Titelfoto: Parma, Chiesa di San Francesco del Prato, (c) parmaincomingtravel.com
von Andreas Schmidt
Wer Verdi liebt, der sollte mindestens einmal in seinem Leben zum Festival Verdi nach Parma und Busseto in Norditalien kommen.
In dieser krisengebeutelten und besonders leidgeplagten Region Emilia-Romagna soll vom 24. September bis zum 18. Oktober 2020 das 20. Festival Verdi stattfinden. Es wäre dem wunderbaren Festival und diesem wunderbaren Landstrich zu wünschen… Verdi-Liebhaber hoffen auf das Musikevent im Frühherbst 2020.
Wer diesen weltweit meist gespielten Opernkomponisten, diesen Erschaffer von 27 Opern von unendlicher Schönheit und Magie, in dessen Heimat erleben will, der mache sich auf mit dem Flugzeug nach Mailand, fahre 40 Minuten mit der Bahn in die 1,5-Millionen-Stadt und dann gemütlich eine gute Stunde weiter durch die Po-Ebene in die 197.000-Einwohner-Stadt Parma. Der Flughafen von Bologna wäre eine Alternative.
Parma ist wunderbar: Es hat eine warme, mittelalterlich-frühneuzeitlichen Altstadt mit zauberhaften Kirchen. Es hat wunderbare Restaurants, Bars und Cafés, in denen man zu zivilen Preisen sehr gut essen und trinken kann, auch den original Parma-Schinken und den Parmesan-Käse. Parma hat tolle Geschäfte, wo jeder ein Mitbringsel für seine Liebsten findet – fast immer zu günstigeren Preisen als in Deutschland und Österreich. Und Parma ist noch nicht von Touristen überlaufen. Hier sprechen viele Menschen nur Italienisch – aber die Verständigung klappt trotzdem immer, und sei es mit Händen und Füßen.
Und dieses wunderbare Parma hat zwei Spielhäuser von herausragender Bedeutung: Das Teatro Regio di Parma und das Teatro Farnese. Allein der Charme und die Aura dieser beiden Häuser sind die Reise zehnmal wert: Das Teatro Regio di Parma, 1829 von Maria Luise eingeweiht. Und der Palazzo della Pilotta aus dem 16. Jahrhundert mit dem Teatro Farnese aus dem 17. Jahrhundert. Sehr sehenswert in Parma sind auch das Geburtshaus des Dirigenten Arturo Toscanini mit vielen einmaligen Exponaten aus seinem Leben, das Haus des Klangs, Casa del Suono, sowie das kleine, aber feine Museo dell’Opera.
Teatro Regio di Parma (c)
Die Opernproduktionen im Jahr 2019 waren für jeden Verdi-Liebhaber ein Leckerbissen: I due Foscari, Aida, Luisa Miller und Nabucco.
Die musikalische Leistung des feinfühlig bis kraftvoll singenden Coro del Teatro Regio di Parma war überragend, oft zum Weinen schön, überwältigend. Bravi.
Das war Italianità pur.
Die Filharmonica Arturo Toscanini spielte hervorragend und sehr sensibel. Verdi wird sich im Himmel freuen.
Die Oper – und vor allem der Lokalheld Verdi – sind so zentral für die Identität und Kultur Parmas, dass die Leute allerorten mit der Hingabe und dem Sachverstand darüber debattieren wie sie über das aktuelle Fußballspiel diskutieren. Und die Oper ist bis heute ein Statussymbol: mit der Mitgliedschaft im exklusiven Club dei 27, einer Gruppe von 27 Vereinen, die nach den Opern von Verdi benannt sind, oder in den Logen des Teatro Regio, die wohlhabenden Familien gehören und einen angrenzenden privaten Raum für Unterhaltung während der Pausen bieten.
Die Generaldirektorin des Teatro Regio di Parma, Anna Maria Meo, sagt, dass 58 Prozent der 22.000 Tickets, die im Festivalmonat verkauft wurden, an Opernliebhaber außerhalb von Parma gingen. „Die meisten Gäste kommen aus Deutschland, Nummer 2 ist Österreich“, sagt Donna Meo. „Das Festival Verdi ist ein wesentlicher touristischer Faktor für die Region. Jeder in Kultur investierte Euro wird 2,4-mal verdient.“
Chiesa di San Francesco del Prato, „Luisa Miller“, 19. Oktober 2019
„Luisa Miller“ in der bezaubernden Kirche Chiesa di San Francesco del Prato war ein Abend vor allem für Hörmenschen. Die Akustik ist Weltklasse – weich wie mächtig, für zarte wie für energische Töne geeignet. Diese Kirche ist ein wahres Kulturerbe, es bietet ein Hörerlebnis der Extraklasse.
Ja, auch diese Kirche ist ein Wallfahrtsort für Klassikliebhaber… eine Perle in der Emilia Romagna oder wie man auf Neudeutsch sagt: ein unique selling point.
Was für ein Sound, als der wunderbare Coro des Teatro Comunale di Bologna in Begleitung des gleichnamigen Orchestra sang – Hammer –, für den Chorsänger Andreas Schmidt ein Moment zum Abheben … Maestro concertatore e direttore Roberto Abbado holte aus allen Beteiligten das Maximum heraus und zeigte erneut, das er einer der führenden Verdi-Dirigenten ist.
Die Inszenierung ist hochwertig, großartiges Licht, tolle Kostüme. Die Toiletten- und Versorgungssituation vor der Aufführung und während der Pause war indes Kreisklasse, nicht Weltklasse. Und leider gab es manch Zuschauer, die quatschten und dauerhusteten.
Teatro Giuseppe Verdi di Busseto, „Aida“, Busseto , 18. Oktober 2019
Busseto liegt nur eine halbe Bahnstunde von Parma entfernt, hier lassen sich auch Verdis Geburtshaus in Roncole Verdi und sein Alterssitz Sant’Agata bewundern.
Busseto ist absolut eine Reise wert. DAS Verdi-Städtchen! Hier hat der Meister seine musikalische Ausbildung erhalten. Das Teatro ist schön und heimelig. Die Inszenierung im 300 Plätze zählenden Teatro Giuseppe Verdi di Busseto (40 Kilometer von Parma entfernt), das 1868 mit Verdis „Rigoletto“ eingeweiht wurde, war sehens- und hörenswert. Das Schauspiel war hinreißend, lustig, bunt und turbulent – eine kleine Meisterklasse auf einer kleinen Bühne. Das Orchestra del Teatro Communale di Bologna passte sich im winzigen Graben mit einer sehr guten Leistung dem Bühnenbild und der Inszenierung an.
Der Dirigent Michelangelo Mazza agierte feinfühlig, mit viel Hingabe. Die Sopranistin Burcin Savigne (Aida) ist hervorragend – ebenso die Mezzosopranistin: Maria Ermolaeva (Amneris). Beide Sängerinnen haben viel Potenzial und ein unverwechselbares Timbre. Auch der Tenor Denys Pivnitskyi (Rademès) ist eine Wucht: Was für ein feines Timbre und was für eine Strahlkraft!
Diese Busseto-Aufführung war eine Galaxie besser als jene des Vor-vor-jahres („La Traviata“) – die durch überwiegend schwache Sänger und ein vollkommen einfallsloses Bühnenbild gekennzeichnet gewesen war.
Teatro Regio di Parma, „Nabucco“, 20. Oktober 2019
Was für ein großartiges Werk. Allein die Ouvertüre ist schon eine Sensation: verspielt, schön, gewaltig. Alle Vorspiele sind ebenso wunderbar und richtige Verdi-Meisterwerke.
Die Inszenierung wieder einmal phantastisch, packend, mitreißend. Tolle Lichteffekte, tolle Kostüme. Italianità pur.
Gigantisch gut war der Coro del Teatro Regio di Parma – er sang in allen Stimmen mit Hingabe und Devotion.
Die Filharmonica Arturo Toscanini spielte unter der Leitung von Francesco Ivan Ciampa herausragend schön – kein Wunder bei diesem Maestro, der mit Liebe und Leidenschaft dirigiert und das Werk auswendig kennt.
Wer die Ehre und Gnade hat, in Parma den „Gefangenenchor“ – „Va, pensiero“ – zu hören, verlässt voller Demut das wunderbare Theater… nie habe ich diesen italienischen Nationalchor besser gehört als an diesem Abend im wunderbaren Parma.
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Ja, und zu einem Festival Verdi gehört unbedingt auch der Besuch im Geburtshaus Verdis in Roncole Verdi (in vier Kilometern mit dem Taxi von Busseto aus erreichbar), im Verdi Museum Casa Barezzi in Busseto, wo der Meister von seinem Förderer Antonio Barezzi ab dem zehnten Lebensjahr gefördert und erzogen wurde (Verdi heiratete später dessen Tochter Margherita), und – der absolute Höhepunkt: die Villa Verdi in Sant’Agata, fünf Kilometer von Busseto entfernt (und nur mit dem Taxi zu erreichen, es sei denn, man will an einer Straße entlang laufen).
1848 kaufte Verdi das Landgut als Unterkunft für seine Eltern. Später zogen der Maestro und Giuseppina Strepponi, die später seine zweite Ehefrau wurde, in die Villa. Hier hatte Verdi 1200 Hektar Land und betätigte sich als Bauer, hier legte er einen wunderschönen Park mit Pflanzen und Bäumen aus aller Welt an. Zu sehen sind das Zimmer der Giuseppina Strepponi, Verdis Schlaf- und Arbeitszimmer sowie das Zimmer 157 aus dem Hotel de Milan, wo Verdi am 27. Januar 1901 im Alter von 87 Jahren starb.
Wer diesen Ort besucht, taucht in Verdis Zeit ein. Sein Zylinderhut, sein weißer Schal aus Seide, eine Kopie seines Handabdrucks, das Nachthemd, das er trug, als er einschlief; die alten Sessel, die Stofftapeten, sein Schreibtisch: alles trägt noch die Aura des 19. Jahrhunderts – und ist nicht totsaniert wie die Villa Wahnfried von Richard Wagner in Bayreuth. Zu sehen sind auch Verdis Kutschen sowie im Park die Grabessäule für seinen Hund Lulu.
Ein magischer Ort, dieses Sant’Agata!
Wer Verdi richtig liebt, fährt auch noch nach Milano, besucht das Teatro alla Scala und hält still inne in jenem „Werk“, das Verdi als sein größtes erachtete. Die „Casa Verdi“ (Casa di Riposo per Musicisti). Von einzigartiger Schönheit: Die Grabstätte des Meisters und seiner beiden Ehefrauen.
Zeitonline.de schriebe am 9. Mai 2018: „…. dass hier 60 alte Musiker zusammenleben. Die bis dahin älteste war 105 Jahre, als sie im letzten Jahr verstarb. 15 der hier lebenden Musiker sind schwer krank; die anderen sind in guter Verfassung und verbringen in diesem hohen Alter in vielerlei Hinsicht ihre Tage wie in ihrer Jugend: mit Musik und Gesang.“
Also: Fahren Sie nach Parma und Busseto und Milano! Besuchen Sie das Festival Verdi 2020! Sie werden es nicht bereuen!
Andreas Schmidt, 13. April 2020 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
P.S. Auf den Punkt gebracht: Das waren bärenstarke Verdi-Festpiele 2019!
The Festival Verdi is the place to be for Verdi-lovers. Every Verdi-Lover should go to Parma, Busseto & Milano at least once in his live.
Das Festival Verdi in Parma und Busseto ist DER Ort für Verdi-Liebhaber.
Mehr Verdi geht nicht. Wer Verdi bei seinen Wurzeln hören möchte, der muss in die Emilia Romagna fahren und den Meister dort hören, wo er herkam.
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Geplantes Programm FESTIVAL VERDI 2020:
Teatro Regio di Parma
I LOMBARDI ALLA PRIMA CROCIATA
24 september, 3, 8, 17 october 2020
Teatro Giuseppe Verdi di Busseto
RIGOLETTO
25 september, 2, 4, 10, 16, 18 october 2020
Chiesa di San Francesco del Prato, Parma
MACBETH french version
26 september, 4, 9, 16 october 2020
Teatro Regio di Parma
ERNANI
concert performance
27 september, 1 october 2020