Daniel Gutmann (Figaro), Anna-Katharina Tonauer (Susanne) © Markus Tordik
Magische derb ehrliche Worte in drängende Musik gesetzt. Eine kollektive kraftvolle Ensembleleistung. Johanna Doderers neueste Oper „Der tollste Tag“ wird im Gärtnerplatztheater München uraufgeführt. Peter Turrinis Libretto glänzt durch eindrückliche klare prägnante Sprache.
Der tollste Tag
Musik von Johanna Doderer
Libretto von Peter Turrini
nach seinem gleichnamigen Theaterstück
Auftragswerk des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Dirigat Eduardo Browne
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Regie Josef E. Köpplinger
Staging und Co-Regie Ricarda Regina Ludigkeit
Bühne Heiko Pfützner
Kostüme Birte Wallbaum
Licht Josef E. Köpplinger, Ralf Reitmaier
Dramaturgie Karin Bohnert
Figaro Daniel Gutmann
Susanne Anna-Katharina Tonauer
Graf Almaviva Daniel Schliewa
Gräfin Almaviva Réka Kristóf
Gärtnerplatztheater, München, 10. Oktober 2025, Uraufführung
von Frank Heublein
An diesem Abend wird im Münchner Gärtnerplatztheater das Auftragswerk „Der tollste Tag“ uraufgeführt, Komponistin Johanna Doderers dritte Oper für das Haus. Peter Turrini selbst hat sein Theaterstück dafür in ein Libretto verwandelt.
Johanna Doderers Komposition beginnt in der Ouvertüre treibend, dieses Kriminalstück ankündigend. Krimifilmmusik, zuweilen untermalend, zuweilen drohend ankündigend. Die kurzen ruhigen innehaltenden Momente verspüre ich als kleine Verschnaufpausen in der etwa hundert Minuten ohne Pause andauernden Vorstellung. Das gelegentlich Atonale wirkt in mir als Hinweis, dass die Handelnden gerade nicht auf voller Kenntnishöhe sind. Dirigent Eduardo Browne lenkt das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz ohne Hektik, der Klang vermittelt mir pointierte Dringlichkeit in jedem Moment der Oper.
Figaro will Susanne heiraten. Graf Almaviva ist scharf auf Susanne. In Turrinis Stück allerdings wird der Graf am Ende von Figaro umgebracht, als er sich an Susanne vergehen will. Dieser tollste Tag ist ein Ensemblestück, keine der handelnden Figuren hat einen dominanten Sangespart. Außergewöhnlich eindrücklich empfinde ich die Ensembleszenen. Die Gerichtsszene etwa ist voll vibrierender Stärke. Die stärkste Szene des Abends, in der die Musik die Stimmen nicht untermalt, sondern mir eine weitere Ebene, die der niederträchtigen Bestechlichkeit des Don Guzman di Stibizia eröffnet. Dieser Richter wird schmierig gut gesungen vom tief guttural wohlklingenden Bassbariton Timos Sirlantzis.

Bariton Daniel Gutmann singt seinen Figaro sehr präsent und voller Energie. Mezzo Anna-Katharina Tonauer gibt der Susanne Wärme und Eleganz. Der Graf Almaviva singt Tenor Daniel Schliewa wuchtig, voller Cholerik, Wut und sadistischer Gier. Sopran Réka Kristóf hat als Gräfin Almaviva die letzte Arie, die nachdenklich und einfühlsam ist. Sie singt ihrem jetzt toten Gatten ehrliche Worte, die sie ihm lebendig nie hatte sagen können. Die Freude auf Cherubin ist kurz, mit flegelhaften Worten vergrault er die Gräfin, die er als Susanne verkennt. Dieser hat eine Sprechrolle und – oho! – eine Sprecharie. Bazillus als der Intrigenmanager des Grafen singt Tenor Juan Carlos Falcón fies und abgebrüht, so kalt lässt ihn des Grafen Tod. Gruselig schön. Mezzo Anna Agathonos als Marcelline ist die abgelegte Geliebte, die verzweifelt jeden Winkelzug probiert, einen Mann zu ergattern. Was des Schicksals Lauf mindestens um eine Höllenstufe nach unten dreht.
Peter Turrini ist ein Wortmagier – „ich seh rosa für die Zukunft“ werde ich in mein Sprechrepertoir übernehmen, das fühle ich dringendst geboten in der heutigen Zeit. Ich beantrage Einblick ins Libretto. Zu schnell ziehen die Wortzaubereien an mir vorüber, das Stück eilt voran. Deutlich in der Sprache, ausfallend und derb, wo die Menschen genau so sind. Und ja, viele der Beteiligten sind lüstern, gierig, derb, gemein, berechend. Direkt und treffend.
Gärtnerplatzintendant und Regisseur Josef E. Köpplinger lässt ein Zimmer als alle Zimmer mittels Drehbühne funktionieren, das sich rauchend düster mit der Ouvertüre auf Bühnenhöhe hochdreht. Heiko Pfützners Bühne fokussiert die Handelnden. Birte Wallbaums Kostüme sind bunt auffällig unauffällig zeitgenössisch siebzehntes Jahrhundert. Das alles unterstützt die Handelnden und schafft opern-opulente Atmosphäre. Dazu wirkt es direkt und derb: Vergewaltigung und Sadismus werden offensichtlich dargestellt.

In eilender Energie, flirrend geht die Oper vorüber. Kaum bekomme ich Zeit, meine Gefühle für die starken Momente in dieser Eiligkeit zu sortieren. Das finde ich schade. Réka Kristóf bleibt mir in der letzten Szene in meiner empfindenden Wahrnehmung haften: nachdenklich, die aufkeimende Hoffnung wird augenblicklich zerstört. Die Oper verlasse ich entsprechend niedergeschlagen. Ein Spiel, in dem jeder verliert. So ähnlich fühlt sich für mich meine wirkliche Welt und die auf der Bühne an diesem Abend an.
Frank Heublein, 11. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Uraufführung Ballettoper „Amors Fest“, Gärtnerplatztheater, München, 14. Oktober 2021