DVD-Rezension: Nikolaus Harnoncourts „Figaro“ als Vermächtnis
Wolfgang Amadeus Mozart, Le Nozze di Figaro
Concentus Musicus Wien
Nikolaus Harnoncourt
Unitel 803 708
von Peter Sommeregger
Diese DVD-Publikation gibt den ersten Teil des Da Ponte-Zyklus wieder, welcher das letzte große Opernprojekt des gefeierten Nikolaus Harnoncourt war, der zwei Jahre nach dieser Aufzeichnung 2016 verstarb. Mozarts Opern waren für Harnoncourt ein Feld, auf dem er zum Experten wurde und hohe Authentizität erreichte.
Es empfiehlt sich, das beinahe einstündige Bonusmaterial dieser DVDs vor der Oper anzusehen, Harnoncourt doziert darin klug im Dialog mit den Sängern noch während der musikalischen Einstudierung speziell über die Interpretation der Rezitative. Seine fachlich kompetenten Ausführungen sind auch für die meisten Sänger Neuland, die Probenatmosphäre, wohl in der Privatwohnung des Dirigenten, ist entspannt, fast fröhlich zu nennen. Man erfährt viel über die Funktion und die Wichtigkeit der Rezitative bei Mozart und hört so später die Aufführung als „Wissender“.
Die Präsentation der Oper selbst erfolgt als halb-szenische Aufführung im Theater an der Wien. Die Sänger stehen an Notenpulten, treten teilweise mit den Noten in der Hand auf, agieren aber trotzdem zumindest mimisch. Dabei erlebt man, dass lebendig gestaltete und mit der nötigen Ernsthaftigkeit vorgetragene Rezitative alles andere als langweilig sein müssen. Das szenische Arrangement stammt von Felix Breisach. Porträts der Sänger in Kostüm und Maske hängen an den Stellwänden der Bühne, agiert wird in Alltagskleidung, bzw. stilisierter Bekleidung, Requisiten sind nicht vorgesehen.
Diese Reduktion auf das Wesentliche bekommt der Aufführung ausgesprochen gut. Die Titelrolle ist mit dem jungen Andrè Schuen besetzt, der inzwischen zur Rolle des Grafen Almaviva gewechselt ist. Seine Braut Susanna, verkörpert durch Mari Eriksmoen und er stehen für ein tatsächlich sehr junges, frisches Paar. Perfekt abgestimmt darauf das deutlich reifere Grafenpaar Bo Skovhus und Christine Schäfer. Skovhus gelingt hervorragend die Verbissenheit des betrogenen Betrügers, Schäfer, die sich inzwischen leider von der Bühne zurückgezogen hat, besticht durch frauliche Wärme. Ein wenig eckig und spröde legt Elisabeth Kulman den Pagen Cherubino an, wertet die Partie dadurch aber auch auf, die Harnoncourt als Vorstufe zur Figur des Don Giovanni betrachtet.
Die kleineren Rollen wertet Harnoncourt dadurch auf, dass er Marzelline und Basilio ihre zumeist gestrichenen Arien im vierten Akt singen lässt. Dadurch können sich Ildikó Raimondi und Mauro Peter viel besser profilieren.
Die von Harnoncourt gegründete Orchesterformation Concentus Musicus, von Beginn auf Mozart geeicht, begleitet die Sänger ausgesprochen subtil, die Musiker atmen förmlich mit der Musik, wodurch sich ein perfektes Zusammenspiel zwischen Podium und Graben ergibt. Ein wenig wehmütig konstatiert man, dass Aufführungen unter Harnoncourt bereits Geschichte sind.
Die Produktion macht neugierig auf die beiden anderen Teile des Da-Ponte-Zyklus, es ist zu hoffen, dass UNITEL auch diese bald veröffentlichen wird.
Peter Sommeregger, 21. April 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at