Festspielhaus Baden-Baden: Begeisternde Zugaben für ein bezauberndes Publikum

Weltstar Daniel Hope lässt seine Geige herrlich sehnen und klagen

Daniel Hope Violine
Ivor Bolton Dirigent
Sinfonieorchester Basel
Edward Elgar Violinkonzert h-Moll op. 61
Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 3 Es-Dur „Eroica“ op. 55
Festspielhaus Baden-Baden, 4. November 2017

von Sebastian Koik

Die Highlights des Abends sind die Zugaben. Nach der ersten regulären Hälfte schenkt Daniel Hope dem Publikum auf seiner Guarneri del Gesù “Ex Lipinski” aus dem Jahre 1742 einen wunderbaren, indischen Raga Pilu. Eine Musik, die er häufig gemeinsam mit dem Sitar-Meister Ravi Shankar gespielt hat. Hier brilliert Hope mit vollendeter leichter Virtuosität, Präzision und Tiefe. Diese sehr spezielle und exotische Musik entführt die Zuhörer in eine andere Welt.

Das zweite große Highlight ist die Zugabe der Streicher des Sinfonieorchesters Basel unter seinem höchst sympathischen britischen Dirigenten Ivor Bolton, 59, am Ende des Abends: Die Musiker spielen wunderschön zärtlich und berühren mit unendlich viel Seele. Es ist ein herrliches Stück, und das Orchester interpretiert es vollendet und zum Dahinschmelzen. Man wünschte sich, dass diese Musik nie endete, doch leider endet sie viel zu schnell.

Vom dritten ganz großen Highlight des Abends erzählt dieser Konzertbericht ganz zum Schluss.

Auch der reguläre Programmteil bietet sehr gute musikalische Leistungen: Das erste Stück des Abends ist Edward Elgars Violinkonzert h-Moll op.61, und das Orchester aus Basel präsentiert sich im ersten Satz überaus musikalisch und spritzig. Es gibt nichts zu kritisieren. Das Orchester und Daniel Hope, 44, – gerade hat er einen ECHO Klassik gewonnen – bauen große musikalische Spannung auf. Alle Musiker können zärtliche Stellen zauberhaft gestalten. Der Südafrikaner lässt seine Geige herrlich sehnen und klagen.

 

Echo Klassik 2017, Elbphilharmonie, Hamburg

 

Der dritte Satz verlangt von Beginn an große Virtuosität vom Solisten, und der Stargeiger bewältigt das schwierige Programm. Das Sinfonieorchester Basel wird mit dieser Top-Leistung für viele Zuhörer wahrscheinlich eine große positive Überrraschung sein. Die Gäste aus der Schweiz geben keinerlei Grund für irgendwelche Beanstandungen, und ein Solist kann sich keine bessere Begleitung wünschen.

Aus dem musikverwöhnten Publikum hört man Sätze wie: “Er spielt wie ein Besessener.” Und: “Das Orchester ist echt gut.”

Die Eroica, die dritte Sinfonie von Ludwig van Beethoven, steht in der zweiten Hälfte des Abends auf dem Programm. Das Sinfonieorchester spielt den ersten Satz sehr gut. Die etwas kleine Orchesterbesetzung führt allerdings dazu, dass man sich hin und wieder ein klein wenig mehr Kraft und Lautstärke wünschte.

Im zweiten Satz beweisen die Schweizer dann, dass sie auch ganz gut höhere Pegel erreichen können. In den leiseren und langsameren Passagen glänzen sie mit herrlicher Spannung und Klangschönheit. Das Orchester begeistert mit präziser Schärfe im Spiel und nimmt das Publikum wunderbar mit.

Etwas schwächer gelingt dem Orchester der dritte Satz. Hier fehlt es ein wenig an Leichtigkeit, Spritzigkeit, Frivolität und echter, tiefer Heiterkeit. Es fehlt ein wenig “das Italienische”, das Tänzerische in diesem Scherzo. Es ist vielleicht ein wenig eine Mentalitätsfrage. Der zweite Satz beweist, dass das Sinfonieorchester Basel mit Tiefe verzaubern kann, doch hier im frechen Tanz präsentieren sich die Musiker ein klein wenig zu steif.

Der vierte Satz beginnt mit einem vollendeten Zupfen aller Streicher. Doch dann bleibt der Vortrag wieder für eine Weile ein klein wenig zu blass. Auch hier wünscht man sich eine Spur mehr Frische, Witz, Spritzigkeit und wahre Heiterkeit in der Musik.

Doch sobald weniger italienische Lockerheit gefordert wird, überzeugt das Orchester mit viel Klangschönheit und großer Musikalität. Die Musiker treiben das Geschehen packend nach vorne, begeistern mit Präzision, Spannung, Eleganz und Zartheit in wunderbar schönen leichten Momenten. Im Finale wünschte man sich nochmals ein wenig mehr Fortesse.

Noch ein Highlight gibt es an diesem Abend: das Publikum und die Atmosphäre. Das Festspielhaus Baden-Baden ist ein besonderer Ort. Das Publikum ist vornehm in Kleidung und Verhalten. Es gibt nicht viele Konzert- und Opernhäuser, in denen das Publikum derart leise und konzentriert ist. Kaum ein Husten ist zu hören. „Ihr seid das beste Publikum der Welt“, heißt es in fast jedem Pop- oder Rockkonzert, und jeder weiß, dass es nur eine hohle Phrase ist. Das Festspielhaus in Baden-Baden hat wohl tatsächlich mit das beste Publikum, das man sich vorstellen kann. Vielleicht auch deshalb kommen die besten Orchester und Solisten der Welt so gerne in diesen Saal im kleinsten Stadtkreis Baden-Württembergs.

Bei dem extrem hochkarätig besetzten Spielplan des Festspielhauses an der Oos wird es kaum einmal einen Abend geben, den ein Konzertbesucher nicht glücklich und mit Musik im Herzen verlässt. Und jede Dame aus dem Publikum bekommt zum Abschied eine Rose geschenkt, Abend für Abend. Das ist das Festspielhaus Baden-Baden – mit 2500 Zuschauerplätzen das größte in Deutschland.

Es ist alles andere als ein gewöhnliches Konzerthaus. Wer es noch nicht kennt, sollte es einmal besuchen. Und wer es besucht, wird wiederkommen.

Sebastian Koik, 5. November 2017, für
klassik-begeistert.de

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