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Film-Rezension:
Eine faktenreine Filmbiografie ist „Maria“ angesichts einiger künstlerischer Freiheiten nicht. Aber ein Biopic mit einem hohen Anspruch, den die sorgfältige Musikauswahl, eine subtile Kennerschaft von Callas’ Leben und Wirken sowie ein feinsinniger Soundtrack beglaubigen .
Film „Maria“
von Pablo Larraín
Regie: Pablo Larraín, mit Angelina Jolie, Alba Rohrwacher u.a.
Kinostart Deutschland: 6. Februar 2025.
von Kirsten Liese
Butler Ferruccio (Pierfrancesco Favino) rollt nach dem Willen der Diva wie so oft ohne irgendeinen Sinn den Flügel von einem Raum in den anderen, Haushälterin Bruna (Alba Rohrwacher) kümmert sich derweil um das Essen. Dann betritt Maria die Küche. Sie will das Casta Diva aus Norma singen, womit sie einmal Maßstäbe setzte, und Brunas Meinung dazu. Ihr Sopran tönt nicht sehr stabil, unsicher in Höhe und Intonation, nach wenigen Takten versagt ihr die Stimme, aber in ihrem inneren Ohr hört sie die Arie weiter – so wie sie einmal klang, als sie im Zenit ihrer Karriere stand. Danach wird Bruna zu ihrer Freude sagen, dass ihr Gesang hervorragend gewesen sei.
Intimes Kammerspiel
Mit solchen leisen, unspektakulären Szenen beginnt das Biopic „Maria“, dritter Teil einer Trilogie über historische Frauen des 20. Jahrhunderts nach den Porträts über Jackie Kennedy und Lady Diana, intim wie ein Kammerspiel.
Pablo Larraín erzählt von den letzten sieben Tagen im Leben der Primadonna Assoluta, die im September 1977 nach einer vierjährigen Abstinenz von der Bühne erfolglos nach ihrer verlorenen Stimme sucht, bevor im Alter von nur 53 Jahren ihr Herz versagt.
Seine große Verehrung für die Diva wird in jeder Szene spürbar. Er inszeniert sie an schönen Orten, in ihrer feudalen Pariser Wohnung, in surrealen Begegnungen mit Orchestern, Chören und einem imaginären Journalisten, der sie mit einer Filmcrew begleitet und ihr irgendwann seine Liebe erklärt.
Vor allem aber steht und fällt dieser Film mit Angelina Jolie, die sich der Jahrhundertsängerin nicht nur äußerlich so stark anverwandelt wie nur denkbar, sondern auch – und das hätte ich ihr nicht zugetraut – die heikle Herausforderung meistert, bei fast allen Arien selber ein paar Takte zu singen.
Das hätte leicht peinlich werden können, und so wie in einigen Berichten nach der Premiere in Venedig zu lesen, stand Schlimmes zu befürchten, wurde doch fälschlicherweise kolportiert, Jolies Stimme und die der Callas wären technisch „vermischt“ worden. Darunter würde ich mir vorstellen, dass beide Stimmen ineinander verwoben worden seien.
Raffinierter Kunstgriff
Auf ein so heikles Experiment hat sich der chilenische Regisseur zum Glück nicht eingelassen. Er hat die Stimmen nämlich nicht vermischt, sondern miteinander verbunden, und das ist etwas fundamental Anderes. Letztlich singt Jolie nur die gealterte, tablettensüchtige Maria, die nicht mehr gut singen kann, was Sinn macht, da es von der richtigen Callas in diesem desolaten Stadium keine Aufnahmen gibt. Und dann, wenn Jolies Maria an ihre Grenzen kommt und die Stimme versagt, gibt es einen Wechsel auf der Tonspur, von ihr zu Originalaufnahmen der Callas, jeweils an der Nahtstelle leicht überblendet. Darin liegt der raffinierte Kunstgriff, für den eine KI nicht nötig ist.
Abgesehen davon, dass es höchst achtbar ist, wie Jolie nach nur sechs Monaten Gesangsunterricht, den sie für die Rolle investiert hat, die ihr zugedachten Takte meistert, da sind schon ein paar schwierige Passagen darunter, aus den „Puritanern“ oder „Anna Bolena“.
Prächtige Ausstattung
Wie schon gesagt sieht Jolie bei alledem der passionierten Tragödin sehr ähnlich, die berühmten Roben und Frisuren, das Make-up mit dem starken Lidstrich und markante Accessoires, allen voran die große Brille mit den dicken Gläsern, die Callas in reiferen Jahren trug, wurden perfekt nachgebildet. Und auch die übrigen Akteure vor der Kamera gleichen ihren prominenten historischen Vorbildern, Haluk Bilginer (Aristoteles Onassis), Alessandro Bressanello (Ehemann Meneghini), Caspar Phillipson (Präsident John F. Kennedy) und – in einer Minirolle- Suzie Kennedy (Marilyn Monroe).
Schlaglichter auf die Vergangenheit
Auf die belastete Jugend in dem von Nationalsozialisten besetzten Athen in den frühen 1940er Jahren und die leidvolle Liaison mit dem Milliardär Onassis, der die in New York geborene Griechin für die Präsidentenwitwe Jackie Kennedy sitzen ließ, wirft der Film Schlaglichter in schwarzweißen Rückblenden.
Zu einem Häufchen Elend, das Biografen mehrfach in ihr sahen, wird Maria trotz der schwer belasteten Beziehung zur verhassten Mutter und massiven Enttäuschungen in der Liebe jedoch nicht. Jolie wahrt ihr allen Erniedrigungen zum Trotz stets Stolz und Würde.
Das gemeinsame Kind mit Onassis habe sie mitnichten abgetrieben, sagt sie einmal wie zu sich selbst, weil Onassis es von ihr verlangt habe, sondern weil sie kein zweites Ich erschaffen wollte.
Und wenn sie einen enttäuschten Fan, der sich über ihre zahlreichen Absagen von einst beschwert, anfaucht, er habe keine Ahnung von ihrem Beruf, ist sie die „Tigerin“, als die man sie von der Bühne kannte.
Künstlerisch hoher Anspruch
Eine faktenreine Filmbiografie ist „Maria“ angesichts einiger künstlerischer Freiheiten freilich nicht. Aber eine mit einem hohen Anspruch, den die sorgfältige Musikauswahl, eine subtile Kennerschaft von Callas’ Leben und Wirken, sowie ein feinsinniger Soundtrack beglaubigt. Arien, orchestrale Vorspiele und Intermezzi verschiedener Komponisten, teils in arrangierten Fassungen für Klavier solo, gehen da organisch ineinander über wie in einem Pasticcio. Darunter auch eine längere Passage aus dem Vorspiel von Wagners Parsifal, das sich nicht nur seitens der Stimmung gut in die reizvolle Partitur einfügt, sondern noch dazu an die Wagnersängerin Callas erinnert, die Kundry, Isolde und Brünnhilde in italienischer Sprache sang.
Dass sich gerade das „Ave Maria“ aus Verdis Otello, das die Sopranistin nur für die Platte aufnahm, leitmotivisch durch den Film zieht, macht Sinn. Desdemona war die Paraderolle von Renata Tebaldi, die die Presse zur ihrer Rivalin aufbaute. So wie das zärtlich traurige Gebet im Film als Leitmotiv Gewicht erhält, wird erst so richtig bewusst, dass Callas es eigentlich noch bewegender gestaltete als die Kollegin, schmerzlich schön wie nur wenige andere.
Kirsten Liese, 6. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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