DIE MONTAG-PRESSE – 22. JULI 2024

DIE MONTAG-PRESSE – 22. JULI 2024

Bayreuther Festspielhaus, Foto © Andreas Schmidt

Für Sie und Euch in den Zeitungen gefunden
DIE MONTAG-PRESSE – 22. JULI 2024

Bayreuth
Richard Wagners „Tristan und Isolde“ – Video-Livestream (nur für Deutschland)

Mit der Premiere von Wagners „Tristan und Isolde“ werden die Bayreuther Festspiele 2024 eröffnet. Thorleifur Örn Arnarsson führt Regie, und Semyon Bychkov hat die musikalische Leitung. Der Video-Livestream der Premieren-Aufführung von „Tristan und Isolde“ ist aus rechtlichen Gründen nur in Deutschland zu sehen. –
https://www.br-klassik.de/concert/ausstrahlung-3553700.html

Soll Wagner in Bayreuth Platz für andere Komponisten machen?
Deutsche Kulturstaatsministerin Roth plädierte für Öffnung der Bayreuther Festspiele für andere Komponisten. Wagnerianer sind entsetzt, aus Bayern kam scharfer Gegenwind. Selbst für die altehrwürdige „Times“ in London ist das Entsetzen der Wagnerianer eine Schlagzeile wert: „Moronic“ sei das aus deren Sicht, was die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) da gefordert habe. Andere Musik als die von Richard Wagner bei den Bayreuther Festspielen? „Schwachsinnig“ – so zitiert die „Times“ „Opernfans“. Roth sei eines Sakrilegs beschuldigt worden.
Kurier.at

Wie Festivals als Impulsgeber wirken können (Bezahlartikel)
Wenn bei Festivals innovative Ansätze ausprobiert werden, ist das zu begrüßen. Denn durch die Aufmerksamkeit, die sie auf sich ziehen, können sie auch für die Theater wichtig sein, meint Iris Hetscher.
Weser-Kurier.de

Neumünster
Karneval im Hochsommer – das gibt’s nur beim SHMF: Lang Lang gastiert in Neumünster
„Die Royal Albert Hall des Nordens“ nannte Christian Kuhnt, Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals, die Holstenhallen Neumünster bei seiner Begrüßung zum Konzert mit Lang Lang am 19. Juli 2024. Kuhnt ist ja für seine witzigen Ansprachen bekannt und man mag sich kaum vorstellen, dass da nicht ein Funken Ironie beteiligt war, denn die große Halle mit dem funktionalen Charme eines Flugzeughangars hat ja so gar nichts Festliches. Sei’s drum – das Konzert war ausverkauft und so strömte ein rund 5000-köpfiges Publikum aus einer bunten Mischung von Campingplatz bis Abendkleid nach Neumünster, sicher vor allem, um Lang Lang zu erleben.
Von Dr. Andreas Ströbl
Klassik-begeistert.de

Eutin
Eutiner Festspiele: Carl Maria von Webers Freischütz – ein zwiespältiges Erlebnis
Erst bei der Szene in der Wolfsschlucht passte dann alles zusammen. Kamen zu Beginn drei gesichtslose Nornen, ein Seil tragend, auf die Bühne, hier wohl als Reminiszenz an Richard Wagner gedacht, den großen Bewunderer Webers, so überzeugte der Rest der Szene durch eine einfallsreiche Personenführung und ausgefeilte Lichtregie, ein großes Lob geht an das Beleuchtungs-Team.
Von Axel Wuttke
Klassik-begeistert.de

Baden-Baden/Sommerfestspiele
Nézet-Séguin zaubert einen Klang wie aus einem zarten Traum
Yannick Nézet-Séguin und Joyce DiDonato harmonieren perfekt am Mahler-Abend in Baden-Baden. Ein wunderbarer Zartklang verströmt sich im Festspielhaus und begeistert das Publikum. Das Chamber Orchestra of Europe überzeugt zum einen als rücksichtsvoller Begleiter und brilliert zum anderen als meisterhafter Gestalter von Mahlers Dynamik.
Von Dr. Bianca M. Gerlich
Klassik.begeistert.de

Salzburg
Kindermusiktheater – Bach und Schubert statt Tiktok:
Jugendstück „Zeitzone jetzt“ schießt am Ziel vorbei (Bezahlartikel)
DiePresse.com

Bregenz
In Bregenz regiert der Teufel – von A bis Z
journal21.ch

Pakt mit dem Teufel – Oper „Der Freischütz“ auf der Bregenzer Seebühne (Podcast)
swr.de

Breughel-Fantasy-Show auf der Seebühne
DrehpunktKultur.at

Die Gewalt der Machos
Modernisierung mit Sinn und Effekt: Jan Philipp Gloger inszeniert Rossinis Tancredi in Bregenz.
backstageclassical.com

Bayreuth
Neu auf dem Grünen Hügel? Tipps für Festspiel-Einsteiger
MuenchnerMerkur.de

München
Bravissimo, Torero! – Zum Festspiel-Konzert des Münchner Opernstudios
tabularasamagazin.de

Berlin
Komische Oper Berlin bedroht: Nicht mehr komisch
Dem Musiktheater droht das Aus der Sanierung seines Stammsitzes. Der ehemalige Intendant Barrie Kosky schlägt in einem offenen Brief Alarm.
taz.de

Intendant Matthias Schulz: Oper ist die beste Demokratieübung
deutschlandfunkkultur.de

Eutin
Eutiner Festspiele 2024: „Der Freischütz“ – so düster und bildgewaltig
shz.de

Tonträger
Mahlers Sinfonie Nr. 9 auf historischen Instrumenten
BR-Klassik.de

Links zu englischsprachigen Artikeln

London
Review: ACIS AND GALATEA, Opera Holland Park Just the right balance between musical finesse and tongue-in-cheek comedy
broadwayworld.com

Acis and Galatea review – a hectic take on Handel’s perfectly formed confection
TheGuardian.com

Acis and Galatea, Opera Holland Park review
A stylish new production of Handel’s pastoral opera is enhanced by spirited choreography and singing
culturewhisper.com

Interview
Is this 20-year-old the greatest pianist of our times?
Yunchan Lim, the Korean about to electrify the Proms
TheGuardian.com

Wormsley
Garsington Opera: A full Platée
thecritic.co.uk

Washington
Review: LA BOHÈME at Wolf Trap
A perfect night for tragedy.
washingtonclassicalreview.com

Wolf Trap offers wintry charms on ideal summer night with a painterly “Bohème”
washingtonclassicalreview.com

Des Moines
DMMO: Best. Barber. Ever.
operatoday.com

Sydney
Hamlet (Opera Australia)
Six years after its first Australian outing, Brett Dean’s must-see opera is back with Allan Clayton recreating his bravura portrayal of the titular Dane.
limelight-arts.com.au

Recordings
Classical Album Reviews: Elder conducts Elgar and Pappano conducts Rimsky-Korsakov and Mussorgsky
artsfuse.org

Sprechtheater

Salzburger Festspiele/Jedermann
Der Hergang ist recht schön und klar
drehpunktkultur.at

Premiere bei den Salzburger Festspielen: „Jedermann“, das Musical (Bezahlartikel)
DiePresse.com

Komm, süßer Tod! Neuer Salzburger „Jedermann“ mit Broadway-Anklängen
DerStandard.at/story

Politik

Ukraine: Politikerin mit Kopfschuss ermordet
Iryna Farion hatte die russische Sprache in der Ukraine mit radikalen Aussagen bekämpft. War es ein Auftragsmord?
Kurier.at

Klitschko: Referendum als Ausweg aus dem Krieg?
Kiews Bürgermeister Klitschko hat einen „guten Tipp“ für seinen innenpolitischen Rivalen Selenskyj. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj könnte laut Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko ein Referendum nutzen müssen, um den Ukraine-Krieg zu lösen. „Ich glaube nicht, dass er ohne die Zustimmung des Volkes solch wichtige und schwierige Entscheidungen allein treffen kann“, sagte Klitschko in einem Interview mit der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ am Sonntag.               https://www.krone.at/3466278

Society

Christina Lugner lächelt Trennungsgerüchte einfach weg
Mit ausgewählten Freunden macht Richard Lugners Ex-Frau „Mausi“ gerade Urlaub und genießt das Leben in vollen Zügen.
Heute.at

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Unter’m Strich

Red-Bull-Star tobt
Verstappen stinksauer: „Das ist jetzt schei*egal“
Chancenlos gegen das McLaren-Duo, von der Box mit einer verkorksten Boxen-Strategie gepeinigt und am Ende durch eine Kollision mit Lewis Hamilton auch noch um Platz 3 gebracht – der Grand Prix von Ungarn ist für Weltmeister Max Verstappen alles andere als optimal verlaufen! Kein Wunder, dass der Red-Bull-Star bereits während des Rennens immer wieder seinem Ärger Luft verschaffte – und auch nach dem Rennen „geladen“ blieb
krone.at

INFOS DES TAGES (MONTAG, 21. JULI 2024)

INFOS DES TAGES (MONTAG, 21. JULI 2024)

Quelle: onlinemerker.com

Kurzberichte MARRAKESCH/André Heller: JARDIN ANIMA; MÜNCHEN: DIE PASSAGIERIN, PELLÉAS UND MÉLISANDE; AUGSBURG: TURANDOT; HEIDENHEIM: MADAMA BUTTERFLY 15. bis 19. Juli 2024

 Beeindruckende Bilder und Inszenierungen…

 Aufgrund Zeitmangels durch ein auch recht reiseintensives Programm mit weiteren „Ablenkungen“, sei hier wenigstens kurz über einige interessante Opernabende sowie über eine eindrucksvolle marokkanische Natur-Kunst-Kreation von André Heller berichtet.

Marrakesch, 15. Juli 2024: JARDIN ANIMA

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Foto: Dr. Klaus Billand

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Foto: Dr. Klaus Billand

Etwa 25 Kilometer südlich des derzeit mittags unter 45 Grad Celsius glühenden Marrakesch begann André Heller, österreichischer Autor, Lyriker, Sänger und Multimediakünstler im Jahre 2008 auf zwei Hektar fruchtbaren Bodens mit dem Aufbau eines lebendigen Kunstwerks, seines Jardin Anima. Es bettet Arbeiten von Künstlern wie Pablo Picasso, Keith Haring, Igor Mitoraj, Monika Gilsing, Abderrahim Hamza und vielen weiteren in eine unglaublich vielfältige subtropische und tropische Natur ein. Von der Fachpresse wird der Jardin Anima heute als einer der schönsten Gärten der Welt beschrieben, die New York Times verlieh ihm den Titel „Wunderland“, und der Standard sprach von „André Hellers Garten Eden“.

Und das ist er in der Tat. Man wandelt zwischen riesigen Kakteen und Bambushainen, Agaven, Blumengärten und weit verzweigten Bäumen einher. Immer wieder wird ein Kunstwerk darin sichtbar, mal ganz versteckt, ein anderes Mal spektakulär im Mittelpunkt. Dann sieht man vieldeutige Malereien auf Palmenstämmen. Auch eine eiserne Arche Noah ist im Garten. Viele schattige Bänke laden zum Verweilen ein. Vögel tränken sich an kleinen Brunnen davor. Und es gibt auch ein kleines Museum mit Malereien von Hans Werner Geerdts, einem langjährigen Freund Hellers, sowie ein Restaurant sowie ein Beduinen-Zelt zum Ausruhen. Wunderbar!

Das alles ist für mich auch ein Hinweis auf das, was im trockenen Afrika möglich ist, wenn sich Phantasie und Tatendrang mit einem relativ moderaten finanziellen Aufwand produktiv paaren…

Münchner Opernfestspiele/Nationaltheater, 16. Juli 2024: DIE PASSAGIERIN

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Foto: Wilfried Hösl

Nach der österreichischen Erstaufführung des Auschwitz-Musikdramas „Die Passagierin“ von Mieczysław Weinberg durch David Pountney 2010 in Bregenz mit einem Gastspiel in Tel-Aviv 2019 und weiteren Inszenierungen u.a. in Ekaterinburg 2018 und Innsbruck 2022 (siehe im Archiv) kam nun auch die Bayerische Staatsoper im März dieses Jahres mit einer Neuinszenierung von Tobias Kratzer heraus, die sie nun bei den Opernfestspielen wieder zeigte. Man kann somit durchaus von einer Renaissance dieser interessanten und immer unter die Haut gehenden Oper sprechen. Während man in den bisherigen Inszenierungen stets die tragische Realität der Zustände im KZ Auschwitz zu sehen bekam, lässt Kratzer die Ebene der Realität von Lisa mit ihrem Mann Walter auf der Schifffahrt nach Brasilien einerseits mit der Erinnerung an ihre Taten in Auschwitz andererseits ineinander fließen. Hinzu tritt eine Alte Lisa, die mit einer Urne (wohl von Tadeusz) eine zusätzliche Komponente ins Spiel bringt.

Das alles führt zu äußerst spannenden und enthüllenden Situationen in der Darstellung der Protagonisten Lisa, Marta und Tadeusz sowie der mit Marta befreundeten Insassinnen des KZs.

Was auf diese Weise an zwischenmenschlicher Dramatik gewonnen wird, geht zu einem gewissen Grad durch die so nicht mehr sichtbare grausame Realität des KZ-Alltags verloren. Aber es gelang eine emotional starke Aufführung, in der Sophie Koch eine intensive und facettenreiche Lisa mit ihrem kraftvollen Mezzo gab, Charles Workman einen trotz weitgehender Abwesenheit für sie immer präsenten Walter, Elena Tsallagova eine berührende und klangschöne Marta sowie Jacques Imbrailo einen erschütternden Tadeusz. Vladimir Jurowski dirigierte das Bayerische Staatsorchester mit großer Liebe zum Detail sowie viel Gefühl für die Emotionalität und zeitweise Expressivität der Musik.

Münchner Opernfestspiele/Prinzregententheater, 17. Juli 2024: PELLÉAS ET MÉLISANDE

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Foto: Wilfried Hösl

Die Opernfestspiele 2024 warteten mit einer beachtlichen Neuinszenierung des Drame lyrique in fünf Akten von Claude Debussy auf in einer Inszenierung von Jetske Mijnssen, die vor kurzem noch einen interessanten „Roberto Devereux“ in Amsterdam in Szene gesetzt hatte. In einer schlichten Inszenierung wendet sie ihre ganze Aufmerksamkeit den Menschen und ihren Beziehungen in einer Art Familienaufstellung zu. Das geschieht auf einem hellen Parkettboden, der auf einer Wasserfläche schwebt und mit sorgfältig platziertem Mobiliar bestückt ist, was etwas an die Ästhetik eines Lars von Trier erinnert. Darin finden in den einzelnen Szenen zum Teil drastische familiäre Auseinandersetzungen und intensive Liebesbekundungen statt, im Kontext einer entsprechend fein ausgefeilten Personenregie.

Christian Gerhaher gibt eine stimmlich wie darstellerisch äußerst intensive Rollenstudie des Golaud. Ben Bliss ist ein vokal etwas eintöniger aber intensiv spielender Pelléas. Sabine Devieilhe singt eine wundervolle introvertierte Mélisande. Sophie Koch ist eine zurückhaltende Geneviève und Franz-Josef Selig eine Altersautorität als Arkel mit profundem Bass. Hannu Lintu schafft es, mit dem Bayerischen Staatsorchester einen guten Spannungsbogen über die äußere Nummernhaftigkeit der Oper zu halten und musikalisch reizvolle und Emotionen verstärkende Akzente zu setzen. Ein großartige Aufführung dieser schwer zu inszenierenden Oper Debussys!

Staatstheater Augsburg, 18. Juli 2024: TURANDOT

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Foto: Jan Pieter Fuhr

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Schlussapplaus. Foto: Klaus Billand

Im Rahmen seiner sommerlichen Open Air-Aufführungen am Augsburger Roten Tor brachte das Staatstheater dieses Jahr mit der „Turandot“ von Giacomo Puccini wieder eine Oper heraus. Und das mit großem Erfolg. Fast alle Aufführungen waren ausverkauft und kamen beim Augsburger Publikum bestens an. Intendant und Regisseur André Bücker legte im weiten Rund der Freilichtbühne mit mehreren Spielebenen im Bühnenbild von Karel Spanhak eine klassische chinesische Kultelemente ansprechende veristische Inszenierung an, die aber durch vornehmlich schwarze Kostüme von Aleksandra Kica und weiß getünchte Masken die Grausamkeit der Geschehnisse am Hofe Turandots eindrucksvoll hervorhob. Der vokal erstklassige Opern- und Extrachor wurde von Katsiaryna Ihnatsyeva-Cadek einstudiert und gut choreografiert.

Obwohl alle Stimmen verstärkt wurden, soll auch etwas über die Sänger gesagt werden. Sally du Randt sang eine ausdrucksstarke und attraktive Turandot mit hellem Sopran, der auch zu einigen Facettierungen imstande ist. Xavier Moreno als Gast gab den Calaf als kraftvollen Spinto-Tenor mit guter Ausstrahlung. Einmal mehr begeisterte Jihyun Cecilia Lee mit ihrem klangvollen lyrisch-dramatischen Sopran als Liù und ebenso einnehmendem Spiel. Avtandil Kaspeli gab den Timur mit charaktervollem Bass.

GMG Domonkos Héja dirigierte die Augsburger Philharmoniker in einem Seitenbau mit – bisweilen zu großer – Verstärkung, aber viel Verve und Verständnis für die schillernde Partitur des großen italienischen Meisters. Das Publikum war begeistert!

Opernfestspiele Heidenheim, 19. Juli 2024: MADAMA BUTTERFLY

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Foto: Oliver Vogel

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Schlussapplaus. Foto: Klaus Billand

Neben der selten gespielten Oper „Alzira“ im Rahmen der eindrucksvollen Verdi-Pflege der Opernfestspiele Heidenheim – OH! brachte das Festival dieses Jahr auch eine Neuinszenierung von „Madama Butterfly“ von Giacomo Puccini in der Inszenierung von Rosetta Cucchi heraus. Leider konnte die Aufführung wegen Unwetterwarnung nicht im offenen Rittersaal von Schloss Hellenstein stattfinden. Aber auch im Festspielhaus CCH überzeugte die Produktion mit einer berückenden Schlichtheit, dabei aber umso stärkerer Emotionalität. Tassilo Tesche setzte eine schlichte Iglu-artige weiße Hütte auf die Bühne, in der Cio-Cio-San ihr bescheidenes Leben führt und von einem stereotyp-touristisch gekleideten US-Amerikaner regelrecht gekapert wird, ohne das von Sharpless schon zu Beginn angedeutete spätere Drama auch nur im Geringsten zu erahnen. Trinkgeld muss alles richten. Umso stärker berührt das Schicksal der japanischen Geisha in schönem japanischem Kostüm von Claudia Pernigotti.

Olga Busuioc (übrigens aus der Nähe Heidenheims!) singt sie mit einem klangschönen Sopran und im Laufe des Abends immer intensiver werdender Inbrunst. Julia Rutigliano ist mit ihrem farbigen Mezzo eine devote und liebevoll auf Cio-Cio-San eingehende Suzuki. Héctor Sandoval kann als Pinkerton auf diesem Niveau mit einem zu kleinem und in der Höhe eng werdenden Tenor nicht mithalten. Gerrit Illenberger überzeugt hingegen als Sharpless mit balsamischem Bariton und ruhigem diplomatischem Ausdruck.

Der Künstlerische Leiter der OH, Marcus Bosch, dirigierte die Stuttgarter Philharmoniker mit großem Engagement und Gefühl für die sublimen Passagen der Partitur und ihre emotionalen Grundlagen. Die Harmonie zwischen Graben und Sängern war perfekt, und der in Heidenheim schon zum „Inventar“ gehörende Tschechische Philharmonische Chor Brünn bewies einmal mehr seine große Klasse. So entstand eine emotional einnehmende „Butterfly“ wie aus einem Guss.

(Weiter bebilderter Reisebericht und detaillierte Rezensionen in Kürze).

Klaus Billand aus Heidenheim

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Dr. Klaus Billand zum Thema „Bayreuther Festspiele mit anderen Komponisten?!“

Ein unfassbarer Vorschlag, der, abgesehen von der Stiftungssatzung Folgendes völlig außer Acht lässt:

Die Tatsache, dass die Bayreuther Festspiele von ihrer Gründung durch Richard Wagner selbst immer ein Familienfestival waren und sind, das bedeutendste in der Welt der Oper, und in 2 Jahren bereits sein 150. jähriges Jubiläum begehen wird.

Dass der Gründer selbst, wie in einem testamentarischen Willen, das Festspielhaus speziell für seine Werke bauen ließ und einen Kanon von 10 Werken festlegte.

Und dass, äußerst wichtig, der speziell auf die Wagnersche Musik und Instrumentierung ausgelegte, völlig verdeckte Bayreuther Orchestergraben sich gar nicht für andere Komponisten eignet, die in der Regel bis ausschließlich mit offenem Graben gespielt werden.

Dr. Klaus Billand, Wien
www.klaus-billand.com
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35. Belcanto Opera Festival ROSSINI IN WILDBAD  (18. – 28. Juli 2024)

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Wichtig! Eine Programmänderung am 24.7.

Aus unabweisbaren persönlichen Gründen muss  Dirigent Alessandro De Marchi seine Teilnahme am diesjährigen Festival leider absagen. José Miguel Pérez Sierra hat sich freundlicherweise bereit erklärt, am 24.7. ein sehr attraktives Programm zu dirigeren. Mert Süngü singt einen Teil des angekündigten Programms für Gilbert-Louis Duprez, aber dazu treten etliche erste Solisten des Festivals und der Akademie BelCanto, die Arien ausschließlich von Rossini singen werden. Dazu werden u.a. die Ouvertüren von Guillaume Tell und Barbiere di Siviglia zur Aufführung gebracht. Bereits gelöste Karten behalten Ihre Gültigkeit.

Important! A change to the programme on 24.7.

Due to unavoidable personal reasons, conductor Alessandro De Marchi unfortunately has to cancel his participation in this year’s festival. José Miguel Pérez Sierra has kindly agreed to conduct a very attractive programme on 24.7. Mert Süngü will sing part of the announced programme for Gilbert-Louis Duprez, but will be joined by a number of first soloists from the festival and the BelCanto Academy, who will sing arias exclusively by Rossini. The overtures from Guillaume Tell and Barbiere di Siviglia will also be performed. Tickets already purchased remain valid.

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ORF / „kulturMontag“ am 22. Juli: Der neue „Jedermann“, 70. Geburtstag von Erwin Wurm und Stimmungsbild der USA im Wahljahr

Anschließend: Doku „Zimmer frei – Übernachten in besonderer Architektur: Provence“ – ab 22.30 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON

Wien (OTS) – Der von Clarissa Stadler präsentierte „kulturMontag“ am 22. Juli 2024 um 22.30 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON wirft einen ersten Blick auf die Neuinszenierung des „Jedermann“ mit Philipp Hochmair in der Titelrolle bei den diesjährigen Salzburger Festspielen, trifft Erwin Wurm anlässlich dessen 70. Geburtstags an dessen Lebensmittelpunkt und Arbeitsstätte, dem niederösterreichischen Schloss Limberg, und liefert vor den im November dieses Jahres stattfindenden Präsidentschaftswahlen ein aktuelles Stimmungsbild der USA. Danach besucht die Dokumentation „Zimmer frei – Übernachten in besonderer Architektur“ die „Provence“ (23.15 Uhr): Die Reihe widmet sich der Geschichte und Entwicklung von Architektur im Tourismusumfeld und zeigt ausgewählte Projekte, die Tradition und Moderne kombinieren und Architektur und Kunst in einen Dialog stellen.

Ein Kassenschlager wird reloaded – Der neue „Jedermann“

Mit seiner One-Man-Show „Jedermann Reloaded“ hat Philipp Hochmair 2013 in Personalunion insgesamt 20 Rollen übernommen und gemeinsam mit seiner Band „Die Elektrohand Gottes“ das mehr als 100 Jahre alte Mysterienspiel in ein rockig-apokalyptisches Sprechkonzert-Spektakel verwandelt. Fünf Jahre später übernahm er auf dem Domplatz die Hauptrolle vom erkrankten Tobias Moretti, zum ersten Mal in der Geschichte der Salzburger Festspiele nach 1945 musste ein „Jedermann“ einspringen. Hochmair landete einen fulminanten Erfolg bei Publikum wie Kritik. Notnagel sein war gestern, denn in diesem Jahr gibt der 50-jährige Wiener den neuen „Jedermann“. Für die Leitung der Salzburger Festspiele war es an der Zeit, dass das mittelalterliche „Morality Play“, das Hugo von Hofmannsthal weitergedichtet hat, neu gesampelt und neu gedacht wird. Auserkoren für diese Aufgabe wurde der kanadische Regisseur Robert Carsen. Er sieht die Figur als geldbesessen, gierig und gefühlskalt und will mit seiner Interpretation eine messerscharfe Analyse der materialistischen Gesellschaft samt dem damit einhergehenden Verfall geistiger Werte liefern. Für ihn ist der „Jedermann“ ein Neureicher, der plötzlich scheitert. Die „unübertroffene Gier“ in Hofmannsthals „Spiel vom Sterben des reichen Manns“ mündet in den Tod. Für Robert Carsen soll die Auseinandersetzung mit dem Unausweichlichen zu einem Nachdenken darüber führen, wie wir unser Leben leben sollten. Neben einem komplett neu besetzten Ensemble, allen voran die Schweizer Schauspielerin Deleila Piasko als „Buhlschaft“, Andrea Jonasson als „Jedermanns Mutter“ und Christoph Luser als „Teufel und guter Gesell“, spielt auch der Dom in Carsens Inszenierung eine besondere Rolle. Im Gegensatz zu früheren Inszenierungen werden keine Bauten die Domfassade verstecken. Das Bauwerk selbst wird zur Bühne, eine niveaugleiche Piazza, auf der bis zu 90 Personen Platz finden, ist der mondäne Ort für „Jedermanns“ Tischgesellschaft. Der Dom ist Kirche und „Jedermanns“ Haus zugleich. Die mit Spannung erwartete Neuinszenierung überträgt ORF 2 am Samstag, dem 27. Juli, um 20.15 Uhr. Zuvor bietet der „kulturMontag“ erste Einblicke und umfassende Interviews.

Ein Gurkerl im XXL-Format – Erwin Wurm zum 70. Geburtstag

Mitten in der idyllischen Landschaft des Weinviertels parkt ein überdimensionales „Fat Car“ auf der Wiese, ein kopfloser Kapuzenmann taucht plötzlich bei einem Teich auf und neben einem mittelalterlichen Schloss reiht sich ein merkwürdig zusammengequetschtes, schmales Häuschen ein – willkommen in der schrägen Wunderwelt des Erwin Wurm! Schloss Limberg in der niederösterreichischen Gemeinde Maissau ist nicht nur der Lebensmittelpunkt des Kunststars, sondern auch Arbeits-, Produktions- und Lagerstätte. Auf dem fünf Hektar großen Anwesen findet der gebürtige Steirer reichlich Platz für seine oft riesenhaften Werke. Surreal muten seine sich küssenden Knack-Würsterln oder Wärmeflaschen auf zwei Beinen an, humorig seine Gurkerln im XXL-Format, skurril seine monströs aufgeblasenen Menschen. Das Heitere, Nonchalante zeichnet seine Skulpturen aus. Der Kunst eine gewisse Leichtigkeit zu geben, ist Erwin Wurm gelungen, und dennoch hat sie ob ihrer Konsumkritik einen ernsten Kern. Eine abgehobene Kunst, die schwer mit Pathos behaftet ist, sei nicht seine. Längst sind seine Objekte zur künstlerischen Marke avanciert, Erwin Wurm tanzt gekonnt auf dem Kunstparkett rund um den Globus. Allein in diesem Jahr stellt der Wahlniederösterreicher zwischen London und Shanghai, zwischen Berlin und Venedig aus, bevor er hierzulande anlässlich seines 70ers in der Albertina Modern mit einer umfassenden Retrospektive gewürdigt wird. Seinen Durchbruch schaffte er Ende der 1990er Jahre mit seinen „One Minutes Sculptures“, in denen Menschen mit Alltagsgegenständen selbst zum Kunstobjekt mutieren. Entstanden ist diese Idee aus einer Lebenskrise heraus, als sich seine erste Frau scheiden ließ und seine Eltern kurz nacheinander verstarben. Mittlerweile ist Erwin Wurm mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet worden, hat sein Land auf der renommierten Biennale von Venedig gemeinsam mit Brigitte Kowanz vertreten, und eine kürzlich erschienene Biografie von Rainer Metzger würdigt seinen Aufstieg im weltweiten Kunstbetrieb. Bevor Erwin Wurm auf der griechischen Insel Hydra, einem Hotspot im Kunst-Jetset, seinen 70. Geburtstag feiert, gewährt er dem „kulturMontag“ Einblicke in sein Kunstuniversum auf Schloss Limberg.

Das amerikanische Versprechen – Kerstin Kohlenbergs Stimmungsbild im US-Wahljahr

Seit seinem Auftritt beim TV-Duell gegen Donald Trump Ende Juni ist eine heftige Debatte darüber entfacht, ob der 81-jährige Joe Biden fit genug für eine weitere Amtszeit sei. Bidens Kontrahent Donald Trump kandierte 2016 zum ersten Mal mit dem Slogan „Make America great again“, weil er der berühmteste Mann der Welt sein wollte. Am 5. November 2024 wählen die US-Amerikanerinnen und -Amerikaner ihren neuen Präsidenten. Laut einer jüngsten Umfrage hat das Attentat auf Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Pennsylvania zu keinem Stimmungsumschwung bei den Wählerinnen und Wählern geführt. Allerdings stimmten 80 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass „das Land außer Kontrolle gerät“. 84 Prozent gaben an, sie seien besorgt, dass Extremisten nach der Wahl Gewalttaten begehen würden. Wie ist die Stimmung im Land und wer wird das Match gewinnen? Wie sehen die Zukunftspläne der Kandidaten aus? In ihrem Buch „Das amerikanische Versprechen“ sieht die preisgekrönte deutsche Journalistin Kerstin Kohlenberg die Demokratie in den USA am Abgrund. Von 2014 bis 2021 war sie für das deutsche Wochenblatt „Die Zeit“ als Korrespondentin tätig. Als sie 2021 Amerika wieder verließ, sei es ein Land geworden, in dem ein großer Teil der Menschen nicht mehr an die zentrale Institution der Volkssouveränität glaubte, an freie und faire Wahlen. Wie es zu der Wut und dem Vertrauensverlust gekommen ist, will sie nicht etwa in den Auswirkungen der Globalisierung, den ökonomischen Entscheidungen, den Migrationsströmen, der Arbeitslosigkeit oder in der Qualität der Bildungsabschlüsse erkennen, sondern in den emotionalen Veränderungen der Menschen: im Stolz auf das eigene Land und in den Kränkungen, die es einem zufügt, in der Hoffnung auf ein glückliches Leben und den Zweifeln, ob man es je erreichen wird – in jenen Gefühlen und Wertevorstellungen, die das Verhältnis eines Menschen zu seinem Land prägen. Via Schaltung nach Berlin erkundet Clarissa Stadler im Gespräch mit Kerstin Kohlenberg die Gründe für die Erosion der bürgerlichen Mitte.

Dokumentation: „Zimmer frei – Übernachten in besonderer Architektur: Provence“ (23.15 Uhr)

Wie wichtig ist die Art der Unterkunft im Urlaub, wenn die Landschaft perfekt ist? Die ORF-Kultur-Sendereihe „Zimmer frei“ widmet sich der Geschichte und Entwicklung von Architektur im Tourismusumfeld und zeigt ausgewählte Projekte, die Tradition und Moderne kombinieren und Architektur und Kunst in einen Dialog stellen. Feriendomizile, die die Baustile der Regionen aufgreifen, weiterentwickeln und prägen, das jeweilige Landschaftsbild unterstreichen und einen Brückenschlag zwischen historischer Baumaterie und zeitgenössischem Design wagen. Diesmal besucht Martin Traxl in der mittlerweile sechsten Ausgabe der Reihe „Zimmer frei“ sehr unterschiedliche Bauten und Projekte im Südosten Frankreichs, in der Provence. Zu Wort kommen neben Architekt:innen, Bauherr:innen und Hoteliers auch Fachleute, die über die Bedeutung und Geschichte der Architektur in der Provence, den Wandel in der baulichen Gestaltung, sowie auch die gesellschaftlichen Aspekte von Kunst und Architektur sprechen. Genauso abwechslungsreich und vielfältig wie die Topografie und Landschaft der Provence sind auch die Objekte, die rund um Marseille, Arles, Cassis und Saint Tropez – zwischen Urbanität, mediterranem Flair und ländlichem Idyll – zu finden sind: Von der ehemaligen Dorfschule, die nun als Pension fungiert, dem aufgelassenen Karmelitinnenkloster, das heutzutage den Fokus auf Wellness und Genuss statt Kontemplation setzt, dem einstigen Spital im Zentrum von Marseille, das sich zum 5-Sterne-Refugium gewandelt hat, bis hin zum aus dem Dornröschenschlaf erweckten Art-Deco-Hotel, in dem Anfang des 20. Jahrhunderts schon die Crème de la Crème geurlaubt hat. All diesen Objekten gemein ist das Feingefühl für die Revitalisierung historischer Bausubstanz, Geschick und Können in der Handwerkskunst und ein Verständnis dafür, dass das Alte und das Neue eine Symbiose eingehen können. Temporäres Wohnen im Architekturdenkmal von Le Corbusier ist in der Provence genauso möglich wie Erholung und Entspannung im jahrhundertealten Château – eingebettet zwischen Weingärten und Kunstinstallationen von Frank Gehry und Bob Dylan – oder ein Wochenendtrip, der einer architektonischen Zeitreise in die Sixties gleicht. Doch auch neu geschaffene Objekte zeigen, wie die Grenzen von Architektur und Natur verschwimmen, wie schlichtes Design mit opulenter Flora in Einklang gebracht wird.

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WIEN/ImPulsTanz: Eszter Salomon mit Filmen und Performances

Die in Berlin und Paris lebende gebürtige Ungarin Eszter Salomon, Tänzerin, Choreografin und Filmemacherin, stellt in diesem Jahr drei sehr unterschiedliche Arbeiten bei ImPulsTanz vor. Mit zwei an einem Abend gezeigten Filmen, einem Duett mit ihrer Mutter und einem Solo zeigt sie Ausschnitte aus der großen Bandbreite ihres künstlerischen Schaffens.

Die Filme „Reappearance“ (2022) und „Sommerspiele“ (2023) gehen zurück in die Geschichte des modernen/zeitgenössischen Tanzes. Einer der Wegbereiterinnen des deutschen modernen Tanzes, Valeska Gert, widmet Salomon den ersten der gezeigten Filme. Der sogenannte Grotesktanz der Gert verhandelte Motive wie „Kupplerin“, „Nervosität“, „Wochenschau“ oder „Canaille“ pantomimisch. Salomon arbeitet mit diesem Film und einer der Gert gewidmeten Performance-Reihe, den „The Valeska Gert Monuments“, gegen das Vergessen. Im zweiten Film schaut sie auf die Olympischen Sommerspiele Berlin 1936, deren Eröffnung von Nazi-treuen Choreografinnen und Tänzerinnen mit gestaltet wurde. Andere wurden verdammt, mussten emigrieren oder wurden getötet. „Mit beiden Filmen greift Eszter Salamon in unsere Vorstellung eines historischen Kanons ein.“ So die Ankündigung von ImPulsTanz.

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Eszter Salamon: „Reappearance“ © Marie Zahir

Mit ihrem Duett „MONUMENT 0.7 M/OTHERS“, das sie gemeinsam mit ihrer Mutter, der ungarischen Tanzlehrerin Erzsébet Gyarmati performt, dringt sie ein in die Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Es ist kein persönliches Stück. Es geht Salomon ausdrücklich um eine Allgemeingültigkeit der Arbeit, die auf sinnlich-lyrische Weise die Ver- und Entflechtungen zweier tief miteinander verbundener Menschen und hier insbesondere die Qualität der Beziehung, Identität und Vererbung untersucht.

In Stille, ohne jede Musik, bewegen sich die beiden in Schwarz Gekleideten in Slow Motion. Sie stellen im Sitzen, Liegen und Stehen physische Konstellationen her, halten kurz inne, um die Bilder wie Skulpturen einer Betrachtung und vor allem der Untersuchung auf ihren emotionalen Gehalt hin anzubieten. Sie gehen dabei durch Zustände, Befindlichkeiten und Prozesse, die verschiedene Aspekte der individuellen wie der gemeinsamen Existenz beleuchten.

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Eszter Salamon: „MONUMENT 0.7 M/OTHERS“ © Ferenc Salamon

Die Fürsorglichkeit und Intimität dieser Begegnung sind hart erarbeitet, wie Eszter Salomon berichtet. Im Ergebnis war es möglich, eine in ihrer Physikalität fremdartig erscheinende Zweisamkeit auf der Bühne zu erschaffen. In dieser Koexistenz und Kopräsenz gehen sie auf dem weißen Quadrat inmitten des um sie herum sitzenden Publikums mit ungeheurer Zärtlichkeit von einem Bild am Anfang, als würde sie ihre tote Mutter halten in ihren Armen, dann durch Umarmung, Halten, Empfangen, geistige Konfrontation, Spiegelung, eine Existenz um ein gemeinsames Zentrum herum, Schutzbedürfnis und Schutz, Beistand und Unterstützung, Trost und Halt, Verschränkung, die scheinbar unausweichlich notwendige geradlinige Weitergabe eines Erbes, den Widerstand dagegen und die Auflehnung gegen die und das Niederringen der ererbten Prägungen, Vertrautheit, Nähe und Wärme, das Erleben gleicher Persönlichkeitsstrukturen, Entspanntheit, die Akzeptanz der Unterschiedlichkeit, Wettbewerb, den Wettstreit der Überzeugungen und Glaubenssysteme, den Versuch der Befreiung von einem einengenden, schwer lastenden Erbe, sie gehen durch die Bewusstheit über die lange Tradition auch der Weitergabe eines Erbes, die Wertschätzung dessen, durch respektvolle Koexistenz, die unbedingte, nie endende Liebe einer Mutter, das entspannte So-Sein eines jeden, durch beiderseitigen Widerstand und Kampf.

Manchmal sprechen sie. In der Halle des mumok jedoch sind die Texte wegen der von sehr viel Hall stark beeinträchtigten akustischen Bedingungen kaum verständlich. Unsere individuelle Weltsicht und ihre Ursachen („wie jeder alles tut“) thematisieren sie. Wie zwei Gewinner ein und des selben Kampfes strecken sie sich gegenseitig eine Hand in den Himmel. Und bedecken sich dann gegenseitig die Augen. „Nichts ändert sich von Generation zu Generation. Außer der Komposition.“

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Eszter Salamon: „MONUMENT 0.7 M/OTHERS“ © Ferenc Salamon

Viele Bilder für verschiedenste Zustände, Haltungen, Einstellungen, Stati und Wahrnehmungen mit der finalen Feststellung, dass die psychischen Ingredienzien immer die gleichen bleiben, deren Mischungsverhältnis jedoch (und damit ihr Ausdruck in der physischen Welt) variiert.

Diese Arbeit berührt eine Reihe fundamentaler Fragen. Sind wir überhaupt fähig zu unterscheiden zwischen uns selbst und unserem seelischen Erbe? Ist es überhaupt notwendig? Ist die Gewalt, mit der weitergegeben wird und mit der das Ererbte in uns wirkt, vermeidbar? Ist die (fehlinterpretierte) Liebe, die als (Ab-) Grund für das Zwängen in Korsette herhalten muss, überwindbar?

Es geht zudem um die Frage der friedlichen Koexistenz, nicht nur die der verschiedenen Erben-Generationen, sondern auch um die der verschiedenen, vielfach ererbten Aspekte in uns selbst.

Das Bereichernde zu erkennen und zu unterscheiden von dem, was uns sabotiert und von uns selbst entfernt, was uns verformt statt uns zu weiten, ist eine der Hauptaufgaben unseres Lebens. Wohlan denn! „MONUMENT 0.7 M/OTHERS“ ist eine stille, formal unspektakuläre, kluge, tiefe, wertvolle und berührende Arbeit.

„DANCE FOR NOTHING (REVISITED)“ ist eine überarbeitete Version der bereits 2010 entstandenen Auseinandersetzung mit dem von John Cage 1949 verfassten Text „Lecture on nothing“. In dieser Performance hört sich Eszter Salomon eine eigene vorherige Performance an und untersucht die Aspekte Interpretation und Übertragung. Das allerdings ganz für sich. Das Publikum bekommt davon nichts mit.

Nur ein Stuhl, ein Mikrofon und die Salomon im schwarzen Kapuzenshirt. Und mit einem Knopf im Ohr. Sie rezitiert den Text und bewegt sich dazu. Die Herausforderung ist, wie sie im anschließenden Künstlergespräch mit Tom Engels, dem Kurator und Leiter des Grazer Kunstvereins gestand, das gleichzeitige Performen zweier „Choreografien“. Cages Text ist inhaltlich, rhythmisch und klanglich eine eigene, in Kapitel geordnete Choreografie, ihre Bewegung eine andere. Sie versucht, beide vollkommen zu entkoppeln, kommentiert oder illustriert den Text nicht und setzt ihm auch nichts entgegen. Weder rhythmisch noch semantisch. Die Parallelität der beiden Stränge zwingt zur Konzentration auf beide, was die Wirkung beider noch einmal verstärkt.

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Eszter Salamon: „Dance for Nothing (revisited)“ © Sebastian Reiser

Was hören wir? Cage verhandelt in seinem Text eine Fülle von Aspekten in ihrer Gegensätzlichkeit respektive Polarität. Er geht über die Dissoziation in die Auflösung derselben. „Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es.“ Begriffe wie Besitz/Verlust („Unsere Freude liegt im Nicht-Besitzen von Nichts.“), Struktur („Ohne Leben ist sie Tod.“ und „Sie ist eine Brücke zwischen zwei Nichts“), Material (Musik und Komposition, Bach, Tonalität, „Bach nahm die Trennung von Geist und Ohr vorweg.“), Geräusche („Stille zu spielen ist überwältigend.“), Fragen/Antworten, Ort/Nirgendwo („Wir haben das Gefühl, dass wir nirgend wo hin gehen. Das ist irritierend.“), Zwölftonmusik, das Brauchen von Besitz. Textpassagen wiederholen sich. Der Text endet strukturell im Nichts, aus dem er kam.

Und was sehen wir? Ihr Tanz entsteht aus stillem Sitzen, langsam sich steigernd, dann verlässt sie den Stuhl. Liegend und stehend, irgendwann auch die Kapuze abgestreift, intensiviert sie die Gesten, um am Ende wieder in die Stille zu fließen. Das Unbestimmte, Grund- und Ziellose ihrer Gesten, ohne Anlass, ohne Intention, werden zu fassbarem Ausdruck. Der Impuls für eine Geste kommt aus der vorherigen. Es fließt. Es hat keinen Anfang und kein Ende. Keinen Sinn als den, zu sein in einer Kontinuität, die aus dem Nichts entstand und in es zurückführt. Die Bedeutungslosigkeit der Gesten verleiht ihnen ihren Sinn. Konkretheit entlarvt sie als sinnlos mit ihrem Bewegungsmaterial. Es scheint wie ein Ausschnitt aus der Ewigkeit, wie eine Sequenz des Nichts.

In den Phasen der Stille, wenn der Text nur Zeit (oder das Nichts) erfahren lassen will, wird ihre Bewegung besonders eindringlich. Sie liegt auf der Seite und hält Kopf und Bein in der Schwebe. Hier scheint sie schon zu illustrieren. Die Spannung im Raum. Sie wiegt sich, schwingt vor und zurück, pendelt zwischen unsichtbaren Polen, um das herum, was dazwischen liegt. Ein Nichts. Und zugleich ein Alles.

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Eszter Salamon: „Dance for Nothing (revisited)“ © Sebastian Reiser

Die klassisch ausgebildete Eszter Salomon will in „Dance for Nothing“ den Tanz leeren, uns befreien von Vorstellungen vom Körper, dessen Möglichkeiten und vom Gefühl. Sie will „ihre Ideologie dekonstruieren“, wie sie im Artist Talk erläuterte. Es geht um Aufmerksamkeit und den ästhetischen Wert der Bewegung. Ziel erreicht. Durch die Entkopplung von Text und Tanz intensiviert sie die Erfahrung von beidem. Deren Bedeutungsebenen werden durch die kontrapunktische Komposition des Stückes verstärkt respektive überhaupt sichtbar.

John Cage beschrieb die Kernaussage seines Stückes so: „Lecture on Nothing ist, dass du durch die Reduktion von Allem zu Nichts zu verstehen beginnst, dass Kunst die Erfahrung des Momentes ist, dass alles, was zählt, jetzt ist. Du kannst Kunst niemals besitzen.“

Am Ende klopft sie sich einen Rhythmus auf die Brust. „Kapitalismus … Kommunismus“. „Ich denke manchmal, dass ich was weiß.“ Parallele, nicht harmonisierte und nicht synchronisierte Metriken werden hier zum poetischen Pulsschlag des Nichts. Cage und Salomon formulieren in ihren hier verschränkten Arbeiten Kunst als Antithese zum und Fundamentalkritik am Kapitalismus, der mit seinem Fokus auf den Besitz das Leben und die Kunst des Eigentlichen, der Erfahrung des und der selben, beraubt.

Eszter Salomon mit „Reappearance & Sommerspiele“ am 12.07.2024 im Österreichischen Filmmuseum Wien, mit „MONUMENT 0.7 M/OTHERS“ am 15.07.2024 im mumok Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien und mit „DANCE FOR NOTHING (REVISITED)“ am 16.07.2024 ebenda im Rahmen von ImPulsTanz.

Rando Hannemann

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