Foto © Elisabeth von Pölnitz-Eisfeld
von Peter Walter
Einer der wichtigsten Leitmotive bei den Festspielen 2023 stammte gar nicht von Richard Wagner selbst. Und hatte auch nie was mit Musik zu tun – zu mindestens nicht direkt. Nein, es geht um eine Skulpturenausstellung. Und das mitten im Festspielpark!
Zur Erinnerung: Noch am 25. Juli grüßten 115 goldene Mini-Wagners das Premierenpublikum auf der Blumenwiese unterhalb des Wolfgang -Wagner-Platzes. Eine bilderbuchreife Ansicht. Doch schon wenige Tage später sorgten die Bayreuther Gartenzwerge für Schlagzeilen. Der Grund: Es wurden immer weniger. Sind die etwa vor dem Valentin-Schwarz-Ring geflüchtet? Oder vielleicht vor dem Kratzer-Tannhäuser? Schmarren, sie wurden geklaut, also quasi entführt. Diebstahl auf dem Festspielhügel!
In einem Interview mit dem Bayreuther Tagblatt sagte Ottmar Hörl, der Künstler hinter dieser eigentlich wunderschönen Aktion, er hätte damit gerechnet, dass die Figuren geklaut werden würden. Wie bitte? Eine Kunstinstallation ohne Diebstahlsicherung? Vielleicht war es ja auch Teil der Kunst, die Skrupellosigkeit der vertragsfreien Menschheit zu offenbaren. Das wäre auch mal etwas. Wagner selbst war ja kein Fan von Verträgen… also alles ganz im Sinne des Komponisten.
Unvermeidlich brach der Tag an, jener Tag, an dem von den ursprünglich 115 Wagner-Gartenzwergen kein einziger mehr im Festspielpark verblieben war. Das ist mittlerweile auch schon einige Wochen her. Eine Zeit lang habe ich mich gefragt, ob die goldenen Mini-Wagners vielleicht den Weg zurück in den Festspielpark genauso schnell wieder finden würden, wie sie geflüchtet waren. Immerhin hat Ottmar Hörl mit dem Verschwinden seiner Kunst fast schon mehr Medienaufmerksamkeit gekriegt als mit der Kunst selbst…
Aber so kam es nicht. Auch am letzten Spieltag blieben alle 115 Mini-Wagners dem Grünen Hügel fern. Kaufen kann man die Figuren übrigens auch, für 90 Euro. Im online-Shop allerdings erst „voraussichtlich ab Oktober 2023“. Und dann ist natürlich auch noch mit „längeren Lieferzeiten“ zu rechnen. Grund: Hohe Nachfrage.
Ottmar Hörl hat mit seinen 115 goldenen Mini-Wagners also gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens: Geniale Kunst geschaffen – die goldenen Skulpturen waren wirklich eine bilderbuchartige Ergänzung der Ansicht mit dem Blumenbeet und dem Festspielhaus. Zweitens hat er Medienaufmerksamkeit gewonnen – für eine nicht-musikalische Aktion bei einem Opernfest alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Und ganz nebenbei hat er natürlich seine Kasse auch noch gefüllt – völlig verdient. Aber halten wir daran fest: Der Gartenzwergdiebstahl war für den Künstler vielmehr eine Überlebensnotwendigkeit als alles andere…
Und das Fazit? Nach der Kratzer-Tannhäuser-Tümpelshow und den diversen Ring-Aktionen vor zwei Jahren ist das Gesamtkunstwerk nun endgültig auch im Festspielpark angekommen. Eigentlich eine tolle Sache, dann kann man diese wunderbare Kunst auch ohne Karte und außerhalb der Aufzug-Zeiten genießen. Wo es wohl als nächstes hingeht? Auf den Luitpoldplatz vielleicht? Oder werden die Villa-Wahnfried-Konzerte bald offiziell ins Festspielprogramm aufgenommen?
Peter Walter, 9. September 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Festspielluft VII: Ehrt eure vielen Meister, dann bannt ihr treue Geister!
Festspielluft VI: Glanz ohne Proben Bayreuther Festspiele 2023
Festspielluft V: (K)ein Sommer ohne Thielemann Bayreuth, 22. Juli 2023