruselige Geheimfabrik… der Eimer mit Giftsymbol steht stets in der Mitte. „Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten
Semperoper Dresden, 30. März 2024“
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Der Zauberer des Abends stand im Graben

Camilla Nylund (Die Kaiserin), Evelyn Herlitzius (Die Amme), Damen des Sächsischen Staatsopernchores © Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Die Aufführung endete mit tosendem Applaus und Ovationen, gefühlt unendlich lang. Wir werden diese geniale Aufführung von „Frau ohne Schatten“ nie vergessen.

Die Frau ohne Schatten
Richard Strauss, 10. Oktober 1919,
Libretto von Hugo von Hofmannsthal

Inszenierung: David Bösch
Bühnenbild: Patrick Bannwart
Kostüme: Moana Stemberger
Licht: Fabio Antoci
Video: Falko Herold und Patrick Bannwart

Dirigent: Christian Thielemann

Sächsische Staatskapelle Dresden
Sächsischer Staatsopernchor Dresden
Kinderchor der Semperoper Dresden

Semperoper Dresden, Premiere 23. März 2024


von Olaf und Brigitte Barthier

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde nach über 30 Bühnenproben an der Wiener Staatsoper dieses Stück am 10. Oktober 1919 uraufgeführt. Der damalige Operndirekter Richard Strauss überantwortete die musikalische Leitung an Franz Schalk.

„Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten
Semperoper Dresden, Premiere 23. März 2024“
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Meilen- und Schlussstein: Christian Thielemann brilliert mit „Frau ohne Schatten“ in Dresden

Miina-Liisa Värelä (Baraks Frau), Evelyn Herlitzius (Die Amme), Camilla Nylund (Die Kaiserin), Tilmann Rönnebeck (Der Einarmige), Oleksandr Pushniak (Barak), Tansel Akzeybek (Der Bucklige), Rafael Fingerlos (Der Einäugige), Kinderchor der Semperoper Dresden © Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Eine letzte Premiere, ein letzter ganz großer Wurf: Christian Thielemann verabschiedet sich mit einer Neuproduktion der „Frau ohne Schatten“ aus Dresden – und wie! Das ‚opus magnum‘ von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal wird in Dresden zum gefeierten Erfolg, nicht zuletzt auch dank der hochgradig gelungenen und inhaltlich überzeugt-überzeugenden Inszenierung von David Bösch und eines vorzüglichen Solistenensembles. Dieser Abend wird lange in Erinnerung bleiben – sowohl als Meilenstein der Dresdner Strauss-Tradition wie auch als Schlussstein einer Ära.

von Willi Patzelt

Richard Strauss
Die Frau ohne Schatten

Christian Thielemann, Dirigent
Sächsische Staatskapelle Dresden

David Bösch, Regie
Patrick Bannwart, Bühnenbild

Semperoper Dresden, 23. März 2024

Die Frau ohne Schatten und die Sächsische Landeshauptstadt sind durch eine nicht ganz gut begonnene Geschichte miteinander verbunden. Nur zwölf Tage nach der Uraufführung dieser „modernen Märchenoper“ an der Wiener Hofoper, nämlich im Oktober 1919, kam „FroSch“ unter der Leitung von Fritz Reiner in Dresden zur Aufführung – jedoch mit mittelmäßigem Erfolg und künstlerisch zum Missfallen des Komponisten. Strauss bemängelte vor allem, das Stück sei „szenisch so unvollkommen vorbereitet gewesen“, dass er die Premiere sogar habe verschieben lassen müssen.

„Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten
Semperoper Dresden, 23. März 2024“
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„Fantasie ist das Auge der Seele“ – Die neue Intendantin der Semperoper Dresden verspricht eine anregende Liaison aus Tradition und Gegenwart

Spielzeitheft 2024/25 © Semperoper Dresden

Spielzeit-Präsentation 2024/25

Semperoper Dresden, 14. März 2024

von Pauline Lehmann

Emphatisch hat die „Fantasie“ die Fackel der Begeisterung in ihrer Hand emporgehoben. Die Allegorie und die Musen der Theaterkünste, die auf dem Schmuckvorhang des Hauses zu sehen sind, stechen auf dem Cover des neuen Spielzeitheftes grellbunt ins Auge. „Stell dir vor,“ kündet das Motto, mit dem die designierte Intendantin, Nora Schmid, und ihr Team die kommende Opernsaison in der sächsischen Landeshauptstadt bewerben und an die Vorstellungskraft des Publikums appellieren. „Spielzeit-Präsentation 2024/25
Semperoper Dresden, 14. März 2024“
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Thielemanns Dresdner „Tristan“: Wie mezza voce die Leidenschaft bremst

Christian Thielemann © Matthias Creutziger

Richard Wagner
Tristan und Isolde

Tristan    Klaus Florian Vogt
Isolde    Camilla Nylund
König Marke    Georg Zeppenfeld
Brangäne    Tanja Ariane Baumgartner

Dirigent    Christian Thielemann

Livestream aus der Semperoper Dresden, Februar 2024

von Peter Sommeregger

Im Januar und Februar 2024 fand an der Dresdner Semperoper eine Aufführungsserie von Richard Wagners „Tristan und Isolde“ statt. Christian Thielemann, scheidender Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle, nutzte diese für ein spektakuläres Finale seiner langjährigen Tätigkeit in Dresden.

Ein Großteil der Rezensionen dieser Aufführungen fiel reichlich euphorisch aus. Nachdem nun, vorab zu einer Veröffentlichung auf Bildträgern, im Stream die Aufführung erlebbar ist, ergibt sich die Möglichkeit selbst zu einem Urteil zu kommen. So ganz möchte man die große Begeisterung vieler Kritiker nicht teilen. „Richard Wagner, Tristan und Isolde
Livestream aus der Semperoper Dresden, Februar 2024“
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Gedenkkonzert 13. Februar in Dresden: Dunkel und wunderbar anmutig erklingt Brahms – verpasste Revolution?

Christian Thielemann © Sächsische Staatskapelle Dresden / Matthias Creutziger

Extrem laute Bässe wummern, man hört Polizeidurchsagen, hier und dort explodiert ein Böller. Der Weg durch die Altstadt zur Semperoper ist am 13. Februar in Dresden jedes Jahr aufs Neue ein durchaus stressiges Unterfangen – ist dieser Tag doch der gesellschaftlich in seiner Deutung am stärksten umkämpfte Tag der sächsischen Elbmetropole. Den politischen Grabenkämpfen Kunst entgegenzusetzen, hat sich die Staatskapelle neben vielen weiteren Dresdner Kulturinstitutionen zur Aufgabe gemacht. Mit dem Brahms’schen Requiem gelingt der Sächsischen Staatskapelle unter Christian Thielemann ein vorzüglicher Abend, der in seiner interpretatorischen Deutung jedoch nicht konsequent zu überzeugen vermag.

 

Johannes Brahms
Ein deutsches Requiem

Christian Thielemann, Dirigent
Sächsische Staatskapelle Dresden
Sächsischer Staatsopernchor Dresden

Semperoper Dresden, 13. Februar 2024

von Willi Patzelt

Die Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 hat Dresden und seine Bürgerschaft wohl wesentlicher geprägt als jede andere – bis zum heutigen Tage. In vier Angriffswellen britischer und amerikanischer Luftstreitkräfte wurde das Zentrum der Barockstadt an der Elbe, die sich dort bis dato seit den Tagen Augusts des Starken kaum bis gar nicht verändert hatte, als Folge der deutschen Angriffskriege auf das Heftigste zerbombt und kostete damit circa 25.000 Dresdner das Leben.

„Johannes Brahms, Ein deutsches Requiem
Semperoper Dresden, 13. Februar 2024“
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Mit einem grandiosen Brahms-Requiem gedachten Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle der Zerstörung Dresdens am 13. und 14. Februar 1945

Christian Thielemann © Matthias Creutziger

So sehr ich das konzentriert lauschende Publikum in Dresden schon immer geschätzt habe: So ergriffen wie an diesem Abend habe ich es selten erlebt. Am Ende stand der ganze Saal, verbunden  in Gedanken an jenen Tag, an dem Dresden unterging. In aller Stille. Es war das letzte denkwürdige Gedenkkonzert Thielemanns an diesem Ort, aber hoffentlich nicht das letzte überhaupt.

6. Symphoniekonzert

Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem  op. 45

Julia Kleiter, Sopran
Markus Eiche, Bariton

Sächsische Staatskapelle Dresden
Sächsischer Staatsopernchor Dresden (Leitung: André Kellinghaus)
Musikalische Leitung: Christian Thielemann

Semperoper, Dresden     13. Februar 2024

von Kirsten Liese

Was lässt sich noch über einen genialen Dirigenten sagen, der alle bedeutenden Werke seines Repertoires aus dem Kopf abrufen kann, sogar  Opern wie vor zehn Tagen Wagners Tristan? Eigentlich ist das unvorstellbar, keiner macht das Christian Thielemann nach.

Nach dem jüngsten Konzert in Dresden lässt sich tatsächlich noch etwas hinzufügen: Der Berliner hat als Einziger mit dem gebotenen Ernst ein ehrenwertes Gedenken an den 13. Februar 1945 ermöglicht – ein Datum, das wie kaum ein anderes für die Sinnlosigkeit von Krieg und Gewalt steht. „6. Symphoniekonzert, Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem op. 45
Semperoper, Dresden 13. Februar 2024“
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Thielemanns letzter Tristan in Dresden: Einfach genial!

Tristan 2024, Dresden, Camilla Nylund, Klaus Florian Vogt © JF

Mit dem jüngsten Dresdner Tristan hat sich Thielemann selbst noch einmal übertroffen. Seit 20 Jahren habe ich keinen so rundum vorzüglichen Tristan mehr erlebt. Vielleicht ist dies mein letzter, einen mittelmäßigen will ich nach diesem jedenfalls nicht mehr erleben.

Richard Wagner
Tristan und Isolde
Handlung in drei Aufzügen
Libretto vom Komponisten

Musikalische Leitung: Christian Thielemann

Inszenierung und Bühnenbild: Marco Arturo Marelli
Kostüme: Dagmar Niefind-Marelli

Chor: André Kellinghaus

Tristan: Klaus Florian Vogt
Isolde: Camilla Nylund
König Marke: Georg Zeppenfeld
Brangäne: Tanja Ariane Baumgärtner
Kurwenal: Martin Gantner
Melot: Sebastian Wartig

Ein Hirt: Attilio Glaser
Ein Steuermann: Lawson Anderson
Ein junger Seemann: Attilio Glaser

Sächsische Staatskapelle Dresden und Sächsischer Staatsopernchor

Dresden, Semperoper, 3. Februar 2024

von Kirsten Liese

Es ist vielleicht von Vorteil, dass Christian Thielemann den Tristan nicht allzu oft – und schon längere Zeit nicht mehr dirigiert hat.

Dieser Musik kann man sich nicht alle Tage hingeben, andernfalls bestünde wohl die Gefahr, gegen ihre narkotische Wirkung resistent zu werden – unvorstellbar bei einem solchen Bekenntnismusiker wie Thielemann, der sich für Wagners Musik verzehrt. „Richard Wagner, Tristan und Isolde
Dresden, Semperoper, 3. Februar 2024“
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Tristan in Dresden: (K)ein Vollrausch

Christian Thielemann © Matthias Creutziger

Wenn Thielemann auf dem Programmzettel steht, tritt regelmäßig ein, was vorher bereits zu erwarten ist: absolute Perfektion – Klangmagie vom Allerfeinsten. Doch gleich dem Lächeln des nach dem Tageskampf verstorbenen „Helden ohne Gleichen“ ist Thielemanns Tristan in Dresden über weite Strecken ein milder und ein leiser, und dabei jedoch ein nicht minder klangmagischer. Um das fulminante Rollendebüt von Klaus Florian Vogt als Tristan und die herrliche Lokalmatadorin Camilla Nylund erreicht eine perfekte Sängerbesetzung das absolute Maximum an Qualität. Mit einer wunderbaren Inszenierung gelingt ein Gesamtkunstwerk vom Allerfeinsten. Und dennoch: Die abgründig-perversen Seiten des Tristan bleiben an diesem Abend unbefriedigt.

Richard Wagner

Tristan und Isolde
Handlung in drei Aufzügen, Libretto vom Komponisten

Christian Thielemann, Dirigent
Sächsische Staatskapelle Dresden
Marco Arturo Marelli, Regie und Bühnenbild    

Semperoper Dresden, 21. Januar 2024

von Willi Patzelt

Christian Thielemann kokettiert mit nahezu allem, was er macht. Vor einigen Jahren noch sprach er grinsend davon, wie „pingelig“ er – getrieben von seinem „Preußen-Fimmel“ – beim Proben wäre. Heute geriert er sich offensiv als weiser, väterlicher und nicht mehr so dickköpfiger, ja als ein höchst gediegener Kapellmeister. Als solcher bezeichnete sich der nun scheidende Chef der Dresdner Kapelle immer schon – stets darauf verweisend, dass der „Kapellmeister“ nicht ein langweiliges Pendant zum hochinspirierten „Dirigenten“ sei. Und seit Jahren setzt Kapellmeister Thielemann mit dieser Herangehensweise Maßstäbe. Nicht um den breiten Pinsel ginge es bei der – wie sie Thielemann augenzwinkernd nennt – „Kapellmeisterei“. Vielmehr hat der Berliner ein feinsinnig-farbenreiches klangmalerisches „Finetuning“ komplexer Partituren perfektioniert.

„Richard Wagner, Tristan und Isolde
Semperoper Dresden, 21. Januar 2024“
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Dresden: Klaus Florian Vogt vollendet seinen Wagner-Zyklus und triumphiert auch als Tristan

Tristan 2024, Dresden, Camilla Nylund © JF

Die Lohengrin-, Stolzing- und Siegfried-Szene hat Klaus Florian Vogt längst im Griff, jetzt mischt er auch noch den Tristan mächtig auf. Dieser Tenor singt nicht gegen, sondern mit Camilla Nylunds allmächtiger Isolde.

Tristan und Isolde
Musik und Libretto von Richard Wagner

Semperoper Dresden, 21. Januar 2024

von Johannes Karl Fischer

Es ist vollbracht. Klaus Florian Vogt schließt die letzte Lücke seines Wagner-Fachs, von Lohengrin bis Parsifal hat er jetzt alle großen Rollen durch. Auch den Tristan singt er sanft wie Stolzing-Lieder, Vogt bleibt eben Vogt. Völlig mühelos schwebt er durch die endlosen Kraftakte von Wagners wohl forderndster Tenorpartie, selbst den von vielen Spitzensängern gefürchteten dritten Aufzug bewältigt er ganz ohne Müh’. Er steht einfach da, der Körper des schwer verwundeten Tristans zittert durch die stark verschmutzte Kulisse, und singt. Nicht mehr, nicht weniger. „Tristan und Isolde, Musik und Libretto von Richard Wagner
Semperoper Dresden, 21. Januar 2024“
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