Wie die Violinistin Elisabeth Kufferath mit virtuosem Spiel auf vier Saiten ganz große Gefühle vermittelt

Elisabeth Kufferath, Versprechen. Solo-Rezital  Sendesaal Bremen, 6. April 2024

Foto 2019 © ZuZanna Specjal

Elisabeth Kufferath
VERSPRECHEN. Solo-Rezital

Kati Agócz: „Versprechen“ für Violine solo

Bernd Alois Zimmermann: Sonate für Viola solo „…an den Gesang eines Engels“

Johann Sebastian Bach: Sonate Nr. 3 für Violine solo in C-Dur, BWV 1005

Elisabeth Kufferath Violine, Viola

Sendesaal Bremen, 6. April 2024

von Gerd Klingeberg

Für Pianisten mag es eher selbstverständlich sein, ein Konzert solistisch zu bestreiten. Für Violinisten ist es hingegen wohl eine der größten Herausforderungen, mit einem Solo-Rezital das Auditorium einen Abend lang zu begeistern. Elisabeth Kufferath, die längst auf eine beeindruckende Karriere als engagierte Kammermusikerin und vielseitige Solistin verweisen kann, ist dies – das darf vorab konstatiert werden – auf eindrucksvolle Weise gelungen bei ihrem Konzert im Sendesaal Bremen, dem nach ihren Worten „herrlichsten Saal der Welt“.
An den Anfang hat sie „Versprechen“ gesetzt, ein Werk der amerikanisch-kanadischen Komponistin Kati Agócs. Zunächst dominieren große, sehr unregelmäßig anmutende Intervallsprünge. Doch schon bald kommen kurze Glissandi und erzählende Partien hinzu. Kufferaths expressive Ausführungen steigern sich, kumulieren in straff vorgetragenen hohen Lagen. Dann, nach kurzem Atemholen, erklingt in seelenvollem Pianissimo wie aus weiter Ferne quasi als zwingende Synthese der Komposition der Bach-Choral „Ist Gott mein Schild und Helfersmann“: sehr ruhig, sehr innig, sehr anrührend. Schließlich zunehmend kraftvoll und in faszinierender Klangdichte.

Für die Sonate für Viola solo „…an den Gesang eines Engels“ von Bernd Alois Zimmermann hat die Geigerin kurzerhand zur Bratsche gewechselt. Ihr Hinweis, dass Zimmermanns Komposition anlässlich des Todes seiner neugeborenen Tochter Barbara entstanden sei, ist wesentlich für das Verständnis dessen, was hier zum Ausdruck gebracht werden soll.

Den ruppig harten Anfangs-Dissonanzen folgen wie zerrissen wirkende Sequenzen, ein Wirrwarr der Gefühle aus Nachdenklichkeit, Wut, Trauer, Aufbegehren und Resignation, verstörend und fesselnd zugleich, so wie Kufferath jede einzelne Regung mit Intensität und Emphase vorzutragen weiß. Vielsagende kurze Pausen unterstützen eine weitere Ausprägung des durchgängig gehaltenen Spannungsbogens. Und wieder steht am Ende ein Bach-Choral. Doch das „Gelobet seist du, Jesus Christ“ kommt zwar eindeutig erkennbar, aber nur zögerlich, verfremdet, mit protestierenden Einwürfen. Ein allenfalls gequältes Gotteslob, dass angesichts eines toten Kindes wohl nur mit großer Überwindung ausgesprochen werden kann. Und in seiner Zerstückelung letztlich als eine Art unvollständiges Puzzle verbleibt.

Griff- und bogentechnische Höchstleistungen sind auch gefordert bei Johann Sebastian Bachs Sonate für Violine solo Nr.3 C-Dur, BWV 1005. Der ruhig ausgeführte Adagio-Kopfsatz bietet einen besinnlichen Kontrast zum vorherigen Werk. Kufferath intoniert blitzsauber, spielt einfühlsam und mit berührender Expressivität. Ihre geigerische Virtuosität demonstriert sie meisterhaft vor allem in der groß angelegten Fuga. Die unzähligen Doppel- und Mehrfachgriffe kommen auch bei akzeleriertem Metrum absolut flüssig. Dabei verblüfft nicht nur die Mehrstimmigkeit, sondern auch die hochgradige Transparenz, bei der jede Fugenstimme hör- und nachvollziehbar bleibt.

Foto 2019 © ZuZanna Specjal

Tatsächlich vergisst man zwischenzeitlich, dass hier nur eine einzelne Violinistin auf der Bühne steht. Jedoch eine, die ihr Handwerk exzellent versteht.

Das Largo kommt kraftvoll, dennoch empfindsam, aber ohne eine Spur von Rührseligkeit. Dann ein energisch angegangener, atemberaubend schneller Schlusssatz, ein Allegro assai, das glatt als Presto durchgehen würde: tänzerisch spritzig und mitreißend swingend, mit rasant gespielten Figurationen und Läufen, bei denen getrost alle vorherige Schwere vergessen werden darf.
Nach frenetischem Beifall verabschiedet sich Kufferath mit einer dann wieder ruhigeren „Hommage à J. S. Bach“ von György Kurtág.

Dr. Gerd Klingeberg, 7. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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