Franz Welser-Möst dirigiert Mahler 7 verhalten im Wiener Konzerthaus

Cleveland Orchestra, Simon Keenlyside, Franz Welser-Möst  Konzerthaus Wien, 18. Oktober 2023

Konzerthaus Wien, 18. Oktober 2023

Franz Welser-Möst, Cleveland Orchestra © Claudia Höhne

Cleveland Orchestra

Simon Keenlyside, Bariton
Franz Welser-Möst, Dirigent

Gustav Mahler

Frühlingsmorgen (Sechs frühe Lieder Nr. 3) (Bearbeitung für Bariton und Orchester: Luciano Berio) (1889 vor/1987)

Ablösung im Sommer (Fünf frühe Lieder Nr. 1) (Bearbeitung für Bariton und Orchester: Luciano Berio) (1892 vor/1986)

Revelge (Des Knaben Wunderhorn) (1899)

Urlicht (Des Knaben Wunderhorn) (1893)

Rheinlegendchen (Des Knaben Wunderhorn) (1893)

Hans und Grethe (Sechs frühe Lieder Nr. 1) (Bearbeitung für Bariton und Orchester: Luciano Berio) (1892/1986)

***

Symphonie Nr. 7 e-moll (1904–1905)

von Herbert Hiess

Da teils beunruhigende Meldungen über den Gesundheitszustand von Franz Welser-Möst die Runde machen, scheint die Zeit gegeben, innezuhalten und über den oberösterreichischen Stardirigenten nachzudenken.

Und wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren, hier in www.klassik-begeistert.de nach Franz Welser-Möst suchen, werden Sie anhand der vielen Reviews feststellen, dass doch manchmal „durchwachsene“ Wahrnehmungen festzustellen sind. Aber dazu später.

Anlass für die jetzigen Gedanken ist das Mahler-Konzert des Cleveland Orchestra im Wiener Konzerthaus, das neben Liedern des Komponisten vor allem die 7. Symphonie beinhaltete. Das Konzert wird hier auch an anderer Stelle besprochen. Im Übrigen wurde das Konzert auch live für Medici-TV gestreamt.

Für mich war auch dieses Konzert nicht so ganz einwandfrei; wobei es schon fast merkwürdig anmutet, dass die Symphonie recht interessant begann, doch von mal zu mal wurde es immer „beiläufiger“. Waren der erste Satz und die 1. Nachtmusik (zweiter Satz) noch recht interessant, wurde man ab dem Scherzo (dritter Satz) das Gefühl nicht los, dass nur „runterdirigiert“ wurde.

© Herbert Hiess

Das Orchester ist recht interessant; phantastische Streicher und Hölzer, ausgezeichnete Blechbläser und leider ein wenig bestechendes Schlagwerk; allen voran hier der Pauker. Und hier bewahrheitet sich immer wieder die Aussage, dass die Pauke der Motor des Orchesters ist.

Zwar konnte der Pauker schöne Töne hervorzaubern; mitreißend ist schon was anderes. Vor allem fiel das beim Beginn des Rondo-Finales auf, wo sogar Mahler schrieb „mit Bravour“. Es sollte nach Forte klingen; es war vielleicht etwas mehr als Mezzoforte. Und von „Bravour“ war da absolut nichts zu merken.

Am 18. Jänner 1991 konnte ich am gleichen Ort das gleiche Werk mit dem Philharmonia Orchestra unter Giuseppe Sinopoli erleben; der Eindruck dieses großartigen Abends sitzt heute noch tief und da muss sich das Konzert unter Franz Welser-Möst mit diesem messen. Und leider fällt der Vergleich zu ungunsten des Cleveland Orchestra unter Franz Welser-Möst aus. Der oberösterreichische Maestro konnte keine Leidenschaft vermitteln; über viele Übergänge und Passagen, die vor Emotion nur so triefen, wurde einfach nur darübergewischt, anstatt dass sie durch Mark und Bein gingen. Ein Beispiel von vielen ist im ersten Satz die Stelle, wo es vom Pianissimo ins Glissando der beiden Harfen übergeht – diese „Gänsehautstelle“ war hier leider nicht mehr als beiläufig.

Aber zurück zu Franz Welser-Möst, der gerade nur einen Monat und 13 Tage älter als ich ist. Mir fallen in Bezug zu dem Dirigenten immer wieder die Produktionen von Herbert von Karajan und den Wienern ein, wo der heutige Stardirigent assistieren durfte und ich bei Beleuchtungsproben im Orchester saß und bei den Aufzeichnungen in den vorderen Logen als Statist fürs Publikum.

Und natürlich fällt mir da immer wieder ein, wie Franz Welser-Möst vor den Philharmonikern stand und Teile vom zweiten Satz der 5. Tschaikowskys dirigieren durfte und der Über-Maestro aus dem Technikraum seine Anweisungen über Lautsprecher schnarrte. Bei manchen Pausen konnte ich mich sogar mit Franz Welser-Möst interessant unterhalten.

Heute ist Franz Welser-Möst Stardirigent; durch seinen Gesundheitszustand sind natürlich alle irgendwie in Alarmzustand, und man kann ihm nur alles erdenklich Gute wünschen.

Wie alle Menschen in dieser Position polarisiert er klarerweise die Meinungen und Eindrücke; aber er ist trotzdem ein Mensch, der – obwohl er oft in eigenen Sphären schwebt – immer am Boden geblieben ist und bleibt.

Und da er wie ich ein gläubiger Mensch ist, kann man ihm nur Gottes Segen und eine rasche Gesundung wünschen. Ich denke, an diesen Wünsche wird sich die www.klassik-begeistert.de – Fangemeinde beteiligen!

Herbert Hiess, 20. Oktober 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Blu-ray: Giacomo Puccini, Il Trittico, Wiener Philharmoniker, Franz Welser-Möst klassik-begeistert.de, 4. August 2023

Neujahrskonzert Wiener Philharmoniker, Franz Welser-Möst Musikverein, Wien, 30. Dezember 2022

Wiener Philharmoniker, Franz Welser-Möst Musikverein Wien, 9. Oktober 2022

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert