Omer Meir Wellbers Così fan tutte-Dirigat in Hamburg fegt selbst das weltbeste Mozart-Haus vom Platz

Così fan tutte, Musik von Wolfgang Amadeus Mozart  Staatsoper Hamburg, 20. Juni 2024

Così fan tutte Hamburg © Hans Jörg Michel

Die Staatsoper Hamburg will zurück an die Weltspitze, Omer Meir Wellber, designierter Chefdirigent an der Dammtorstraße, soll’s richten. Ausgerechnet vier Tage nach einer neuen Così fan tutte am weltbesten Mozart-Haus namens Wiener Staatsoper gaben ihm die Hamburger das gleiche Werk in die Hand… das nennt man mal Bewährungsprobe! Während der Chef am Pult seinen Wiener Direktkonkurrenten regelrecht vom Platz fegte, festigte die restliche Produktion höchstens einen Platz in der zweiten Opernliga.

Così fan tutte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto von Lorenzo Da Ponte

Staatsoper Hamburg, 20. Juni 2024

von Johannes Karl Fischer

Für ein paar wenige Minuten raste die Oper am Gänsemarkt durch einen erstklassigen Mozart-Himmel, als Omer Meir Wellber das Hamburger Staatsorchester mit Feuer und Flamme in die mitreißenden Klänge der Così-Ouvertüre stürzte. Sein Mozart hatte Drive, sein Mozart machte Spaß, eben genau das, was Philippe Jordans eher uninspiriertem Dirigat am weltbesten Mozart-Haus an jeder Ecke fehlte. Mit einer fast schon uraufführungswürdigen Energie leitete Herr Wellber das gesamte Werk von der Klaviatur, der einen oder anderen Melodien warf stets eine frisch improvisierte Continuo-Note zu. Als säße der Komponist selbst im Graben und würde Publikum wie Bühne für seine neueste Uraufführung begeistern!

Eine ganz dicke Überraschung bot auch der Countertenor Kangmin Justin Kim in der Rolle der Despina. Gegenüber dieser höchst ungewöhnlichen Besetzung hatte ich meine Skepsis, die Herr Kim allerdings mit höchst spaßigem Gesang und Schauspiel auf Anhieb aufhob. Seine Despina war eine Entertainment-Künstlerin par excellence, die etwas überspitzt lächerlichen Seiten dieser Rolle jonglierte er mühelos über die Bühne. Zum absoluten Highlight wurde die Notar-Szene, als er seine Stimme komödiantisch und kunstvoll in das Tenor-Register absacken ließ und diesmal eine kostümlich wie stimmlich als Notar verkleidete Despina auf der Bühne stand!

Così fan tutte Hamburg © Hans Jörg Michel

In allen anderen Aspekten musste sich das Haus an der Dammtorstraßen dem großen Vorbild in Wien leider deutlich geschlagen geben. Adriana González sang zwar eine wunderbar verzaubernde Fiordiligi, ihre Stimme segelte souverän durch die Mozart-Melodien und Jana Kurucovás Dorabella mischte sich in perfekter Harmonie mit der Stimme ihrer Schwester ein. Beide spielten mit Spaß das Spiel ihrer Männer und Don Alfonso mit, nicht mehr und nicht weniger. Für eine gelungen Così ist das mehr denn ausreichend, für eine Rückkehr dieses Hauses in die Opern-Champions-League braucht es mehr.

Così fan tutte Hamburg © Hans Jörg Michel

Stimmlich wie ein Spiegel ihrer Frauen sangen der Bariton Nicholas Mogg und der Tenor Martin Mitterrutzner Guglielmo und Ferrando. Letzterer klang an der einen oder anderen Stelle ein ganz wenig eng und etwas weniger locker als Herr Mogg, sangen aber beide in einem ausgewogenen stimmlichen Tandem. Wie zwei alte Freunde, die eben gemeinsam ihr Spiel treiben. Chao Deng sang ebenfalls einen sehr guten Don Alfonso, mit brillantem Mozart-Bariton erledigte er seine Rolle souverän und spielte einen zwiespältigen Spaßmacher-Chef, über dessen Witze man eigentlich lieber nicht lachen sollte.

Leider fehlte es allen drei Mozart-Sängern ein wenig an charakterlicher Profilierung, die drei Herren klangen alle souverän aber halt wie drei Mozart-Sänger. Das war in Wien – und übrigens auch an der Bayerischen Staatsoper im vergangenen Sommer, wo man in einer ganz normalen Stangen-Repertoire-Così Johannes Martin Kränzle als Don Alfonso besetzt hatte – ganz anders, mit viel individuellerer und tieferer Figurengestaltung. Das ist nochmal eine ganz andere Opern-Liga, wenn man in jedem Ton des zwiespältigen Strippenziehers ein dämonisches „Hehehe“-Lachen hört und spürt.

Così fan tutte Hamburg © Hans Jörg Michel

Zu guter Letzt: Die Inszenierung. Natürlich wird Herbert Fritschs bunte, kinderspielartige Regie fast jedes sich nach einem abendlichen Amüsement sehnenden Publikum in begeistertes Lachen versetzen. Alle spielen ein bisschen mit allen, am Ende eine gute Komödie für einen spaßigen Opernabend. Dabei kommt die Regie allerdings kaum über einen sehr oberflächlichen Umgang mit der Thematik des Stücks hinaus und scheint in einer nicht mehr zeitgemäßen Lesart stecken geblieben.

Così fan tutte © privat

Rein sinngemäß ist der Titel „Così fan tutte“ – Schwerpunkt das e in „tutte“ – ziemlich bedeutungsnah an der Zauberflöten-Zeile „Ein Weib tut wenig, plaudert viel.“ Ich finde, eine Regie sollte damit einen Umgang finden, sonst droht die Oper als Gattung ins Abseits einer antiquierten Unterhaltungskunst zu fallen.

Fazit: Die Hamburgische Staatsoper will zurück in die Spitzenliga. Omer Meir Wellber hat die Bewährungsprobe bestanden, alle anderen nicht.

Johannes Karl Fischer, 23. Juni 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Wolfgang Amadeus Mozart – Così fan tutte Staatsoper Hamburg, 20. Juni 2024

Auf den Punkt 17: Omer Meir Wellber besteht die Mozart-Mutprobe an der Staatsoper Hamburg klassik-begeistert.de, 22. Juni 2024

Wolfgang Amadeus Mozart & Lorenzo Da Ponte, Così fan tutte Wiener Staatsoper, 16. Juni 2024 (Premiere)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert