„Fantasie ist das Auge der Seele“ – Die neue Intendantin der Semperoper Dresden verspricht eine anregende Liaison aus Tradition und Gegenwart

Spielzeit-Präsentation 2024/25   Semperoper Dresden, 14. März 2024

Spielzeitheft 2024/25 © Semperoper Dresden

Spielzeit-Präsentation 2024/25

Semperoper Dresden, 14. März 2024

von Pauline Lehmann

Emphatisch hat die „Fantasie“ die Fackel der Begeisterung in ihrer Hand emporgehoben. Die Allegorie und die Musen der Theaterkünste, die auf dem Schmuckvorhang des Hauses zu sehen sind, stechen auf dem Cover des neuen Spielzeitheftes grellbunt ins Auge. „Stell dir vor,“ kündet das Motto, mit dem die designierte Intendantin, Nora Schmid, und ihr Team die kommende Opernsaison in der sächsischen Landeshauptstadt bewerben und an die Vorstellungskraft des Publikums appellieren.
Die gebürtige Schweizerin kehrt nach achtjähriger Zeit als Intendantin der Oper Graz und einem Vorbereitungsjahr als Chefin an die Elbe zurück, wo sie keinesfalls eine Unbekannte ist. Mit dem hiesigen Opernbetrieb wirkt die 45-Jährige gänzlich vertraut.

„Exzellenz kann nur in einem freien Gedankenraum entstehen. Kreativität lässt sich nicht messen, nur leben. Es ist wichtig, dass wir immer mehr Ideen haben, als wir realisieren können. Dafür ein Klima zu entwickeln, ist mir ein großes Anliegen“, so Nora Schmid in einem Gespräch mit der Sächsischen Staatsministerin für Kultur und Tourismus, Barbara Klepsch, und dem Kaufmännischen Geschäftsführer Wolfgang Rothe.

Für die kommende Saison sind neben 27 Repertoirestücken auch 14 Neuproduktionen angekündigt – zehn in der Oper, vier im Ballett. Der Spielplan ist damit breit gefächert und mit vier Uraufführungen baut die Dresdner Oper ihren Rang als zeitgenössische, moderne Bühne aus. Mit Händels Saul mit dem Countertenor Jake Arditti als David und Gounods Roméo et Juliette spannt Nora Schmid den Bogen von der barocken über die französische Oper bis hin zum Märchen, Psychothriller und zur Science-Fiction-Oper. Auf Semper Zwei kommt mit humanoid von Leonard Evers ein Stück für Jugendliche ab 13 Jahren auf die Bühne, welches dem Verhältnis von Mensch und Maschine in unserer zunehmend digitalisierten Welt nachspürt.

Das 40. Jubiläum des Dritten Opernhauses, welches nach der Kriegszerstörung am 13. Februar 1985 mit dem Freischütz in der damaligen DDR wiedereröffnet wurde, als auch das 200-jährige Bestehen des Balletts geben Anlass, die Geschichte und Tradition des Hauses erlebbar zu machen. So bringt die Semperoper Dresden zwar nicht die damalige Freischütz-Inszenierung von Joachim Herz, dafür aber diejenige von Axel Köhler wieder auf die Bühne. Aber auch Christine Mielitz’ bedeutungsschwere Fidelio-Inszenierung vom 7. Oktober 1989 ist mit David Butt Philip als Florestan und Marlis Petersen als Leonore abermals zu sehen. Das Ballett spürt mit der dreiteiligen Inszenierung Tag Team seiner Geschichte am Dresdner Operhaus nach. Für das Choreografie-Match, bei dem Julian Nicosia, Francesca Frassinelli und Giovanni Insaudo die künstlerische Arbeit in ihrem Stil weiter- und neudenken, schafft Kinsun Chan einen Bühnenraum in Semper Zwei, der im Monat April 2025 auch zum Begegnungs- und Ausstellungsort anlässlich des Ballett-Jubiläums wird.

Die Opernsaison eröffnet Arrigo Boitos Mefistofele. Die Faust-Oper des italienischen Komponisten, der sonst eher als Verdi-Librettist und Übersetzer bekannt ist, erklingt als Dresdner Erstaufführung unter der musikalischen Leitung von Andrea Battistoni und in der Regie von Eva-Maria Höckmayr, die erstmals in Dresden inszenieren und dabei die Weltliteratur auch in einer weiblichen Perspektive erzählen wird. Die Titelpartie übernimmt der polnische Bass Krzysztof Bączyk. In einer Sprechrolle ist die Schauspielerin Martina Gedeck angekündigt.

In einer Inszenierung von Axel Ranisch wird in Richard Strauss’ Intermezzo mit dem Hofkapellmeister Robert Storch und seiner Frau Christine die Ehe des Komponisten mit Pauline de Ahna zum Thema. Die musikalische Leitung des autobiografisch-augenzwinkernden Stückes über einen Seitensprung übernimmt Patrick Hahn. Der Grazer wird in der Semper Bar auch mit Chansons von Georg Kreisler gastieren.

Weitere Neuproduktionen sind Sergej Prokofjews Die Liebe zu den drei Orangen und Maurice Ravels Das Kind und der Zauberspuk, letzteres ist nicht nur für Kinder, dafür aber ein „großes Plädoyer für Achtsamkeit und Empathie“. Das Stück Innocence der finnischen Komponistin Kaija Saariaho, uraufgeführt im Jahr 2021 im Rahmen des Festivals d’Aix-en-Provence, fragt nach dem Amoklauf an einer internationalen Schule nach dem Umgang mit und der Erinnerung an ein solches Gewaltereignis. Das finnische Originallibretto von Sofi Oksanen wurde für die Dresdner Aufführung mehrsprachig bearbeitet.

Leonard Bernsteins komische Operette Candide wird in einer konzertanten Version von der amerikanischen Grammy-Preisträgerin Karen Kamensek dirigiert. Die Erzähltexte von Loriot spricht Jan Josef Liefers. Mit Ändere die Welt! von Pedro Beriso und Mart van Berckel bietet die Bühne Semper Zwei ein Podium für das Junge Ensemble. Im Ballett bringen Kinsun Chan und Martin Zimmermann mit Wonderful World ein grotesk-satirisches Tanzstück über Social Media und die Globalisierung im Kleinen Haus des Staatsschauspiels zur Aufführung. Mit John Neumeiers Nijnksy als Hommage an Vaslav Nijnsky und das Ballets Russes kommt erstmals seit 2007 wieder eine Produktion des Hamburger Choreografen an die sächsische Elbe.

Nicht nur in der Intendanz, sondern in den künstlerischen Leitungsebenen überhaupt hat sich die Semperoper Dresden neu aufgestellt. Auf Christian Thielemann folgt Daniele Gatti als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Seit einer Einladung von Giuseppe Sinopoli führten den gebürtigen Mailänder zahlreiche Gastdirigate nach Dresden. Er wird erst in der übernächsten Saison am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden Oper dirigieren, dennoch zeigt er mit sieben Sinfoniekonzerten und einem Sonderkonzert eine große Präsenz in seinem Dresdner Antrittsjahr. In der Oper plant das Dresdner Haus eine Saison ganz ohne Christian Thielemann. Denkt man daran, wie sehr er für seinen Dresdner Tristan umjubelt wurde, sucht man seinen Namen in der Besetzungsliste nun leider vergeblich. Und auch Camilla Nylund und Klaus Florian Vogt werden nicht mehr an der Elbe zu erleben sein. Im Ballett gibt es mit Kinsun Chan als neuen Direktor ebenfalls einen Personalwechsel. Gemeinsam mit Nora Schmid kommt Jörg Rieker als Direktor der Abteilung Dramaturgie und Kommunikation ebenfalls aus Graz zurück nach Dresden.

Der reguläre Kartenverkauf startet am 10. April, 10:00 Uhr. Für Abonnentinnen und Abonnenten beginnt der Vorverkauf bereits am 19. März, 10:00 Uhr.

Pauline Lehmann, 15. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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