Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.
Ich sagte ja: Weihnachten ist vorbei. Aber die Erinnerung nicht.
von Reinhard Berger
So. Schluss mit dem ganzen Gedöns, mit den Weihnachtsbäumen, Sektgläsern, Feuerwerksbildern und Glücksschweinen. Und auch das visuelle Gericht „Fröhlicher Schornsteinfeger an vierblättrigem Kleeblatt“ ist erst mal Geschichte.
Zeit für Neues, um die gedönslose Zeit zu überbrücken. Kultur, zum Beispiel. Obwohl das ja nicht neu ist. Aber unterhaltsam. Je höher auf der nach oben offenen Niveau-Skala das Feuilleton einer Zeitung steht, umso großvolumiger sind die verbalen Blähungen. Die Brutalität in Konzertrezensionen lässt mein Herz hüpfen: „Das Orchester stürmte entfesselt durch diese heilsame Katastrophe, die plötzlich der anderen ganz nahe kam.“
Welcher anderen denn?
„… dem katastrophisch einbrechenden, zwölftönig gespreizten ‚Todesakkord’ im ‚Lulu’-Adagio.“
Und? War das Publikum begeistert?
Klar doch: „Der Beifall, immer auch Signal innerer Befreiung, musste da ins Stürmische wachsen.“
Verstehe. Mir war es auch eine innere Befreiung, solche Ausdünstungen aus Kulturteilen von Zeitungen zu sammeln. Mein Archiv mit Konzertbesprechungen des Feuilletons ist ein verbales Tollhaus: „Durch die wahnsinnige Dichte und Intensität, in der man jedem Akkord sehnsüchtig nachzuhängen vermag und seine eigene Schaluppe auf dem endlosen Tränenmeer zu Wasser lässt …“
Jetzt muss ich aber mal dazwischengrätschen. Was heißt hier „zu Wasser“? Tränen sind doch auch Wasser, oder?
Ja klar. Aber es kommt ja noch was:
„… sind die Songs der Briten die perfekten Fuhrmänner durch rabenschwarze durchweinte Nächte.“
Die Fuhrmänner also. Aha. Und wo bleibt das Sahnehäubchen? Das ist doch sonst auch immer dabei?
Nichts da. Sahnehäubchen wäre es, wenn ich Ihnen sagen würde, in welchen Zeitungen ich das gelesen habe. Sage ich aber nicht.
Kleines Trostpflaster ist ein Zitat von einer Motorsportseite, auf der ein neues Auto vorgestellt wurde. Das lassen Sie sich mal auf der Zunge oder sonstwo zergehen:
„Er entwarf einen Frontantrieb, drehte den Motor um 180 Grad, um die Kühlerhaube kürzer zu machen, quetschte das Getriebe unter den Motor und verpasste den Rädern eine Schrumpfkur.“
Ich finde die Schrumpfkur am schönstens.
Gutes neues Jahr.
Nun ja, man zittert sich so durchs Leben. Manchmal auch musikalisch mit der Zither.
Reinhard Berger, 2. Jänner 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Zuerst erschienen in: HNA
Ladas Klassikwelt (c) erscheint jeden Montag.
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Ritterbands Klassikwelt (c) erscheint unregelmäßig.
Der Schlauberger (c) erscheint jeden Sonntag.
Reinhard Berger
Allerleikeiten: Reinhard Berger, geboren 1951 in Kassel, Journalist, Buchautor, Hunde- und Hirnbesitzer.
Vergänglichkeiten: Vor dem Ruhestand leitender Redakteur der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA).
Herzlichkeiten: verheiratet, zwei Söhne, zwei Schwiegertöchter, drei Enkel, ein Rottweiler.
Anhänglichkeiten: Bach, Beethoven, Bergers Nanne (Ehefrau).
Auffälligkeiten: Vorliebe für Loriot, Nietzsche, Fußball, Steinwayflügel, Harley-Davidson.
Öffentlichkeiten: Schlauberger-Satireshow, Kleinkunstbühne.
Alltäglichkeiten: Lebt auf einem ehemaligen Bauernhof.
www.facebook.com/derschlauberger