Daniel Schmutzhard (Frank/Fritz), Vida Miknevičiūtė (Marietta, Die Erscheinung Mariens), Yoel Gamzou (musikalische Leitung), Klaus Florian Vogt (Paul), Katja Pieweck (Brigitta) (Foto: RW)
Es gibt wohl nur wenige Opern, die über die gesamte Spieldauer so wenig leise Passagen aufweisen. Dazu gehörte der zum Niederknien schön gesungene Schlussgesang Vogts, aber auch das Aberglaube-Glaube Duett im dritten Bild. Bei letzterem gelangen auch Vida Miknevičiūtė berührende Töne.
Die tote Stadt, Oper in drei Bildern
nach dem Roman von Georges Rodenbach
Musik von Erich Wolfgang Korngold
Inszenierung: Karoline Gruber
Bühnenbild von Roy Spahn, Kostüme von Mechthild Seipel
Staatsoper Hamburg, 19. Juni 2024
von Dr. Ralf Wegner
Das morbide Sujet dieser Oper fesselte mich leider nicht. Ich empfand die Stimmen von Klaus Florian Vogt und Vida Miknevičiūtė weitgehend als zum Brüllen verurteilt und damit vergeudet. Erst zum Ende hin, als Vogt auf den zunächst aufgesetzten, leicht verwirrten Gesichtsausdruck verzichtetet, kam so etwa wie innere Sängerspannung auf, die mich berührte.
Um es kurz zu sagen, sein Schlussmonolog war zum Niederknien schön gesungen. Aber die bekannteren Melodien wie das Duett Marietta-Paul Glück, das mir verblieb und Franks (Daniel Schmutzhard) musikalisch wie aus dem Nichts herbeigezaubertes Mein Sehnen, mein Wähnen rührten zwar, berührten aber nicht. Vielleicht, wenn der Bariton mit einer schöner klingenden Stimme gesegnet gewesen wäre. Auch von Katja Pieweck (Brigitta), die zuletzt noch den Altpart in Mahlers III. Sinfonie zu einem gesanglichen Ereignis werden ließ, hätte ich schönere Töne erwartet. Um zu Beginn der Oper nicht im Orchesterklang unterzugehen, wurde sie zeitweilig recht laut und klang dabei, wenn ich das so sagen darf, unschön, zumindest anfangs. Im Grunde hatte sie aber kaum etwas zu singen, um zu einer wirklich gerechten Beurteilung zu gelangen.
Das Orchester unter der Leitung von Yoel Gamzou ließ sich voll auf das Dauerforte ein, welches Korngolds Partitur auszeichnet. So sind die auftretenden Sängerinnen und Sänger entweder zum hochgefahrenen Forte gezwungen, wie Vogt und seine Partnerin, aber auch Katja Pieweck. Nun saßen wir in der 1. Loge aber auch fast oberhalb des Orchestergrabens und waren dort dem Dauerforte besonders ausgesetzt.
Es gibt wohl nur wenige Opern, die über die gesamte Spieldauer so wenig leise Passagen aufweisen. Dazu gehörte der Schlussgesang Vogts, aber auch das Aberglaube-Glaube Duett im dritten Bild. Bei letzterem gelangen auch Vida Miknevičiūtė berührende Töne. Sonst klang ihr nicht vibratoarmer, eher weiß-einfarbiger Sopran zum Teil recht scharf, vor allem im Forte. Auch wenn süßere, rundere Töne vermisst wurden, überzeugte die Sopranistin mit einem sehr intensiven Spiel und ihrer schallstarken Stimme insgesamt doch. Man hörte sich ein, und erlebte bei der Sängerin schließlich auch einen Gleichklang von musikalischem Gehalt und gesanglicher Form.
Von den kleineren Nebenpartien imponierte Florian Panzieri mit seinem wohlklingenden Tenor als Victorin sowie die Soprane Na’ama Shulman (Juliette) oder Yeonjoo Katharina Jang (Lucienne) mit einem wunderbar hell leuchtenden lyrischen Sopranklang. Welche von beiden es war, weiß ich nicht. Laut Opernführer firmieren Juliette als Sopran sowie Lucienne als Mezzo, von daher müsste es Na’ma Shulman gewesen sein. Sicher bin ich mir aber nicht.
Korngolds tote Stadt hat ihr Publikum. Trotz eines wichtigen Spiels der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft war das Parkett recht gut gefüllt. Und der Beifall des Publikums war ausgesprochen langanhaltend. In den Jubel wurden die Protagonisten ebenso einbezogen wie Yoel Gamzou und das Philharmonischen Staatsorchester Hamburg.
Dr. Ralf Wegner, 20. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Erich Wolfgang Korngold, Die tote Stadt Staatsoper Hamburg, 5. Juni 2024