Joel Frederiksen gießt mit seiner Band seine Empfindungen in eine zarte gefühlvolle wahrhaftige musikalische Reise

Ensemble Phoenix Munich, A Place Of Green  Bayerisches Nationalmuseum, München, 9. November 2025

Foto: Das Ensemble Phoenix Munich beim Schlussapplaus © Frank Heublein

A Place Of Green
The First Booke Of Songs von Joel Frederiksen, Teil II

Ensemble Phoenix Munich
Sopran, Laute Emma-Lisa Roux
Viola da Gamba Hille Perl
Sopran, Viola da Gamba Lucine Mesaelian
Perkussion Murat Coşkun
Bass, Laute, Songs, Leitung Joel Frederiksen

Bayerisches Nationalmuseum, München, 9. November 2025

von Frank Heublein

An diesem Sonntagnachmittag führt das Ensemble Phoenix Munich im Mars-Venus-Saal des Bayerischen Nationalmuseums in München das Programm „A Place of Green“ auf. Damit präsentiert das Ensemble den zweiten Teil des First Booke of Songs, komponiert von Ensemble-Leiter Joel Frederiksen. Manchmal schreibt er angepasst für eine bestimmte Stimme, deren Möglichkeiten er kennt. Die er kompositorisch zugleich herausfordert. Doch zugleich bleibt er pragmatisch wie sein Vorbild Thomas Campion. Seine Musik darf und soll in ganz unterschiedlichen Formationen aufgeführt werden können.

Am heutigen Nachmittag sind es zwei Soprane, ein Bass, zwei Lauten, zwei Gamben und Percussion, die sechzehn Lieder des First Booke of Songs von Joel Frederiksen aufführen. Geplant sind einundzwanzig. Die Anzahl richtet sich am Vorbild Thomas Campion und seinem ersten Liederbuch aus.

Joel Frederiksen mit dem Faksimile Thomas Campions First Booke of Songs © Frank Heublein

Mit dem Lied Snow beginnt der Nachmittag behutsam mit einem Duett Frederiksens mit Emma-Lisa Roux. Ihm, der den Schnee immer kannte, offenbart die Frau, die Schnee zum ersten Mal herabflocken sieht, das Wunder der atemlosen Schönheit. Im folgenden A woman’s heart singen die beiden Soprane Lucine Mesaelian und Emma-Lisa Roux mit Joel Frederiksen einige Strophen, eine Ode an sein Vorbild Thomas Campion. Instrumental trennt die Strophen ein geradezu poppiges Zwischenspiel, aus dem sich eine Strophe entwickelt, dass die beiden Gamben Mesaelians und Perls gemeinsam die aktive und fröhliche Weise in ihrer dunklen Klangwärme spiegeln.

Bei Comet – A song for Tim wird der Bass von den Sopranen unterstützt. Ich höre einen modernen Song, sowohl in Komposition als und auch von der instrumentalen Ausführung – nur eben ausgeprägt von barocken Instrumenten. Die Sehnsucht, die aus dieser Komposition spricht, wird mit dieser Zusammenführung von alt und neu verstärkt. Ich, der ich Tim alias Timothy Lee Evans auf der Bühne erleben durfte, spüre die Tiefe, die in der Zeile des verbundenen Freundes liegt: If I sang for you, could I bring you back?  (Wenn ich für dich sänge, könnte ich dich zurückbringen?). Den Song Fix my car kenne ich vom Konzert aus dem letzten Jahr. Heiter strahlend heute im gesungenen Trio mit einem faszinierenden Schlagzeug Solo Murat Coşkuns. Mit wie wenig sichtbarer Bewegung er so viel, so unterschiedlichen, so erlebnisreichen Klang hervorbringt, fasziniert mich sehr.

Einige Songs beschäftigen sich mit vergangener Liebe in Frederiksens Leben. Einen hellen rosanen Moment hält Frederiksen in What Caroline said fest. Die Verzweiflung ob der Trennung lässt ihn gleich fünf Lieder schreiben: The day love died , All gone, Please don’t go mit einmal mehr beeindruckender Harmonik insbesondere am Ende der Strophen, Intervals of love und Run right after you. Die traurigen Lieder sind in zwei Bündel gepackt. Ich assoziiere im Stillen Leonard Cohen. Das mag daran liegen, dass Frederiksen auch ein eigenes Cohen Programm eingespielt hat. Die zarten Lautenmelodien vermitteln mir Sehnsucht und Verzweiflung auf eindrücklich aufrichtige Weise. So modern Frederiksens Lieder angelegt sind, in der Atmosphäre und Stimmung sind sie eng verwandt mit Campions Liedern – auch die habe ich in den Konzerten des Ensemble Phoenix live erleben dürfen.

von links Lucine Mesaelian, Emma-Lisa Roux, Joel Frederiksen, Hille Perl und
Murat Coşkun © Frank Heublein

Im instrumentalen Bird Song meine ich, lauscht die Musik sich selbst. Bei Ana’s song – The sky a strain of blue höre ich Gesangslinien, die in meinem Ohr die interessantesten des Konzerts sind. Stimmen, die zuerst nebeneinander, dann aufeinander zu und zuletzt miteinander singen. Wunderschön. A Place of Green ist ein Lied über Frederiksens Beziehung zum Vater. Einmal mehr fasziniert mich die Rhythmik Coşkuns, Ein spezielles Tamburin mit Kügelchen? Sand? Und einem haltenden Netz darübr entfacht ein Rauschen des Entgleitens. Dazu Schellen, die für mich der Klang der Momente des Erinnerns sind.

Im geplant letzten Song des Nachmittags Carolina Home erklingt einmal mehr die Innigkeit der unerwarteten und tiefen Liebe. Das Gefühl der Ruhe und des Gut-seins-wie-es-ist. Die helle Version der Sehnsucht, die Frederiksen hier eindringlich besingt.

Frederiksens runder wohliger Bass ist heute tastend, seine Stimme birgt starke Aufmerksamkeit und Konzentration, die Stimmung zu treffen. Ich ahne, meine zu spüren, wie wichtig dieses „Stimmung treffen“ ist für ihn als Komponisten, der seine eigene Lebenserfahrung in Lieder gießt. Roux‘ Sopron ist eine Spur heller, wirkt höher als die wärmer klingende Sopranstimme Mesaelians. Die beiden Lauten Frederiksens und Roux‘ spiegeln das Verletzliche der Songs. Die beiden Gamben Hille Perls und Lucine Mesaelian bleiben meist im Hintergrund. Doch die beiden erschaffen wesentlich meine Empfindung des dunkel umwehten Schmerzes. Murat Coşkun hat manchmal Pause, was ich in einer Ecke meines Herzens schade finde, so attraktiv finde ich sein Percussionsspiel.

In der Einführung lädt Joel Frederiksen zur persönlichen Kontaktaufnahme ein. So nah darf man diesem Künstler sein. So im Moment bin ich im Konzert, in dem er seine Empfindungen in eine zarte gefühlvolle musikalische Reise gießt, die ich als verbindende Brücke zwischen den Zeiten verstehe. Die Reise möchte das Publikum nicht ohne Zugabe beenden, erneut klingt das heiterste leichteste Lied des Nachmittags Fix my car.

Frank Heublein, 10. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Wer mag, darf diese musikalische Reise unterstützen, Joel Frederisken und sein Ensemble Phoenix Munich „crowdfunded“, denn es wird immer schwieriger ein Label zu finden, das solche kleine (für mich große) Kunst produziert: https://www.joelfrederiksen.com/support-our-project.

Barockkonzert: Giovanni Felice Sances Regno d’Amore Bayerisches Nationalmuseum, München, 5. Oktober 2025

The Woods so Wild, Ensemble Phoenix Munich Bayerisches Nationalmuseum, München, 15. Mai 2025

Ensemble Phoenix Munich Bayerisches Nationalmuseum, München, 30. März 2025

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert