Tobias Kratzers Münchner Rheingold-Inszenierung ist großes Kino

Richard Wagner, Das Rheingold  Nationaltheater München, 28. Juli 2025

Ekaterina Gubanova (Fricka), Milan Siljanov (Donner), Nicholas Brownlee (Wotan), Mirjam Mesak (Freia), Ian Koziara (Froh), Martin Winkler (Alberich), Sean Panikkar (Loge) (Foto: RW)

 Tobias Kratzers Münchner Rheingold-Inszenierung ist großes Kino, und zum großen Kino gehört auch der entsprechende Breitwandsound. Und den lieferte das Bayerische Staatsorchester unter der Leitung von Vladimir Jurowski im Übermaß, vom tiefen Es-Dur-Akkord zu Beginn bis zu den genialen Überleitungsmusiken beim Auftauchen der Riesen oder beim Abstieg nach Nibelheim. Vielleicht wäre Richard Wagner heute Filmmusiker geworden.

Münchner Opernfestspiele 2025

Das Rheingold
Vorabend des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Dichtung und Musik von Richard Wagner

Bayerisches Staatsorchester, Leitung Vladimir Jurowski

Inszenierung: Tobias Kratzer

Mitarbeit Regie: Matthias Piro
Bühne und Kostüme: Rainer Sellmaier
Licht: Michael Bauer
Video: Manuel Braun, Jonas Dahl, Janic Bebi

Nationaltheater München, 28. Juli 2025

von Dr. Ralf Wegner

 Bühnenbild und Inszenierung eröffnen neue Sichten auf den Rheingold-Stoff

Tobias Kratzer ließ sich für seine Inszenierung von Rainer Sellmaier eine tiefengestaffelte, mich an das Gotteshaus in Granada erinnernde Kathedralhalle auf die Bühne des Münchner Nationaltheaters stellen. Filmreif und mit einer ausgefeilten und rollendeckenden Personenregie (Mitarbeit Matthias Piro) lief dann das Weltendrama ab.

Die Handlung spielt in der Jetztzeit. Der Atheismus hat gesiegt. Gott ist tot und die Kirchen verfallen. Die alten Götter um Wotan haben aber überlebt. Sie erwarben eine Kathedrale und beauftragten zwei pastoral anmutende, kenntnisreiche Baumeister (Fasolt und Fafner) mit der Rekonstruktion des Gebäude. Bis zur Fertigstellung richteten sich Wotan, Fricka, Donner, Froh sowie Freia auf der Baustelle ein.

Anfangs jagt in der Vorhalle ein nicht mehr ganz junger, kurzbehoster Mann (Alberich) drei hübschen jungen Mädchen nach (Woglinde, Wellgunde und Floßhilde). Sie weisen ihn erst kokett lockend, dann brutal zurück; zeigen ihm aber auch einen unter einer Bodenplatte verborgenen magischen Goldschatz. Nach einem kurzen Gespräch mit einem die Szene aus dem Hintergrund beobachtenden jungen Geschäftsmann (Loge) bemächtigt sich Alberich, die Liebe verfluchend, des Goldschatzes.

Die Rheintöchter (Foto: RW)

Die Drehbühne gibt mittlerweile die Baustelle frei. Fricka weckt Wotan. Die Baumeister erscheinen und fordern Freia als ausbedungenen Lohn. Wotan erfährt von dem geraubten Goldschatz, Fasolt und Fafner sind bereit, Freia dafür einzutauschen.

Während des Nibelheim-Zwischenspiels fährt im Proszenium eine Leinwand herunter. Wotan und Loge, der eine anfangs noch im königlichen Ornat mit geflügeltem Helm, der andere in schwarz gekleidet, durchwandern die Welt, neugierig beäugt von den Passanten. Per Flugzeug geht es in die Ferne in eine große Stadt wie New York, von dort wieder aufs Land zu einem Landhaus.

Die Leinwand hebt sich und gibt den Blick auf Alberichs Anwesen frei. Dort hantiert Mime in einer mit Monitoren und modernen Waffen ausgestatteten großen Werkstatt an einem (Fahrrad-)Helm. Wotan und Loge erscheinen. Vor ihnen verwandelt sich Alberich spektakulär erst in einen großen, einen Hund tötenden Wurm, dann in eine Kröte, die eingefangen und in eine Tupperdose gesperrt wird.

Zurück in der Kathedrale bringt Wotan Alberich, wieder in Menschengestalt, nach der Verwandlung aber völlig nackt, um Finger und Ring. Mit dem erworbenen Schatz wird Freia gelöst, nachdem die aus der Tiefe der Kathedrale auftauchende Erda Wotan vor dem Ring gewarnt hat. Fafner erschießt Fasolt mit einer der zum Schatz gehörenden Waffen. Donner enthüllt das mächtige Altarretabel. Froh bringt ein großes Buntglasfenster zum Leuchten. Der Altar schiebt sich schließlich nach vorn und die Götter betreten von hinten die eigentlich für Heiligenfiguren vorgesehenen Retabelnischen. Einströmendes Volk bewundert den Altar mit den neuen Gottheiten.

Ein großartiger Inszenierungseinfall: Die neuen Götter Donner, Froh, Fricka, Wotan und Freia in den Retabelnischen; davor Fasolt, Alberich, Loge, Fafner und Mime (Foto: RW)

Das alles ist in sich schlüssig, mit vielen Einzelszenen spannend angereichert und in der Personenregie hervorragend austariert. Der bühnentechnische Aufwand ist beträchtlich. Spektakulär ist Alberichs Verwandlung zum Wurm, die hinter dem herabgelassenen, teils noch durchschaubaren Tor sichtbar wird.

Musik und Gesang verflechten sich mit dem Bühnengeschehen zu einer unverwechselbaren Einheit

Das Orchester spielte, besser untermalte, diese kinohafte Szenerie grandios und auch die Sängerinnen und Sänger gaben ihr Bestes. Vor allem Nicholas Brownlee beeindruckte als Wotan mit einem schallstarken, farbreichen Bariton, den er wunderbar die Töne bindend einsetzte. Zudem spielte er die Rolle des gutmütigen, aber auch machtbesessenen und zur Grausamkeit fähigen Göttervaters mit großer Begeisterung. Ihm ebenbürtig ausdruckstark sang Wiebke Lehmkuhl die kurze, für die Handlung aber wichtige Partie der Erda.

Hervorragend klangen die Rheintöchter (Sarah Brady, Verity Wingate, Yajie Zhang). Martin Winkler, dem darstellerisch mit seiner Nacktheit nach der Erlösung von der Froschgestalt besonders viel abgefordert wurde, sang bravourös und auch der aus Sri Lanka stammende US-amerikanische Tenor Sean Pannikarwurde für seine Leistung als Loge viel bejubelt.

Der in Zürich geborene Bassbariton Milan Siljavov und der aus Chicago stammende Tenor Ian Koziarafüllten als Donner und Froh stimmstark und wohlklingend den Raum, Matthew Rose und Timo Riihonengaben Fasolt und Fafner Profil. Matthias Klink sang eindrucksvoll den vom Bruder gequälten Mime. Mirjam Mesaks Sopran klang mir als Freia gelegentlich etwas scharf. Ekatarina Gubanova füllte die Rolle Frickas gesanglich und darstellerisch voll aus.

Das Rheingoldensemble vor dem Vorhang, in der Mitte der Dirigent Vladimir Jurowski, vierte von rechts Wiebke Lehmkuhl (Erda)

Insgesamt war es eine herausragende Aufführung, bei der vom Bühnenbild, den Kostümen, der Personenregie, der Orchesterleistung und den Stimmen der Sängerinnen und Sänger alles passte.

Über allem stand allerdings die wunderbare Leistung des Baritons Nicholas Brownlee als Wotan.

Man darf gespannt sein auf die Fortsetzung der Trilogie. Brownlee wird in der am 25. Juni 2026 zur Premiere gelangenden Walküre, ebenfalls in der Regie von Tobias Kratzer, den Wotan singen.

Hoffentlich bleibt Kratzer für sein Hamburger Engagement als Opernintendant noch genügend Zeit und Kraft für die hiesigen Projekte.

Dr. Ralf Wegner, 30. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Wagner, Lohengrin Nationaltheater München, 27. Juli 2025

Festspiel-Liederabend Jonas Kaufmann Nationaltheater München, 24. Juli 2025

Giuseppe Verdi, I masnadieri (Die Räuber) Nationaltheater, München, 20 .Juli 2025 

Gabriel Fauré, Pénélope (1913)  Prinzregententheater, München, 21. Juli 2025

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