Cornelius Meister 2018, Foto: Marco Borggreve
Wiener Staatsoper, 31. Dezember 2020, 17 Uhr
Live-Übertragung über play.wiener-staatsoper.at
Die Fledermaus (Musik von Johann Strauß)
Die staatliche Fensterscheibe, die Polka „Unter Donner und Blitz“, dazu Orchester und Gesang auf Weltklasse-Niveau: Eigentlich alles wie immer bei der Silvester-Fledermaus. Einige Gesangsrollen waren sogar besonders stark besetzt, selbst für Wiener Verhältnisse. Eine Pandemie kann vieles verändern, aber nicht die Silvester-Fledermaus. Nur die Silvestereinlage bei Orlofsky hat gefehlt.
von Johannes Fischer
Die große Herausforderung dieser Oper ist, neben dem Sängerischen, auch das Schauspielerische. Dann sollten alle auch noch Walzer tanzen können. In Wien waren, wie gewohnt, ausschließlich Sängerinnen und Sänger tätig, die diesen Spagat zu meistern wussten.
Ganz großes Lob geht vor allem an Regula Mühlemann (Adele). Die beste Adele seit Edita Gruberová! Besonders ihre Arie „Mein Herr Marquis“ war eine absolute Meisterleistung. Die Adele, die sie da gespielt hat, das war keine wichtige Nebenrolle, wie sonst so oft, sondern eine richtige Hauptrolle. So wie bei Edita Gruberová. Mit Ileana Tonca (Ida) war auch Adeles Schwester sehr stark besetzt.
Dass Camilla Nylund (Rosalinde) eine der besten Sängerinnen der heutigen Zeit ist, ist nichts Neues. Etwas überrascht war ich, dass sie sich in der Rolle der Rosalinde so gut zurechtgefunden hat. Das war eine Weltklasse-Rosalinde, die sie da gespielt hat! Wenn man in die Archiv-Datenbank der Wiener Staatsoper reinschaut, findet man bei Camilla Nylund hauptsächlich Wagner und Richard Strauss. Aber vielleicht haben Richard Strauss und Johann Strauß musikalisch doch mehr gemeinsam, als man denkt.
Jochen Schmeckenbecher (Frank) singt seit einigen Jahren den Gefängnisdirektor. Zu Recht, wie man heute wieder einmal gesehen hat. Peter Simonischek (Frosch) ist schon länger dabei, ebenfalls absolut zu Recht. Die obligatorischen tagespolitischen Witze waren 2020 nicht ganz so lustig wie sonst. Und im Großen und Ganzen war die Stimmung auch etwas stressiger als in den letzten Jahren. Aber Hauptsache, die staatliche Fensterscheibe wird immer noch dienstlich verbogen.
Georg Nigl (Gabriel von Eisenstein) war ein sehr guter Eisenstein, allerdings fehlte ihm etwas die Lockerheit beim Schauspielern. Sein Eisenstein wirkte sehr ernst. Zudem musste er einige höhere Noten nach unten oktavieren. Diese als Tenor geschriebene Rolle wurde zwar schon öfter mit einem Bariton besetzt, aber Bernd Weikl und Adrian Eröd konnten das auch ohne Oktavierung. Vielleicht wäre das mal was für Jonas Kaufmann? Auch und gerade an Silvester in Wien?
Ebenfalls sehr gut waren Martin Häßler (Dr. Falke) und Michael Laurenz (Alfred). Beim Gesang von Michael Laurenz hätte man nicht gedacht, dass diese Rolle meist von einem lyrischen Tenor gesungen wird. Und Martin Häßlers Dr. Falke war auch nicht so humorvoll wie jener von Clemens Unterreiner oder gar Walter Berry.
Auch Okka von der Damerau (Prinz Orlofsky), Robert Bartneck (Dr. Blind) und Jaroslav Pehal (Iwan) konnten sehr überzeugen. Diese Rollen waren in den letzten Jahren aber auch sehr stark besetzt.
Cornelius Meister und das Orchester der Wiener Staatsoper lieferten den gewohnten schwungvollen Wiener-Walzer-Klang auf höchstem Niveau. Einziger Einwand: An zwei, drei Stellen war das Orchester nicht ganz zusammen mit dem Gesang. Besonders auffällig: In der bereits erwähnten Arie „Mein Herr Marquis“ war eine Holzbläserverdopplung der Gesangsstimme nicht synchron. Allerdings nur in der ersten Strophe; in der zweiten Strophe lief die Stelle reibungslos. Vielleicht hätte man das einmal öfter proben sollen.
Neben dem Publikumsgelächter im dritten Akt fehlte auch die eigentlich obligatorische Silvestereinlage bei Orlofsky. Bei ersterem ist es natürlich vollkommen verständlich, dass das diesmal fehlen musste. Im Gegensatz dazu war es bereits angekündigt, dass Asmik Grigorian als „Überraschungsgast“ auftreten sollte. Würde mich interessieren, warum diese Tradition entfallen musste.
Im Großen und Ganzen: Bis auf das fehlende Publikum eigentlich alles wie immer. Einige Rollen, allen voran die Adele und die Rosalinde, waren sogar besonders stark besetzt. Der erste Akt gehörte Camilla Nylund, der zweite Regula Mühlemann, der dritte Peter Simonischek und Jochen Schmeckenbecher. Dem dritten Akt fehlte leider etwas der Humor. Vielleicht ist aber Silvester 2020 einfach nicht die Zeit zum Lachen.
Noch eine Sache: Diese Inszenierung von Otto Schenk ist auch mehr als 40 Jahre nach ihrer Premiere ein integraler Bestandteil des Wiener Musiklebens. Zwei weitere traditionsreiche Inszenierungen, die Josef-Gielen-Butterfly und die Franco-Zeffirelli-Carmen, sind seit dieser Spielzeit leider nicht mehr im Haus am Ring zu sehen. Die Otto-Schenk-Fledermaus soll bitte noch ein Weilchen bleiben!
Johannes Fischer, 1. Jänner 2021, für
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