Foto: © Andy Wenzel
Fest der Freude
Wiener Heldenplatz, 08. Mai 2019
Wiener Symphoniker
Eva Ollikainen Dirigentin
Conchita Gesang
Longfield Gospel Choir
von Anna Ploch
Bereits zum siebenten Mal fand am Wiener Heldenplatz das Fest der Freude statt, das an die Befreiung durch die Alliierten und die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht erinnert. Vor diesem Hintergrund müsste man eigentlich schreiben: Erst zum siebenten Mal fand das Fest der Freude statt.
Als Gegeninitiative zum Gedenken von Burschenschaftern und deutschnationalen Verbänden, die in den 1990er Jahren begannen, vor der Krypta am Heldenplatz Gedenkfeiern für jene Männer abzuhalten, die das nationalsozialistische Terrorregime unterstützten und dafür ihr Leben ließen, wurde das Fest der Freude 2013 vom Mauthausen Komitee erstmals durchgeführt.
Musikalisch wird das Fest von den Wiener Symphonikern begleitet. Ein Gratiskonzert der Extraklasse, auch wenn die Stückauswahl für das ungeübte Ohr nicht unbedingt leicht war. Ein pompöser Auftakt gelingt mit Aaron Coplands „Fanfare for the common man“ aus der 3. Symphonie, 4. Satz. Es ist bereits spürbar mit welcher Leidenschaft und welchem Schwung Eva Ollikainen das Orchester dirigiert. Mit ihr ist erstmals eine Frau beim Fest der Freude am Dirigentenpult zu sehen.
Bei Maurice Ravels „La Valse“ erklingen für das Wiener Publikum vertraute Walzermelodien durchbrochen von Harmonien eines Derwischtanzes. Ravel lässt das Stück in Chaos und Gewalt enden. Dieser Aufbau ist zweifelsohne passend zum Anlass und macht die Wirren des Zweiten Weltkrieges akustisch hörbar. Der ursprüngliche Titel „Wien“ wurde im Nachkriegsfrankreich abgelehnt und durch „La Valse“ ersetzt.
Auch die Musik von Gustav Mahler ist gut gewählt. So meint Eva Ollikainen, dass Mahlers Musik eine Freude versprüht, ohne jemals den Tiefgang zu verlieren. So auch in seiner 5. Symphonie, aus welcher der 5. Satz gespielt wird. Und so wie der 8. Mai zweifelsohne ein Freudentag ist, kann man ihn nicht feiern, ohne sich der vielen Opfer des Nationalsozialismus bewusst zu werden.
Für Tiefgang sorgen auch die Worte der Ehrenredner. Shaul Spielmann, heute 88 Jahre alt, erzählt, wie er von 1942 bis 1945 fünf Konzentrationslager überlebte. Die Grauen in den Lagern, für die österreichische Bevölkerung heute kaum vorzustellen, beschreibt er als „Hölle auf Erden“. Er lebt heute in Israel, wie viele österreichische Juden, die nach Ende des Krieges nicht mehr in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Die damalige Bundesregierung verpasste es, eine Einladung an die vielen Vertriebenen und Geflüchteten auszusprechen. Ein weiteres Versäumnis, das mit der späten Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges in Österreich einhergeht.
Bundespräsident Alexander van der Bellen bezieht in seiner Rede Stellung zum aktuellen Umgang mit Geflüchteten in Europa und mahnt an, dass die Aberkennung des Gemeinsamen die Tür zum Verderben öffne. Zum Schluss zeigt er sich jedoch optimistisch. Am 8. Mai hatte das Gute gesiegt und so wird laut Bundespräsident das Gute immer und immer wieder siegen. Diesen Optimismus hätte man gerne, der Applaus des Publikums hier auch nur zögerlich.
Kritischer die Worte von Daniel Wisser, Träger des österreichischen Buchpreises 2018, die von Moderatorin Katharina Stemberger vorgelesen werden. Den 8. Mai sieht er als Tag, der zur Pflicht zum Widerstand erinnert. Denn das Gefüge der Demokratie wird laut Wisser durch eine große Anzahl von Duldern zerstört, für die jede einzelne Maßnahme zu klein sei, um Widerstand zu leisten.
Es ist bereits Tradition, dass das Fest der Freude mit einer Interpretation von Beethovens Vertonung von Schillers Ode an die Freude aus der 9. Symphonie endet. Diesmal gesungen von ESC-Gewinnerin Conchita mit Unterstützung des Longfield Gospel Choir, der im Publikum verstreut und daher leider nicht zu hören war.
Das ist schade, denn der Chor ist wichtigstes Element der Ode an die Freude und das Stück verliert einiges an Dramatik und Euphorie ohne diese Stimmengewalt. Dennoch ein schöner Gedanke den 8. Mai mit einem positiven Blick in eine friedliche Zukunft zu beenden.
10.000 Besucherinnen und Besucher wohnten dem Fest der Freude bei. Beim Verlassen des Heldenplatzes kommt man nicht umhin, sich an die vielen Fernsehaufnahmen dieses Platzes zu erinnern: Das Begräbnis von Kaiser Franz Joseph 1916. Hitlers Anschlussrede im Jahr 1938. Das Ehrenbegräbnis von Ernst Kirchweger, dem ersten politischen Opfer der zweiten Republik, im Jahr 1965. Und natürlich das Lichtermeer gegen Fremdenfeindlichkeit 1993. Einer der geschichtsträchtigsten Plätze Wiens und zweifelsohne der beste Ort, um das Ende des Zweiten Weltkrieges jährlich zu feiern.
Anna Ploch, 09. Mai 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at