Die Zauberflöte als Film: Wahre Opernliebhaber müssen bei The Magic Flute sehr tapfer sein

Film: The Magic Flute, Fantasy-Film-Musical  Arte-Mediathek, 29. Dezember 2024

Mozart drawing Doris Stock 1789

Film-Rezension:

The Magic Flute – Das Vermächtnis der Zauberflöte

Ein Fantasy-Film-Musical nach der Oper von Wolfgang Amadeus Mozart und Emanuel Schikaneder

Regie: Florian Sigl
Musik: Wolfgang Amadeus Mozart und Martin Stock

Eingespielt vom Mozarteumorchester Salzburg unter der Leitung von Leslie Suganandarajah

Deutsche Kino-Erstaufführung am 07. November 2022 im Gärtnerplatztheater München

Fernsehpremiere am 26. Dezember 2024 auf Arte

Arte-Mediathek, 29. Dezember 2024

von Ralf Krüger

In diesem Fall ist Prinz Tamino ein Jüngling. So wie es im Libretto geschrieben steht. Mit bürgerlichem Namen Tim Walker, begleiten wir den jungen Mann auf seiner Bahnreise nach Österreich und später mit Koffern durch eine historische Altstadt, die mächtig an Salzburg erinnert. An der Mozart International School will er Gesang studieren und etwas zurückbringen, was sein inzwischen verstorbener Vater als Student dort einst mitgehen ließ.

Es ist die Partitur von Mozarts Zauberflöte – gebunden in einem prachtvollen Einband. Und als Tim heimlich nachts um 3 dieses Buch in der Bibliothek zurückstellen will, landet er über ein Zeitportal direkt im Handlungsbeginn der Zauberflöte. Als Prinz Tamino, als Jüngling, der um Hilfe ruft…

Wer entscheidet, was gute Musik ist? Fällt Andrea Bocellis Abschiedshymne Time to Say Goodbye noch in die Schublade Klassik oder ist es schon Pop? Und darf der Sohn eines berühmten Tenors seine Leidenschaft als Drummer am Schlagzeug ausleben? Fragen, die an einer Schule, die Mozarts Namen im Titel trägt, eindeutig beantwortet werden. Der Zuschauer und Hörer darf gerne anderer Meinung sein. Und doch kommt er um ein klares Statement nicht herum, wenn er gefragt wird: Ist es zulässig, das Meisterwerk eines Salzburger Genies im Rahmen eines Musicals aufzublättern? Mit einem ständigen Wechsel zwischen dem Hier und Heute und der Zeit, die im Libretto vermerkt ist? Darf man das?

Wahre Opernliebhaber müssen bei The Magic Flute sehr tapfer sein. Die Original-Partitur wurde bearbeitet und gekürzt, gibt aber dadurch dem Film mehr Tempo und Pfiff. Die Stimmen sind brillant – wenn man qualitativ hochwertige Lautsprecher nutzt. An diesem Punkt merkt man, dass der Film fürs Kino und die dort üblichen Sound-Systeme produziert wurde. Ich finde, den Machern des Films ist es gelungen, die von vielen so gefürchtete klassische Musik und die ach so ernste Gattung der Oper in ein heiteres, volkstümliches Format zu wandeln, das generationsübergreifend gefällt und angenommen wird.

Die Arie der Königin der Nacht bleibt trotzdem noch die Arie der Königin der Nacht, auch wenn sie im Film als Grusel-Schocker daherkommt. Sarastro ist ein liebenswerter Kerl, sein Sklavenaufseher nicht und die drei Knaben sind nicht die drei Knaben, sondern drei magische Äuglein, die manchmal durchs Bild wabern.

Der Film ist kein Hollywood-Blockbuster, sondern eine deutsche Produktion, mit weniger Kleingeld im Portemonnaie. Und wahrscheinlich ist sie deshalb auch so angenehm zu verdauen, weil hier nicht die große, sondern eher die kleine und liebenswerte Trickkiste geöffnet wird. Taminos und Paminas Prüfung im Feuer- und Wassertempel darf beim Medium Film etwas nasser daherkommen, aber die August-Everding-Inszenierung an der Staatsoper in Berlin kommt mit ihrem Wellenteppich verdammt nahe an diese Wasserspiele heran.

In Optik und Action sind der Film und die derzeitige Berliner Zauberflöte ähnlich toll unterwegs. Wie viele Damen und Herren mögen es sein, die sich Unter den Linden in die Tierkostüme zwängen, um die Bühne zu bekrabbeln und zu bevölkern? Das ist so wunderschön anzusehen, da kann der Film mit seinen Computer-Animationen nicht mithalten. Doch letztlich verbieten sich solche Vergleiche, aber der kritische Zuschauer tut es doch, denn er möchte begeistert werden, egal, ob er im Theater- oder Kinosessel sitzt!

Die Zauberflöte hat im Laufe ihrer Karriere schon viel erleben müssen. Eine so grandiose Idee, wie diese, hält eine Musical-Verfilmung tapfer aus. Auch wenn ihr durch die starke Rahmenhandlung mal ein bisschen die Show gestohlen wird. Aber gibt es bessere Werbung für ein Stück, das anno 1791 bei Herrn Schikaneder Auf der Wieden in Wien das Licht der Welt erblickte, wenn sich auch mal ein Filmproduzent daran versucht?

The Magic Flute endet mit einer Schulaufführung der Zauberflöte und damit sind Gegenwart und Märchenwelt endgültig vereint. Eine neue Generation hat das Werk studiert und lieben gelernt. Welcher Komponist und welcher Autor würde da nicht jubeln!

Ralf Krüger, 31. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Der Film The Magic Flute – Das Vermächtnis der Zauberflöte ist bis 24. Januar 2025 in der Arte-Mediathek oder über die Arte-App kostenlos abrufbar. Der Soundtrack zum Film ist beim Label Deutsche Grammophon erschienen.

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