Grafenegg Wolkenturm © Klaus Vyhnalek
2024 ist ein österreichisches Jubiläumsjahr, das völlig durch Anton Bruckners 200. Geburtstag dominiert wird. Dabei droht der Jubiläumstag des tschechischen Komponisten Friedrich Smetanas unterzugehen. Grafenegg hat löblicherweise in einem seiner ersten Konzerte im Jubiläumsjahr diesen Komponisten gewürdigt. Und so nebenbei beging im April Maestro Russell Davies seinen 80er.
BEDŘICH SMETANA «Die Moldau» Symphonische Dichtung Nr. 2 aus dem Zyklus «Mein Vaterland»
PJOTR ILJITSCH TSCHAIKOWSKI Rokoko-Variationen für Violoncello und Orchester op. 33
BEDŘICH SMETANA «Tábor» Symphonische Dichtung Nr. 5 aus dem Zyklus «Mein Vaterland»
BEDŘICH SMETANA «Blaník» Symphonische Dichtung Nr. 6 aus dem Zyklus «Mein Vaterland»
Filharmonie Brno
Julia Hagen, Violoncello
Dennis Russell Davies, Dirigent
Wolkenturm, Grafenegg, 20. Juli 2024
von Herbert Hiess
Eigentlich hätte man das ganze Konzert unter dem Motto „Ma Vlast“ stellen können, doch wollte man offenbar auch solistisch unterwegs sein. Dafür fand man die ausgezeichnete 29-jährige Cellistin Julia Hagen, die nicht nur optisch eine blendende Erscheinung ist, sondern musikalisch locker in der Weltspitze mithalten kann.
An diesem Abend in Grafenegg gaben sie und die Brünner Philharmoniker sowohl Dvořáks „Waldesruh“ als auch die Rokoko-Variationen von Tschaikowskys. Letzteres ist ein Referenzstück für alle Cellisten.
Mstislaw Rostropowitsch spielte diese Piece mehrfach in Wien und hängte da die Latte fast unerreichbar hoch. Julia Hagen überzeugte im Wolkenturm mit einer sympathischen Ausstrahlung und einer exzellenten Souveränität und Musikalität. Dass sie technisch hervorragend ist, versteht sich von selbst. Hier brillierte sie vor allem mit einem wunderschönen und samtigen Ton; die Kantilenen vor allem bei Dvořák waren mehr als berührend. Bei Tschaikowskys Variationen fegte sie durch die Partitur und ließ die schönsten Töne fast bis ans Ende des Cello-Stimmumfangs hören.
Julia Hagen eine Bereicherung – nicht nur fürs Grafenegger Konzertleben.
Durch diese beiden Solostücke musste man (leider!) auf die Teile 1. (Vyšehrad) und 3. (Šárka) verzichten; irgendwie schade, denn diese beiden Teile sind für sich absolut hörenswert.
So ließ man sich von den Brünnern unter Russell Davies durch die vier verbliebenen Teile führen; Smetanas „Die Moldau“ darf da nicht fehlen.
Hier konnte das Orchester mit einer gewissen Brillanz aufwarten. Man fühlte geradezu diesen Fluss am Quellursprung und später anwachsen zu einem gewaltigen Strom; hier beeindruckend die diversen Instrumentengruppen – wenn auch die Balance in der zugegebenermaßen schwierigen Akustik des Wolkenturms manchmal zu wünschen übrig ließ.
Nach der Pause kamen die Teile 4, 5 und 6; leider ließ dann auch die Spannung etwas nach. An diesem Abend herrschte eine fast unerträglich schwüle Hitze und man kann sich vorstellen, dass auch die Musiker des Orchesters da einigermaßen darunter litten. Manchmal fehlte es etwas an Präzision, was vor allem beim Holzbläserchoral im Teil 6 hörbar wurde. Trotzdem führte der Maestro die Musiker zu einem fulminanten Ende.
Und die Musiker und der Dirigent bedankten sich mit Dvořáks „Slawischem Tanz“ op. 72/7 in C-Dur, der die Konzertbesucher beschwingt die Zuschauertribüne verließen ließen.
Auf alle Fälle ein sehr schönes Konzert des Brünner Orchesters, das sicher nicht zur Weltspitze gehört und trotzdem Eindruck hinterließ.
Mag. Herbert Hiess, 21. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at