Eine lautstarke Höllenfahrt im Theater an der Wien

Don Giovanni konzertant,  Theater an der Wien, 24. September 2019

Foto: (c) 2019 Erwin Schrott

Theater an der Wien, 24. September 2019
Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni (konzertant)

von Herbert Hiess

Die ersten Takte der d-Moll-Ouvertüre von Mozarts „Dramma Giocoso“ nehmen eigentlich den Verlauf (und damit das tragische Ende) der Geschichte voraus. Es ist aber auch so, dass mit diesen Takten in der Requiem-Tonart auch die Qualität der Aufführung spürbar ist.

Genauso war es in dieser konzertanten Produktion im Theater an der Wien, die nach der Besetzungsliste eine Sternstunde versprochen hat. Letztlich wurde es nur eine gute bis sehr gute Aufführung; vom Außergewöhnlichen war es weit entfernt. Das an sich exzellente Basler Kammerorchester spielte, wie heute üblich, „historisch informiert“. Dieses Schlagwort mündete letztlich in einen etwas substanzlosen und bassarmen Klang. Gerade Mozarts Drama um den Verführer „Don Giovanni“ braucht viel mehr einen profunden Klangteppich, der hier oft gefehlt hat. Insofern schade, da die diversen Instrumente mehr als hervorragend gespielt wurden. So vor allem die Holzbläser, die hervorragende Pauke, das Blech und ganz phantastisch das Solocello in Zerlinas Arie „Batti, batti“.

Der italienische Dirigent und Blockflötenvirtuose Giovanni Antonini nahm zumeist recht forsche Tempi (vor allem im Finale zum ersten Akt). Echt schade, dass die Bühnenmusiken vom ersten Finale im Orchestergraben gespielt wurden. Das zerstörte etwas die dramaturgische Wirkung, da die Raumwirkung sehr stark fehlte.

Die Sänger konnte man qualitätsmäßig sogar „gendern“. Während die Herren durchwegs ausgezeichnet waren, konnte man dies (bis auf Frau Beszmertnas „Elvira“) von den Damen nicht sagen.

Die „Elvira“ beeindruckte mit einer großen und hell leuchtenden Stimme und meisterte die enormen Schwierigkeiten dieser Rolle mit Bravour. Im Gegensatz zu den anderen interpretierte sie auch mit ihrer Stimme. Giulia Semenzatos „Zerlina“ war nett und lieblich gesungen; ihre Stimme ist auch wunderschön. Schade, dass sie beim Zuhören überhaupt nicht wirklich berühren konnte (so wie damals Kathleen Battle).

Und Sylvia Schwartz bewies eindrucksvoll, wie schwierig die „Donna Anna“ sein kann. Offenbar ist ihre Tessitura nicht für die Partie ausgelegt. Schon in der oberen Mittellage klang ihre Stimme gequetscht und scharf. Die oberen Höhen waren leider fast unerträglich. Bei dem Terzett im ersten Finale (mit Bläserbegleitung) war sie fast ein „Störfaktor“.

Die Herren sangen alle ausgezeichnet, wobei sich Patrick Grahl als „Ottavio“ zu sehr auf seine Kopfstimme verließ. Natürlich klingt das anfänglich schön – dann nervt aber die Substanzlosigkeit schon sehr. Ausgezeichnet Alex Esposito als „Leporello“ und David Soar in der Doppelrolle „Masetto“ und „Komtur“.

Erwin Schrott ist eine Klasse für sich. Mit seiner (vor allem in dem kleinen Haus) mächtigen Stimme kann er richtig beeindrucken. Phantastisch, wie er in den Rezitativen auch bei der konzertanten Aufführung so richtig die Opernbühne spüren ließ. Verwunderlich, dass er dann bei den Szenen und Arien nicht auch subtiler singen kann. Ein richtiges Pianissimo gab es nie; man konnte nur sehr laut, laut und weniger laut hören. Der Gipfel war dann eine so richtig gebrüllte „Champagnerarie“. Trotzdem ist der Mann ein Ereignis und man nahm ihm auch so mühelos den unwiderstehlichen Verführer ab.

Herbert Hiess, 25. September 2019, für
klassik-begeistert.de
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Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni (konzertant)

Don Giovanni: Erwin Schrott
Leporello: Alex Esposito
Donna Anna: Sylvia Schwartz
Don Ottavio: Patrick Grahl
Donna Elvira: Olga Beszmertna
Il Commendatore/Masetto: David Soar
Zerlina: Giulia Semenzato

Deutscher Kammerchor
Kammerorchester Basel
Dirigent: Giovanni Antonini

 

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