Fotos © Susanne Diesner
Düsseldorfer Symphoniker
Gordon Hamilton, Dirigent
Sophie Kauer, Cello
John Williams – „Imperial March“ aus „Star Wars – das Imperium schlägt zurück“
Gordon Hamilton – „Zero Gravity“, Komposition für Orchester
Shiro Sagisu – Fantasie über Themen aus dem Anime „Neon Genesis Evangelion“ mit Themen von Johann Sebastian Bach
Gordon Hamilton –„Glitch Infinity“ – Komposition für Violoncello, Cembalo, Harfe, kleines Orchester und Live-Elektronik (Uraufführung)
Gustav Mahler – Sinfonie Nr. 5 in cis-Moll, Satz 1
Hildur Guðnadóttir – „For Petra“ – Musik zu dem Film „Tár“
Edward Elgar – Cellokonzert e-Moll, op. 85, Satz 4
John Williams – „Elegie“ – Komposition für Solocello und Orchester
Tonhalle Düsseldorf, 27. Februar 2024
von Daniel Janz
Es ist so weit: In der Tonhalle findet wieder die #IGNITION-Reihe unter Gordon Hamilton statt. Seit Jahren präsentiert er hier mit den Düsseldorfer Symphonikern bunte Kombinationen aus Film/Fernsehen, Medien und Klassik und schmückt diese stets mit Neukompositionen. Auch diesen Dienstagabend bedeutet das wieder viele Eindrücke, die er unter das Motto „die dunkle Seite der Macht“ stellt. Zwar passt dieses Motto heute nicht wirklich – viel eher findet eine Auseinandersetzung mit inneren und äußeren Bedrohungen statt. Faszination pur gibt es aber trotzdem.
Zu Beginn erklingt John Williams. Dessen „Imperial March“ hört man in Düsseldorf so oft, dass er hier inzwischen als „Klassiker“ bezeichnet werden kann. Vielleicht fällt auch deshalb auf, dass er heute etwas matter klingt, als sonst? Die Bläser hätten hier jedenfalls noch schlagkräftiger durchstechen können, auch wenn diesmal viel Liebe zum Detail, wie dem Glockenspiel und den Flöten, auffällt. Vielleicht war es aber auch Sinn der Sache, die später noch sehr geforderten Blechbläser etwas zu schonen?
Das zweite Stück wirkt jedenfalls runder. Gordon Hamiltons „Zero Gravity“ stellt die selbst gesammelten Erfahrungen des australischen Komponisten und Dirigenten aus einem Parabelflug dar. Düster und dunkel wirkt in diesem musikalischer Höhenflug aber nichts. „Frei im Raum, losgelöst von der Schwerkraft der Erde“ verzückt es von Anfang an. Dem lyrischen Einstieg folgen regelmäßig warme Orchesterausbrüche. Wie beim Abheben eines Flugzeugs erreichen sie mit Einsatz der Orgel eine fast sakrale Höhe, auf der ein traumhaft befreites Violinsolo die impressionistische Musiklandschaft prägt. Schließlich wechseln sich Violine, gedämpfte Trompete und Englischhorn ab und führen in ein verklärendes Ende. Als würde man die Welt aus einem Orbit betrachten. Eine fabelhaft gelungene Komposition!
Daraufhin folgt eine Fantasie über Themen aus dem Anime „Neon Genesis Evangelion“. Zentral ist hier der Kampf der Protagonisten gegen außerirdische Invasoren mithilfe von überdimensionierten Kampfrobotern. Zum Ausdruck dieses Spannungsfeldes besann sich der japanische Komponist Shiro Sagisu jedoch nicht nur auf Neues, sondern bediente sich auch maßgeblich bei Johann Sebastian Bach.
In der Folge erklingt eine bunte Mischung aus martialischen Rhythmen, lockeren, fast klischeehaften Tanzszenen mit bekannten Melodien vom barocken Großmeister. Hier ist alles mit dabei. Tosende Blechbläser stellen bei „EVA-00“ die Kampfroboter vor und lassen die von ihnen ausgehende Gefahr erahnen. Zu „Rei I“ bezaubern zarte Solostreicher und auch Glockenspiel und Keyboard stechen hervor. Und in „Fly me to the moon“ leiten die Holzbläser lieblich in J.S. Bachs überraschend gut passende „Air“ über, bevor die Musik mit „Cruel Angel’s Thesis“ beeindruckend endet.
In den Ausschnitten, die von J.S. Bach stammen, zeigt sich darüber hinaus auch eine meisterhafte Liebe fürs Detail. „Air“ wird geradezu glänzend von Cembalo, Streichern und Drum-Set eingeleitet, während die erste Posaune den solistischen Part zelebriert. Fabelhaft – so bewegend hört man Bach selten! Und auch Bachs Badinerie erklingt mit Flöte, Streichern und Cembalo auf überragend hohem Niveau, in das sich später auch noch die Oboe mit „Cantata“ (während des Konzerts unbenannt) einreiht.
Die äußere Bedrohung bei „Neon Genesis Evangelion“ steht der inneren Bedrohung im Film „Tár“ gegenüber. Dieses Drama erzählt die Geschichte der Dirigentin Lydia Tár und der Auseinandersetzung mit ihrem beruflichen Erfolg. Zum Einstieg in diese Spannung bedienen sich Orchester und Dirigent beim Trauermarsch aus Gustav Mahlers fünften Sinfonie. Dieser erste Satz ist so voller innerer Dunkelheit, dass er selbst heute im Konzert heraussticht. Dabei liefert das Orchester eine ganz fabelhafte Leistung. Angefangen bei der wunderbar klar spielenden ersten Trompete über das insgesamt starke Blech – gerade auch die prächtig aufspielenden Hörner – über die lieblichen Holzbläser und die strahlenden Streicher; alle liefern Hochglanz und damit gute Werbung für das in einer Woche stattfindende Sinfoniekonzert ab. Einzig das Tamtam wirkt hier etwas matt, was aber auch an der Akustik im Saal liegen mag.
Es ist fast schade, dass nicht jetzt schon die anderen 4 Sätze dieser mächtigen Sinfonie folgen. Denn der musikalische Ausschnitt von Hildur Guðnadóttir aus der Filmmusik von „Tár“ kann kaum mit Mahlers Meisterwerk mithalten. Das ist einfache Akkord-Stimmungsmusik mit meist schwebenden, stehenden Klängen, die sich schnell in ihrer Statik erschöpft. Der Rezensent hätte das nicht gebraucht.
Dafür bietet sich aber daraufhin eine Sternstunde des Abends mit Sophie Kauer, die nicht nur wegen ihrem Engagement als Solocellistin hier ist, sondern auch, weil sie im Film „Tár“ die Rolle einer Solocellistin verkörperte und dabei musikalisch wie schauspielerisch überzeugen konnte. Die 22 Jahre junge britisch-deutsche Cellistin darf heute Abend ihr Talent in insgesamt 3 sehr unterschiedlichen Werken beweisen.
Höhepunkt ist dabei klar der melancholische, stellenweise ins Düstere gehende Schlusssatz aus Edward Elgars Cellokonzert. Der englische Komponist setzte hier zu einer doch etwas biederen Orchesterbegleitung eine höchst filigrane Cellomelodie, die Sophie Kauer auch mit der nötigen Mischung aus Sensibilität und Schroffheit darbietet. Wo es düster zugeht, da brummt sie die Töne richtig aus ihrem Instrument heraus. Dafür bringt sie es an den sensiblen Stellen lyrisch zum Singen. Fabelhaft!
Diese Klasse bestimmt auch die anderen beiden Werke, zu denen sie gefragt ist. Im – von Gordon Hamilton eigens für sie komponierten – Stück „Glitch Infinity“ spielt sie in Begleitung zu beinahe schon rockigen Cembalo-Klängen, zarten Harfentönen und einer ansonsten reduzierten Orchesterbesetzung. Dazu begleitet Hamilton sie am Mischpult mit elektronischen Effekten – mal lässt er ihren Klang nachhallen, mal verzerrt er ihn, mal wiederholt er ihn oder unterlegt ihn mit beinahe surrealen Geräuschen. Dass das Werk bei so viel Abwechslung nicht auseinanderfällt, liegt an den wiederkehrenden Strukturen. Als Neukomposition überzeugt er aber aufgrund seines experimentellen Charakters nur ein Stück weit. Der Rezensent erkennt hier Potenzial, das noch nicht ausgeschöpft wurde. Da berührte „Gravity“ stärker.
Mit „Elegie“ von John Williams können sie das Konzert dann aber zu einem runden Abschluss führen und gleichzeitig einen Bogen zum Beginn herstellen. Dabei schien lange Zeit nicht klar, ob dieses Werk aufgeführt werden könnte – offenbar hat John Williams die Noten erst kürzlich zur Verfügung gestellt. In diesem rein sinfonischen Werk soll der – für seine Filmmusik weltbekannte – Großmeister ein musikalisches Begräbnisdenkmal für das verstorbene Kind eines Freundes gesetzt haben. Und tatsächlich überwiegen hier tröstliche Klänge, die der Dramatik des Abends einen kleinen Hoffnungsschimmer verleihen. Hier strahlen auch Sophie Kauer, Gordon Hamilton und das Orchester noch ein letztes Mal und führen den Abend letztendlich in einen versöhnlichen Ausklang. Alles in allem damit ein sehr gelungenes Konzert, das Vorfreude auf den nächsten Termin am 29. Mai macht. Wir dürfen gespannt sein!
Daniel Janz, 29. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Musiker und Solisten der Cinema Festival Symphonics Tonhalle Düsseldorf, 13. Februar 2024