Roméo et Juliette © Michaael Pöhn
Rot ist die Liebe. Deshalb spielen bei Jürgen Flimms Regie von „Roméo et Juliette“ Kostume in Rottönen eine Rolle. Von flammender Leidenschaft sonst wenig Spur. Bertrand de Billy bleibt am Pult der Wiener Staatsoper verhalten. Saimir Pirgu setzt als Roméo überwiegend auf Lautstärke. Nur Nadine Sierra holt die Kastanien aus dem Feuer und reißt zum Ende alle vom Hocker – Leidenschaft und Facettenreichtum pur!
Charles Gounod
Roméo et Juliette
Wiener Staatsoper, 8. September 2024
von Jürgen Pathy
„Sie g’foit ma net!“. Mit dieser Meinung steht die Dame allein auf weiter Flur. Dass Nadine Sierra „zu dünn“ in den Höhen sei, könnte man schon meinen. Anfangs, da wirkte die Stimme leicht, fast ohne Stütze. Das könnte die Meinung des Gasts beeinflusst haben. Dass das alles auf Konzept basieren dürfte, einem Ausdruck der Wandlung über rund zweieinhalb Stunden Liebesdrama, sollte die Dame nicht außer Acht lassen.
Die große Sierra-Show
Anfangs ein naives, kleines Mädchen, das glockenhell dahinträllert. Danach deutlich mehr Kraft, eine dunklere Farbe, satter, voller – ein Ausdruck des Wandels, des Lebens, das der liebenden Juliette nicht gerade wohlgesonnen ist. All das durchlebt man mit Nadine Sierra bis hin zur finstersten Stunde. Dem Schlaftrunk, um der Zwangsheirat des Vaters zu entfliehen und ihrer wahren Liebe zu folgen. Geht letztendlich in die Hose, wie man weiß. Roméo greift zum Gifttrank, Juliette folgt in den Freitod.
Von Sierra alles mit schier unfassbarer Leichtigkeit gesungen. Dazu der „Facettenreichtum“, der bei der Amerikanerin nicht bloß eine rhetorische Floskel ist. Drei Gemütszustände, drei unterschiedliche Farben in der Stimme. Dass die 36-Jährige dabei durch die Mega-Partitur fetzt, als gäb’s nichts Leichteres, ist sowieso kaum zu glauben. Zum Ende bleibt einem die Spucke weg. Da zuckt sie völlig aus, die Juliette, bevor sie in den Tiefschlaf fällt. So ein wenig die „Wahnsinnsszene“ von Gounod. Musikalität, Technik und Ausdruck auf höchstem Niveau. Der Rest ist ernüchternd.
Graf Capulet muss es richten
Saimir Pirgu setzt als Roméo rein auf Dezibel. Sein Timbre ist bezaubernd, keine Frage. Seine „Italianità“ einprägsam. Nur: Als großspuriger Schreihals lässt er feine Nuancen und Legatogesang schwer vermissen.
Bertrand de Billy holt aus dem Staatsopernorchester ebenso nicht das Optimum heraus. Der Blick in den Graben lässt von Anbeginn böses erahnen. Fünf Pulte für die zweiten Geigen, zehn Musiker also – davon allein sieben junge Damen. Mehr fast als die Wiener Philharmoniker im ganzen Verein als Mitglieder zählen. Substitute mit Sicherheit, denen vermutlich keine Orchesterprobe vergönnt war. Keine Überraschung somit, dass die Partitur einer emotionalen Entschlackungskur unterzogen wird.
Glücksgefühle liefern die kleinen Rollen. Patricia Nolz als Stéphano, Wolfgang Bankl als Graf Capulet, der als Familienoberhaupt seine Phrasen mit viel Kantabilität und lyrischer Schönheit schmückt. Peter Kellner ist sowieso eine Bank. Zu jung halt noch, um ihn als Pfaffen ins Rennen zu senden. Damit verschleudert man seine Qualitäten. Bertrand de Billy sollte Direktor Roščić ebenso andere Aufgaben anvertrauen. „Tosca“, „Roméo und Julia“, romantisches Repertoire generell – nein, danke! Bei Mozart kann der Franzose sein intellektuelles Kalkül besser zur Entfaltung bringen.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 13. September 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Charles Gounod, Roméo et Juliette Musiktheater an der Wien, Museumsquartier, Halle E, 1. März 2024
Charles Gounod, Faust (Margarethe) Theater Lübeck, 17. November 2023 Premiere
Herr Pathy, ich erlaube es mir, den Bericht eines Kollegen zu zitieren. Wie so oft fragt man sich, wie viele Aufführungen hat es gegeben? Waren Sie und Ihr Kollege in einer und derselben Aufführung? Dass Meinungen um 180 Grad differenzieren, macht bedenklich, besonders weil Sie nicht darauf eingehen, WIE Ms. Sierra durch die „Mega-Partitur fetzt“. Und in dem WIE, da liegt der ganze Unterschied!
Ms. Sierra war eine rollendeckende Juliette, mit guter Stimme und in der Regel ausreichender Kraft (mit der oben geäußerten Einschränkung), doch sang sie immer wieder Phrasen mit weit offenem Mund, formte den Ton dort, anstatt die Vokale im Kehlkopf entstehen zu lassen. Manch hoher Ton geriet schrill und wurde mit viel Kraft attackiert. Bei den Koloraturen in „Ah, je veux vivre“ wirkten die ersten Töne immer hervorgestoßen und vom Rest des Laufes getrennt, als habe Gounod einen Akzent darauf notiert. Auch sang Ms. Sierra jeden Lauf für sich, nicht, wie z.B. Eidé Norena oder andere Meisterinnen ihres Faches, auf dem Atem, ebenmäßig balanciert.
Sheryl Cupps
Liebe Frau Cupps,
ich erlaube es mir, mit einem Satz zu kommentieren: Der Kollege ist NIE glücklich!
Liebe Grüße
Jürgen Pathy
Noch ein Zusatz. Wer die Berichte des Kollegen kennt, kann unterm Strich behaupten: Er gibt mindestens eine 2+. Zwischen den Zeilen lesen ist da notwendig. Der verfällt nie in regelrechte Euphorie!
Jürgen Pathy
Merci M. Pathy, nous avons entendu la même chose…
Nadine Sierra wird in 5 Jahren die Größte sein, wenn sie weiterhin die gleichen Lehrer behält und die Rollenwahl stimmt, egal was man ihr bietet. Bisher hat sie widerstanden, wie Flórez, der auch für kein Geld der Welt eine falsche Rolle annähme. Anders als Kaufmann, der einfach alles mitnimmt. Das hört man seit zehn Jahren.
Amitiés
Franco Bastiano, Paris v-ième
Flórez HAT keine Entwicklungsmöglichkeiten. Das zeigen seine Verdi-Versuche. Er ist auf sein Ursprungs-Repertoire beschränkt, das er zur Perfektion ausgebaut hat.
Vielseitigkeit und intelligente Rollengestaltung ist nicht jedem gegeben…
Waltraud Becker
Ich sehe das genauso, Frau Becker! Als Alfredo hat Flórez schon enorm zu kämpfen. Überhaupt an einem Haus wie der Wiener Staatsoper. Wenn die Regie noch dazu keine Rücksicht auf ihn nimmt, ist seine Stimme einfach zu „klein“, zu leise. So schön sie auch klingen mag. Als „Faust“ stand er komplett auf verlorenem Posten. Ich hatte fast Mitleid, als ich mir diese Pantomime-Show ansehen musste.
Jürgen Pathy
Mit Verlaub Sheryl Cupps, eine Eidé Norena hatte zeitlebens etwas Soubrettenhaftes an sich und ihr Vibrato war legendär im negativen Sinne.
Dennoch eine gute Sängerin für gewisse Rollen.
Ein Vergleich mit Nadine Sierra erscheint mir hingegen wie ein Witz. Dazwischen liegen Welten. Bei Sierra fließen Töne ohne Registeranstöße, also nahtlos bis ins Dreifachpiano. Auch bemängeln Sie, dass manche Töne vorn und nicht im Kehlkopf geformt werden; schon Caruso war berühmt für die Formung mancher Töne vorn im Mund. Das ist bewusst so gewählt und hat einen runden tragenden Effekt. Für die Phonation ist der musculus vocalis an den Stimmlippen entscheidend. Sierra beherrscht das alles makellos vorn und hinten, um mit Ihren Worten zu sprechen. Auch der perfekte Stimmlippenschluss ist bei Sierra außergewöhnlich stabil. Sie ist eine wahre Ausnahmeerscheinung, neben der viele Namen verblassen.
Franco Bastiano, Paris V-ième
Frau Becker beweist mal wieder, dass sie keine Ahnung über Flórez’ Möglichkeiten und Entwicklungsstufen hat. Flórez hat ein einziges Mal in seiner Karriere eine Rolle zu früh gesungen, wenn auch nur wenige Vorstellungen. Das war der Herzog von Mantua in Dresden, den er heute mit Glanz singt. In seiner Entwicklung zeigt er eine Stetigkeit, die erstaunt. So heben sich Rollen aus Werther, Hoffmann, Manon, Roméo et Juliette, Les Huguenots, Lucia di Lammermoor, Linda di Chamounix sowie La favorita von seinen ca. zwölf Opernrollen des frühen und mittleren Belcanto ab. Auch singt Flórez Mozart und zwar Così fan tutte, Le nozze di Figaro und Die Entführung… Er singt auch Barockopern und mit großem Erfolg La Traviata und La Bohème. Er hat ein riesiges Repertoire. Hinzu kommen noch etwa zehn weniger bekannte Opern, die ich nicht alle aufführen kann. Seine Stimmbeherrschung ist legendär und zu Recht ist er heute der höchstbezahlte Tenor.
Wenn Frau Becker Flórez’ Stimme nicht gefällt, so gehört das zur Kategorie Geschmack. Man sollte das dann auch sagen und nicht seine Unkenntnis über die Entwicklung eines Sängers zur Schau stellen.
Cordialmente
Franco Bastiano, Paris V-ième, France
Sorry, sein Alfredo konnte ganz und gar nicht überzeugen. Alle anderen Partien gehören genau in sein (beschränktes) Fach. Mozart habe ich noch nie von ihm gehört (wohl eine Hör-Lücke meinerseits oder es lag weit in der Jugendzeit).
Mit keinem Wort habe ich gesagt, dass mir die Stimme nicht gefällt. Im Gegenteil, in seinem Fach ist er neben Camarena DER Sänger.
Ein Repertoire ist ab etwa 40 Rollen riesig; zuvor vielleicht umfangreich. Um ein „riesiges“ Repertoire zu haben, muss man(n) schon mehrere Fächer erfolgreich beherrschen. Pavarotti war mit einer kleinen Anzahl an Rollen erfolgreich; Domingo hat allein als Tenor alle Zeitgenossen übertroffen (Der Tenor mit den meisten Partien war übrigens Andreas Dippel; 164 Rollen hat er gesungen, war auch eine zeitlang Co-Direktor der Met).
Mann sollte nicht vor lauter Begeisterung zu Übertreibungen ausholen; das macht sich nicht gut.
Höchstbezahlt? Das würde mich interessieren…
Waltraud Becker
Dippel gehört in ein ganz anderes Jahrhundert, stammte aus Kassel und bevor er in den USA reüssierte machte er sich auch in Deutschland einen Namen. Er war vor allem im heldischen Fach tätig und sang schwere Rollen vornehmlich im Italienischen und Deutschen Fach gleichermaßen erfolgreich.
Flórez’ Einzigartigkeit zeigt sich auch darin, dass er die Rollen der ersten zehn Jahre seiner Karriere auch heute, nach einer bemerkenswerten Entwicklung, noch immer singen kann. Er beherrscht ein hohes D mit Bruststütze, während ein Domingo, obwohl zu Recht sehr erfolgreich, kein echtes hohes C besaß, das für manche Rollen unerlässlich ist. Er transponierte fleissig und drückte die Töne hoch wie auch Kaufmann. Auch er hatte nie ein echtes hohes C und schlabberte (komisches deutsches Wort) gern achtel- und sechzehntel-Noten, was in der Stretta im Trovatore gar nicht geht.
Flórez beherrscht sechzig Opernrollen, ein riesiges Konzertprogramm, singt auch West Side Story und als Ausnahmetalent Zarzuela, eine ganz eigene Kategorie. Ich vergaß noch Opern wie Falstaff, Rosenkavalier, Jérusalem und Luisa Miller, Gianni Schicchi und La donna del lago sowie Maria Stuarda.
Mozart singt Flórez erst seit ein paar Jahren. Bemerkenswert ist auch Orpheus et Euridice. Sein Edgardo hat die Wiener mitgerissen und da gibt es durchaus sehr dramatische Momente, sogar solche, die einen Spinto erfordern. Traviata singt Flórez vorbildlich mit der oft weggelassenen Stretta (doppelt). Dass mal ein Abend nicht ganz das höchste Niveau erreicht, ist normal beim Instrument Stimme, aber äußerst selten bei Flórez, wie auch seine ‚Absagekultur‘, die bei den Herren Domingo und Kaufmann vor allem, der gar nicht in diese Kategorien gehört, vernachlässigt werden kann.
Ich muss mich hier verabschieden, denn trotz meines Alters bin ich noch immer als Stimm-Disponent unterwegs, seit 50 Jahren.
Franco Bastiano, Paris V-ième
Zwei Anfragen: was sind die 60 (!!!) Partien und wie hoch sind die Gagen (Zahlen bitte!)?
Dass Sie ein Liebhaber hoher Tenorstimmen sind, zeigen schon die ständig eingeworfenen Seitenhiebe auf die Tenöre mit dunklerer Stimmfarbe.
Flórez’ West Side Story und Ausflüge in der spanische Operette wird positiv ins Treffen geführt, Kaufmanns breites Programm über die klassische Oper hinaus wird beschimpft.
Den Rosenkavalier-Sänger hat ja wohl schon jeder einigermaßen bekannte Tenor gesungen; das würde ich nicht als Facherweiterung ansehen. Bei Strauss gibt’s da noch ganz andere Partien, den Bacchus um Beispiel.
Aber, was plage ich mich ab, jemandem die Grenzen einer Stimme darzulegen, der es nicht wissen will, obwohl er es wissen sollte.
Dippel: danke, ich lebe in Kassel und weiß daher bestens Bescheid. Dippel hat zuletzt Cavaradossi an der Met 1903 gesungen, 107 Jahre später war Kaufmann der erste deutsche Tenor, den man danach für diese Partie dort engagierte…
Waltraud Becker
Hallo Signora Becker,
ich kann nur in Tranchen auf Ihre letzte Anmerkung eingehen, denn ich bin zzt. beruflich auf Reisen zu Spaniens Opernhäusern: Real Madrid, Liceu Barcelona, Palau Reina Sofía Valencia, Euskalduna Bilbao, Auditorium Teneriffa, Santa Cruz und Teatro Pérez Galdós Las Palmas.
Richtig ist: Andreas Dippel sang erstmalig am 19.12.1903 den Cavaradossi an der MET und in Folge 16 Mal bis zum 26.04.1907 dort. Ab 1908 hatte er auch die amerikanische Staatsangehörigkeit.
Andere Korrekturen folgen –
Franco Bastiano, actualmente Las Palmas/Gran Canaria
Hallo, signora Becker, Sie haben gesehen, man kann in Kassel wohnen und doch nicht bestens Bescheid wissen, z.B. über Andreas Dippel. Und Sony schreibt viele Märchen auf seine Cover. Gern lügt man auch da, wenn man seine Stars lobt, siehe Kaufmann. Das Wissen über Stimmen: Kein Wunder, alle Datenbanken über Sänger und Opernhäuser sind in der Regel nur Leuten zugänglich, die, wie ich, beruflich damit zu tun haben. Sie meinten ja auch, weil ich Flórez derart lobe, meine Vorlieben lägen bei hohen Stimmen. Das Gegenteil ist der Fall, jedoch sprengt Flórez, was Stilsicherheit, Gesangskultur und Einsatz von Mitteln angeht, jeden Rahmen. Bei ihm gibt es weder gutturales Singen noch Knödeln, noch Mogeln und Schludern und keinerlei Registerbrüche. Hören Sie auf YouTube Fra poco a me ricovero aus Lucia di Lammermoor / Wien, Schlussszene 19 Min. und Sie verstehen, was ich meine. Das macht ihm niemand nach. Und Edgardo ist bereits ein jugendlich-dramatischer Tenor mit reichlich lyrischer Gestaltung. Demnächst folgt Pollione in Norma, der schon teilweise einen Spinto erfordert.
Zu den Stimmen: Ich bevorzuge seit je den Verismo, Sänger wie Arturo Chacón-Cruz, Roberto Aronica, Enea Scala, Brandon Jovanovich, Giacomo Aragall, Franco Corelli, Ramon Vinay, Gianfranco Cecchele, Jon Vickes, Michael Spyres, Rodrigo Porras Garulo, Robert Dean Smith und Xavier Anduaga.
Gestern habe ich das Geburtshaus von Alfredo Kraus besichtigt. Es steht mitten in der Altstadt von Las Palmas. Kraus war höhen- und stilsicher wie auch Nicolai Gedda. Beide gehören aber nicht zu meinen Favoriten. Es gibt in den Obertönen stets eine herbe, nüchterne, spröde Färbung. Das so wichtige Dolce für das Italienische Fach fehlt. Im Französichen Fach kann man das verschmerzen, da zählt die voix mixte.
Cordialmente
Franco Bastiano, actualmente Barcelona
Kurznachricht: Man verachte mir die Zarzuela nicht. Die echte ist schwer zu singen und die West Side Story nicht minder. Da gibt es ein Video mit Bernstein selbst, wie er das Stück mit Carreras probt und beinahe verzweifelt, dass der renommierte Sänger die Sache kaum hinkriegt.
Rosenkavalier: Flórez tat einem befreundeten Dirigenten den Gefallen, den Sänger zu singen. Das geschah zweimal zu einem symbolischen Gagewert in Südamerika, denn kein Opernhaus kann es sich leisten einen Flórez für eine Arie zu engagieren. Jedoch die Arie ist wichtig und ich habe es erlebt, dass sie einen Abend regelrecht herunterziehen konnte wie auch als Highlight den Rest vergessen machte.
Bacchus, señora Becker, ist eine Heldenpartie, es zeugt nicht von Kenntnis, Flórez mit ihr in Verbindung zu bringen. Bei Strauss und Wagner sehe ich ihn gar nicht, eventuell in zehn Jahren Lohengrin, die italienischste Oper Wagners. Immerhin, die Stimme Flórez‘ hört sich, er ist fünfzig, an wie die eines 35-Jährigen, dank kluger Rollenwahl und Technik. Und den Kaiser wie auch Herodes wollen wir Flórez auch nicht anbieten.
Kaufmanns Programm wird nicht bemängelt, jedoch wie der Sänger damit und mit Masse umgeht. Alles mitnehmen, egal was, wie die Firma Domingo, wie man in USA sagt und greedy, gierig, nennt man ihn da. Vor 15 Jahren, als Kaufmann noch oben war, hatte er die Angewohnheit, die ersten drei Vorstellungen zu singen und dann abzusagen. Manchmal nur eine. In den ersten drei Vorstellungen kamen oft die Aufzeichnungen und der Presse- und Medienzirkus. Darauf kam es ihm und der rabiaten Agentur Zemsky-Green in New York an. Auch Flórez war anfangs dort, verließ aber nach wenigen Saisons Zemsky-Green, als er erkannte, wie die Agentur die Sänger hetzt, und wechselte zu einer kleinen renommierten Agentur, der es auf Dauer, Schonung und Stimmerhalt ankommt. Kaufmann machte das auch in New York und kam zu einigen Proben nicht. Das gefiel dort nicht und man engagierte ihn zuletzt vor langer Zeit. Er erklärte, dann er wolle ohnehin nur noch in Europa singen, nur um in der nächsten Saison nach Korea und Australien aufzubrechen. Kommentar überflüssig.
Franco Bastiano / Tenerife
Hallo, señora Becker, hier die inzwischen über 70 Partien, die Flórez beherrscht, die Mühe habe ich mir gemacht: Il viaggio a Reims, Ermione, Il cappello di paglia, La alegría del batallón, El ultimo romántico, Rigoletto, Faust, La Traviata, I lombardi, Jerusalem, Il segreto di Susanna, Orféo et Euridice, Armida, Roméo et Juliette, La flor de la canela, Amapola, Le roi d’Ys, La pícara molinera, Cavalleria, Werther, Manon, Thaïs, Les Huguenots, Il crociato in Egitto, Così fan tutte, Le nozze di Figaro, Entführung, Il re pastore, Zauberflöte, La clemenza di Tito, Idomeneo, Il templario, Hoffmann, Gianni Schicchi, La Bohème, Semiramide, La Cenerentola, La donna del lago, Il barbiere di Siviglia, L’italiana in Algeri, Guillaume Tell, Otello (Rossini), Matilda di Shabran, Zelmira, Ricciardo e Zoraide, La sonnambula, I puritani, I Capuleti i Montecchi, Norma, Les pêcheurs de perles, La jolie fille de Perth, Griselda. Lakmé, Maria Stuarda, La fille du régiment, Linda di Chamounix, Don Pasquale, La favorita, L’elisir d’amore, Alahor in Granata, Lucrezia Borgia,Dom Sebastian, Rita, Il duca d’Alba, Roberto Devereux >>> Petite messe solennelle, Gräfin Maritza, Das Land des Lächelns,Giuditta, Stabat mater …
Also 71 Partien beherrscht Flórez, davon 5 keine Opern. Einige Opern sind auch vielen Opernfreunden unbekannt und werden sehr selten gespielt, einige gibt man sogar ausschließlich mit Flórez, weil weder Camarena, Brownlee, Osborne oder Siragusa sich da herantrauen.
Zu den Gagen: Mir stehen alle Datenbanken zur Verfügung, jedoch über Gagen kann und darf ich keine Auskunft geben. Sie werden stets aktualisiert, denn sie hängen von Leistung, Probenverhalten, Zuverlässigkeit und Kritiken ab. Soviel jedoch: Flórez ist an der Spitze, Kaufmann erreicht seit langem nur die dritte Kategorie. Machmal gibt es bei Spitzensängern auch Nebenabsprachen, die eine Gage noch aus besonderen Gründen aufbessern. Im Ganzen jedoch müssen Opernhäuser sparen und ein gegenseitiges Hochschaukeln gibt es nicht mehr.
So viel und es war zu viel aus Valencia.
Ich melde mich noch ein letztes Mal aus Bilbao. Ich werde nach dieser Reise aufhören, denn ich gehe auf meinen 86. Geburtstag zu.
Cordialmente
Franco Bastiano
Valencia / Madrid
Mon cher Franco Bastiano,
zu allererst wünsche ich Ihnen noch viele ereignisreiche Lebensjahre bei guter Gesundheit ! Was Sie während Ihrer Musikreisen genau machen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ihre Kommentare – nicht nur in diesem Blog – erwecken in mir zuweilen aber den Eindruck, in der Opernwelt geht ohne Sie gar nichts.
Mit Musikliebhabern, die anders denken als Sie, gehen Sie sehr oft hart ins Gericht und es fällt Ihnen offenbar schwer, andere Ansichten und Meinungen zu akzeptieren. Deshalb muss ich Ihnen an dieser Stelle und am Ende Ihrer beruflichen Tätigkeit einmal ganz deutlich sagen, dass Sie vom künstlerischen Leistungsvermögen und Lebenswerk eines Jonas Kaufmann schlichtweg keine Ahnung haben. Vielleicht haben Sie auch eine derartige Aversion gegen ihn entwickelt, die eine vorurteilsfreie Bewertung nicht mehr zulässt.
Auch ich höre gerne Juan Diego Flórez und schätze ihn sehr, doch Jonas Kaufmann, der „König der Tenöre“ im ersten Quartal des 21. Jahrhunderts begeistert mich und ganz viele Menschen wegen seiner Vielseitigkeit, überragenden Bühnenpräsenz, seines Intellekts und seiner Bescheidenheit eben mehr und immer wieder auf’s Neue.
Amitiés
Franz Büchel
Cher Monsieur Büchel,
Sie wollten gern wissen, was genau ich beruflich tue. Ich bin ein sog. Stimmen-Disponent (Oper). Früher für ein Agentur in London tätig. Seit 40 Jahren selbständig. An mich wenden sich Sänger, Intendanten, Agenturen. Ich vermittele vorwiegend jüngere Sänger und Sängerinnen und betreue sie weiter, damit eine kontinuierliche Entwicklung gewährleistet ist. Ich reise zu Vorstellungen, angemeldet aber auch anonym, um neue Talente zu finden. Auch werde ich beauftragt dies zu tun. Ich reise auch auf Einladung zu Vorsingdaten an Opernhäusern. Diese Reise jetzt war meine letzte in der Art. Vier Vorverträge konnte ich abschließen. Das ist ein schönes Resultat. Um 18:00 geht mein Flugzeug nach Paris Charles-de-Gaulle.
Ab morgen werde ich mein Leben in meinem schönen Stadthaus (ein Hôtel particulier im ältesten Pariser Bezirk, nahe Panthéon und Jardin du Luxembourg) ruhiger genießen.
Danke für Ihre Wünsche. Auch Ihnen das Beste. Meine Genauigkeit in Kommentaren hängt mit meiner Profession zusammen. Auch habe ich in der frühen Zeit Gesang studiert, bei David Ward, ein Bass von Covent-Garden. Das war schon aufregend in Probenräumen der englischen Oper. Ich war 19, als ich damit anfing. Nach dem Abitur in einem weltlichen, musischen, deutschen Internat, wo ich 9 Jahre war, ging meine Familie nach England (Vater Diplomat), wo ich in London und Cambridge längere Zeit lebte. Später ging es nach Paris (bin 3-4-sprachig aufgewachsen).
Ich grüße auch Andreas Schmidt, den ich geschätzt habe, weil er weiß, was er tut und selbst auch singt.
Beste Grüße
Amitiés
Best wishes
Cordialmente
Franco Bastiano, noch Bilbao