Foto: © Land Salzburg / Neumayr
„Blut auf euren Händen.“ Bei der feierlichen Eröffnung der Salzburger Festspiele 2025 stürmten pro-palästinensische Aktivisten die Bühne der Felsenreitschule. Eine Handvoll Männer und Frauen nutzten die große Bühne, um Samstagmittag auf die humanitären Missstände in Palästina aufmerksam zu machen. Die Kameras des ORF hatten die Aktivisten nur kurz gezeigt. Lautstarke Parolen waren bei der TV-Übertragung zu vernehmen. „Ihr sitzt hier auf euren Reichtümern, wie es eure Großeltern getan haben“, rief eine männliche Stimme während der Rede von Vizekanzler und Kulturminister Andreas Babler (SPÖ). Eine palästinensische Flagge sei zu sehen gewesen und Plakate mit „Free Gaza“, erwähnte der Kommentator.
von Jürgen Pathy
Zu weiteren Zwischenfällen kam es nicht. Ordner und Polizisten haben die Aktivisten friedlich aus dem Saal begleitet. Die Verantwortlichen der Salzburger Festspiele sind in Erklärungsnot, wie es zu dieser Sicherheitslücke kommen konnte. Immerhin war Politprominenz aus dem In- und Ausland vor Ort.
Kunst trifft auf Krise
Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen griff den Protest in seiner Festrede dann auf. An seine Person hatte sich die Kritik ebenfalls gerichtet. Ja, er sei „ein Freund Israels“ und er habe „viele jüdische Freundinnen und Freunde“, betonte Van der Bellen. Dennoch hieße das nicht, dass er alle Maßnahmen der israelischen Regierung gutheiße: „Die Situation in Gaza ist niederschmetternd und in keiner Weise humanitär zu rechtfertigen.“ Ohne relativieren zu wollen, mahnte Van der Bellen aber, dass man den Oktober 2023 nicht vergessen dürfe. Der „schlimmste Pogrom der Nachkriegszeit“ habe in Israel ein „Trauma“ ausgelöst, mit dem nun alle zu tun hätten.
Während die Kameras des ORF Opernregisseur Peter Sellars einfingen, erwähnte Van der Bellen auch den Stellenwert der Kunst. Kunst sei nie neutral, sie habe eine politische Aufgabe, um Machtstrukturen zu hinterfragen. Dafür richtete Van der Bellen ein Dankeschön an alle, die sich dieser „überlebenswichtigen Arbeit“ widmen. Viel lieber würde er sowieso dem Mozarteumorchester zuhören, anstatt eine Rede zu halten.
Musiziert wurde nämlich auch, um auf den Kern der Salzburger Festspiele zurückzukommen. Unter der Leitung des Dirigenten Markus Poschner begleitete das Mozarteumorchester Salzburg den rund 50-minütigen Festakt mit Werken von Beethoven und Mozart.
Zwischen Iran und Israel: Cellist Kian Soltani setzt Zeichen
Dass die Salzburger Festspiele ein Ort sind, der versucht, Völker zu verbinden, bewies Cellist Kian Soltani. Bevor der Österreicher mit iranischen Wurzeln Ernest Blochs „Prayer“ aus dessen Suite „From Jewish Life“ spielte, ließ er auf eigenen Wunsch „The Girl from Shiraz“ erklingen – ein iranisches Musikstück von Reza Vali, womit der Musik zumindest gelang, was die Realität nicht schafft: Israel und den Iran unter einen Nenner zu bringen.

Das ist es, was Salzburg neben der Qualität und der Exklusivität auch auszeichnet. Dass der „Mammon“ eine Rolle spielt, ist bei einem Subventionsanteil von nur rund einem Drittel des Budgets keine Überraschung. Die Kartenpreise sind eine Eintrittshürde, die auch die Exklusivität schützt. Stehplätze im Großen Festspielhaus sind dennoch überfällig und in Zeiten des Großumbaus sicherlich realisierbar. Für die Modernisierung und Erweiterung der Festspielhäuser haben Bund, Land Salzburg sowie Stadt Salzburg am 5. Oktober 2024 ganze 262 Millionen Euro zugesichert.
Trotz solcher Hürden bleibt Salzburg ein Ort, an dem Intendant Markus Hinterhäuser Menschen aller Nationen einen Raum gibt. Araber neben Israelis, Russen neben Ukrainern, Muslime neben Juden – sie alle haben bei den Salzburger Festspielen einen Platz, selbst wenn Machthaber in ihren Heimatländern rote Linien überschreiten.
Hinterhäuser baut auf Musik statt Boykott
Der griechisch-russische Dirigent Teodor Currentzis ist heuer ebenso dabei wie das West-Eastern-Divan Orchestra, in dem Dirigent Daniel Barenboim Araber und Israelis vereint. Damit beweist Intendant Markus Hinterhäuser nicht nur Mut. Er zeigt auch, dass er zum Ende seiner zweiten Amtszeit unbeirrt auf Kontinuität und auf Qualität baut. Während man andernorts gewisse russische Musiker vom Programm gestrichen hatte, setzt Hinterhäuser unermüdlich auf die völkerverständigende Macht der Musik. Diesen Weg wird er wohl weitergehen. Im April 2024 hat das Kuratorium seinen Vertrag bereits ein weiteres Mal um fünf Jahre bis September 2031 verlängert.

Dass Kunst Frieden schaffen könne, ist aber eine romantische Illusion derer, die meinen, man müsse ihr damit eine Legitimation erschaffen. Für mich braucht Kunst sowieso keine Legitimation durch politische Wirksamkeit. Sie darf Zuflucht sein – ein Ort für Schönheit, Freiheit und Hedonismus. Auch oder gerade in Zeiten wie diesen, in denen man sich seiner Privilegien bewusst wird, in einem Land wie Österreich zu leben. Ich finde: Niemandem ist geholfen, wenn wir das Leid der Welt teilen, indem wir uns die reine Freude an der Kunst selbst verbieten.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 27. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at