Konzert zum österreichischen Nationalfeiertag: Optimismus gewinnt die Oberhand

Edward Gardner, HK Gruber, Miah Persson, Konzert zum Nationalfeiertag,  Wiener Konzerthaus

Foto: HK Gruber © Georg Anderhub
Wiener Konzerthaus, Großer Saal,
25. Oktober 2018
Konzert zum Nationalfeiertag

Wiener Symphoniker
Edward Gardner, Dirigent
HK Gruber, Chansonnier
Miah Persson, Sopran

von Jürgen Pathy

Das Konzert zum Nationalfeiertag entfaltet aufgrund der eigenwilligen Programmauswahl eine nachdenkliche Wirkung: Ein skurril anmutendes Potpourri aus Chauvinismus, Albernheit und Ironie bahnt sich seinen Weg durch den prächtigen Großen Saal des Wiener Konzerthauses.

Führte bereits letztes Jahr der Weg auf Johannes Maria Stauds Flussfahrt entlang der Donau „Stromab“ – klassik-begeistert.de berichtete –, manifestiert sich erst jetzt das gesamte Ausmaß des Schreckens in Form von „Frankenstein!“, einem Werk des zeitgenössischen Komponisten HK Gruber. Mag das Pandämonium für Chansonnier und Orchester auf den ersten Blick zwar albern erscheinen und aufgrund der pointierten Vorführung des Komponisten höchstpersönlich für Gelächter und verdutzte Gesichter sorgen, befeuert es letztendlich die Fantasie.

Bei seiner künstlerisch ausgereiften Darbietung agiert HK Gruber, 75, am Mikrofon wie ein widerspenstiges Kleinkind, dessen jähzornige Ausbrüche zwischen Gaga-Sprache und animalischen Geräuschen à la Pink Floyds Pigs angesiedelt werden können. Das 1971 komponierte und 1976/77 überarbeitete Werk scheint ein Ausläufer der 68er-Generation zu sein: ein Aufbäumen gegen die Obrigkeit, das Establishment und die führenden Kräfte.

Vielleicht verbirgt sich hinter dem grotesken Klamauk jedoch keine Tiefgründigkeit, die zu suchen es lohnt – vielleicht regiert die Sinnlosigkeit diese absurde Komposition. Doch die Programm-Konstellation befeuert am Vorabend eines derart gewichtigen Tages, dem österreichischen Nationalfeiertag, die Fantasie: Die österreichische Bundeshymne, bei der sich das Volk von deren Sitzen erhebt, gefolgt von einer kritischen Komposition basierend auf Texten des österreichischen Schriftstellers H. C. Artmann und zum Abschluss die Vierte des jüdischen Komponisten Gustav Mahler – das bietet in Anbetracht der politischen Lage etwas Zündstoff.

Doch gerade die Mahler‘ sche Symphonie bietet an diesem Abend einen optimistischen Ausblick in die Zukunft. Die Vierte mit ihrer heiteren Art und der klassizistischen Form zählt zu den beliebtesten Mahler‘ schen Sinfonien und verleiht der Szenerie die nötige Portion Ironie.

Mit graziler Leichtigkeit schweben die Wiener Symphoniker unter der Leitung des Briten Edward Gardner, 43, durch den ersten Satz, der gespickt ist mit Ironie, aber auch von Donner und Blitz erschüttert wird und die latente Bedrohung niemals ganz außer Acht lässt. Momente zum Schwelgen bietet der langsame Satz, der in seiner Unendlichkeit ruhevoll dahinfließt. Obwohl Gardner der Musik an gewissen Stellen mehr Raum zum Atmen gewähren könnte, um die ganze Seele des edlen Poco Adagio zu entfalten, verfehlt die Macht dieser Musik seine emotionale Wirkung nicht: Endlich besinnt sich auch der ältere Herr hinter mir und kann seinen neurotischen Ausbrüchen Einhalt gebieten. Auch die Sopranistin Miah Persson, 49, die teilweise zwar zu forciert aufs Vibrato drückt, vermag es in ihrer weinroten Abendrobe, den Herrn weiterhin im Zaum zu halten – Mahler und der Venus in weinrot sei’s gedankt!

Mag dieser Abend nicht nur im Bann der leichten Muse stehen, sondern aufgrund der Geschehnisse einen etwas angesäuerten Duft hinterlassen, gewinnt letztlich der Sarkasmus und der Optimismus die Oberhand – alles wird gut!

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 27. Oktober 2018, für
klassik-begeistert.at und klassik-begeistert.de

Wolfgang Amadeus Mozart
Österreichische Bundeshymne K 623a
HK Gruber
Frankenstein!!. Ein Pandämonium für Chansonnier und Orchester (1976-1977)
***
Gustav Mahler
Symphonie Nr. 4 G-Dur für großes Orchester und Sopran-Solo (1899-1901)

 

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