This resting, patience © Spyros Rennt
Wird meine Aufmerksamkeit die vollen drei Stunden anhalten? Die Antwort lautet: ja, jaaaa, JA! Und darin liegt die künstlerische Kraft der Choreografie Ewa Dziarnowskas und der Performance von ihr und Leah Marojević. Tagelang wirkt die Aufführung in mir nach. Ich will mit der Erinnerung mein Empfinden in mir wieder zu erwecken.
This resting, patience
Choreografie Ewa Dziarnowska
Tänzerinnen Leah Marojević, Ewa Dziarnowska
Sound Krzysztof Bagiński
Licht Jacqueline Sobiszewski
Kostüme / Styling Nico Navarro Rueda, Franziska Acksel
Dramaturgische Unterstützung Jette Büchsenschütz
Künstlerischer Dialog Suvi Kemppainen
Schwere Reiter, München, 25. Mai 2025
von Frank Heublein
Alle zwei Jahre findet in München das Dance Festival statt. An diesem Nachmittag wird in diesem Rahmen im Schweren Reiter This resting, patience, eine Choreografie Ewa Dziarnowskas aufgeführt.
Tagelang wirkt die Aufführung in mir nach. Etwa im Verlangen durch das Hören des Liedes die Erinnerung meiner Empfindung wieder zu erwecken. Zwei Tänzerinnen: Ewa Dziarnowska und Leah Marojević, drei Stunden. Das ist die Ankündigung. Mit dem Anhalten meiner Wahrnehmungsintensität über drei Stunden, da habe ich so meine Bedenken.
Hält meine Aufmerksamkeit über die gesamte Zeit an? Die Antwort lautet: ja, jaaaa, JA! Und darin liegt die künstlerische Kraft der Choreografie Ewa Dziarnowskas und der Performance von ihr und Leah Marojević.

Zehnmal, jedenfalls so ungefähr, ich habe nicht gezählt, hintereinander singt Dionne Warwick „What the world needs now“ zu Beginn. Leah Marojević hat ein blaues Kleid an. Ein halbes Nichts, umschmeichelnd. Sie ist barfüßig. Ewa Dziarnowska dagegen trägt am Anfang Jeans, zerrissenes Shirt und schwarzen Turnschuhe. Leah lasziv, verführerisch. Ewa wild, energiegeladen.
Die beiden Tänzerinnen bei den immer gleichen Bewegungsabläufen zu beobachten. Darin liegt eine Spannung. Warum? Ich glaube, da ist eine Beziehung zwischen den beiden. Die abgeänderte Wiederholung der Bewegung der einen reagiert auf die andere Tänzerin. Nur kleine Nuancen, doch die sehe und wichtiger noch: spüre ich.

Am Ende kommt noch einmal Dionne Warwick „What the world needs now“, wieder unzählige Male. Leah Marojević hat wieder das blaue Kleid an. Ewa Dziarnowska ist anders angezogen als am Anfang, hat ein auf den ersten Blick gleiches Kleid wie Leah an. Die Beziehung der beiden zueinander hat sich erwärmt, verinnigt.
Meine Lust, die kleinen Veränderungen zu erkennen, den Bewegungen in Zeitlupe zu folgen, das Geheimnis des verdeckten Miteianders aufdecken zu wollen, all das hält meine Aufmerksamkeit drei Stunden nicht nur wach, es macht mich lebendig. Die Freiheit, mich im Rund der Stühle, die von den beiden Tänzerinnen von Zeit zu Zeit in Teilen umgruppiert werden, nehme ich seltener in Anspruch. Ich frage mich, was passierte, wenn ich mich einfach in den Raum gesetzt hätte? Wie hätten die beiden darauf reagiert? Hm, das werde ich ausprobieren, beim zweiten Mal. Ewa und Leah, kommt bitte bald wieder.
Frank Heublein, 1. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Nozomi – Masako Ohta, Piano, Matthias Lindermayr, Trompete Schwere Reiter, München, 13. Februar 2025
Dancing Postmodernism | Merce Cunningham Museum Brandhorst, München, 8. Mai 2025