Das Ensemble ArcoIris erfindet den Lieberabend neu 

Ensemble ArcoIris, Lieder und Duette mit Klavier und Klarinette  Lichtwarksaal, Hamburg, 7. April 2025

Foto ©Sarah Puttkammer ©Tabea Malluschke

Paukenschlag-Debüt für das neue Ensemble ArcoIris in Hamburg: Mit einem äußerst lebendigen Liederabend-Kunstwerk im Hamburger Lichtwarksaal begeistern die beiden Sängerinnen und ihre musikalische Begeisterung für Meisterwerke wie die abendliche Uraufführung. Diese anderthalb viel zu kurzen Musikstunden gehörten zu den originellsten und einfallsreichsten Abenden der Hamburger Klassik-Szene! 

Zwischen Traum und Dämmerung
Lieder und Duette mit Klavier und Klarinette

Ensemble ArcoIris

Anna Schote, Sopran
Katharina Schote, Mezzosopran
Anna-Sophia Arnold, Klarinetten
Johannes Opferman, Klavier
Lilli Oeverink, Polylux

Werke von Richard Strauss, Louis Spohr, Alban Berg, George Crumb, Francis Poulenc, Clara Schumann, Lili Boulanger, Emilie Mayer, Martin Letelier, Hermann Reutter, Wolfgang Rihm und Johannes Brahms

Lichtwarksaal, Hamburg, 7. April 2025

von Johannes Karl Fischer

Solch einen lebendigen Liederabend hat die Hamburger Kunstszene schon lange nicht mehr gesehen! Schon das gänzlich durchdachte, einfallsreiche dramaturgische Rahmenprogramm lässt aufhorchen: Ein ganz wenig verwirrt steht das Publikum fünf Minuten vor angekündigtem Konzertbeginn im Foyer vor den verschlossenen Holztüren das Hamburger Lichtwarksaals. Wird da etwa noch geprobt? Hat man sich vielleicht in Raum oder Zeit vertan? Nein, punktgenau zu Konzertbeginn führen einen warm klingenden Klarinettenklänge auf die plüschroten Plätze, selbst die geschlossenen Vorhänge verschmelzen mit der Musik in die musikalische Strauss-Nacht.

Mit einem musikalisch vielseitigen Programm an kurzweiligen Kunstliedern lässt das Kammermusik-Kollektiv ArcoIris diese Musik im neuen Licht erscheinen. Insgesamt 9 Komponisten und drei Komponistinnen stehen auf dem Programm, doch fließen selbst die stilistisch und ästhetisch sehr unterschiedlichen Werke fast schon nahtlos ineinander über wie ein durchdachtes Liederabend-Gesamtkunstwerk. Selbst Alban Bergs emotional intensive, manchmal leicht dissonanten Klänge lassen sich so wohl klingend im Ohr aufnehmen.

Dies lag nicht zuletzt an einer gesanglich souveränen Leistung dieses Ensemble-Debüts. Vor allem Anna Schotes schlagkräftiger Sopran ließ die Emotionen dieser Musik souverän im Saal resonieren, auch Katharina Schotes inniger, doch ebenso gefühlvoller Mezzosopran führte einen durch die vielseitigen musikalischen Betrachtungen der Nacht, übrigens der gemeinsame dramaturgische Nenner des Programms. Wie auf einem wunderbaren musikalischen Abendspaziergang schwebten die Stimmen der beiden Sängerinnen durch das sanfte Sehnen von Clara Schumanns stehenden Romantik-Träumen bis hin zu Wolfgang Rihms packenden, wach schüttelnden Abendgruß.

Bei einem solch spannenden Programm durfte natürlich auch eine gelungene Uraufführung nicht fehlen. Zum Highlight dieses insgesamt höchst originellen Liederabends wurde Martin Leteliers Auftragskomposition „Nacht mit Skorpion“, welche einen mitten im Abschnitt „Schrecken der Nacht“ in die Schuhe des Erzählers hineinversetzte und mit wohl platzierten Klängen regelrecht um sich warf. Man spürte den stockenden Atem in den Klängen des Klaviers, die Musik haute einen wie eine klanglich sehr intensive Träumerei um!

Die Klarinettistin Anna-Sophia Arnold setzte dem musikalischen Programm ein instrumentales Sahnehäubchen oben drauf, insbesondere ihre Darbietung von Ulf Grahns kaum gespielter Meditation für Bassklarinette schwebte nicht weniger gesangsvoll durch den Saal als die sehr zahlreichen Kunstlieder. Die wohl außergewöhnlichste, dennoch im Programmheft auch zurecht erwähnte Rolle des Abends hatte die Dramaturgin Lilli Oeverink, die an einem in die etwas alte Atmosphäre des Saals passenden Polylux kunstvoll die Klänge illustrierte und der musikalischen Darbietung noch einen operninszenatorischen Anstrich gab.

Lektion des Abends: Gute Kunst gibt’s eben auch jenseits der großen Konzerthäuser! Diese anderthalb viel zu kurzen Musikstunden waren weit origineller, einfallsreicher und spannender als so manch eher langatmiger Liederabend in einem vollgestopften Kleinen Elphi-Saal. Ein bisschen abseits des großen Klassik-Trubels einer versteckten Neustadt-Straße, dafür aber unweit des musikalisch ebenso stimmigen Komponistenquartiers. Und Wolfgang Rihm hört man (leider) auch nicht alle Tage.

Zum Abschluss noch einmal eine kleines, aber meisterhaftes Lied namens „Morgen.“ Nun ja, an Richard Strauss kommt eben niemand vorbei. Wird nun morgen auch die Sonne wieder scheinen?

Johannes Karl Fischer, 10. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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