„Schön ist die Welt“ in Graz – und darum passt Lehárs Operette hier so wunderbar hin

Franz Lehár, Schön ist die Welt  Oper Graz, 4. Mai 2025

Foto © Werner Kmetitsch

Gespart wurde nicht an Kulissen, Bühnenzauber und Firlefanz. Das Stück spielt in einer angenehmen Zeitblase zwischen Gestern und Heute. Zu erwarten sind musikalische Geniestreiche und eine mitreißende Rumba. Die Oper Graz hat einem Werk Franz Lehárs mit guten Ideen neues Leben eingehaucht.

SCHÖN IST DIE WELT
Operette von Franz Lehár
Libretto von Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda

Uraufführung im Metropol-Theater in Berlin am 3. Dezember 1930
Premiere in der Oper Graz,  22. März 2025

Inszenierung: Florian Kutej
Choreographie: Joe Monaghan

Musikalische Leitung: Stefan Birnhuber
Grazer Philharmoniker

Oper Graz, 4. Mai 2025

von Ralf Krüger

Zwei Königskinder, den Ränkespielen und Hochzeitsplänen ihrer Verwandten überdrüssig, verabreden sich zu einer Bergtour. Sie kennen sich von einer Autopanne her, wissen nichts über den gesellschaftlichen Status des jeweils Anderen. Beide erleben einen Tag voller Ausgelassenheit. Beide erfreuen sich an der Schönheit der Bergwelt Tirols, singen von ihren Plänen im Leben und von der Liebe, an die sie glauben.
Die Suchmeldung nach Prinzessin Elisabeth, die sie durch Zufall in dem kleinen Transistorradio dort oben empfangen können und der anschließende Lawineneinschlag, den beide nur mit Ach und Krach überleben, ändert ihre Gefühlslage schlagartig.

Kronprinz Georg weiß jetzt, dass vor ihm die Frau steht, mit der er vermählt werden soll und Elisabeth will nur noch weg von jenem Ort in den Bergen, an dem sie einen Tag lang so glücklich war. Doch der Weg nach unten ist versperrt. Nur gemeinsam können die jungen Leute dieses Abenteuer bestehen und nur die Liebe zueinander bringt sie von diesem Berg wieder hinunter.

Foto © Werner Kmetitsch

Schon im Vorspiel zum 2. Akt deutet sich an, dass uns Franz Lehár hier auf einen ungewöhnlichen Handlungsort einstimmt. Die Musik ist ruppig und aufbrausend und erinnert in ihrer Dramatik eher an eine tragische Oper als an die Leichtigkeit einer Operette. Partitur und Libretto erreichen gemeinsam ungeahnte Höhen. Alles Komödiantische, alle Sprüche und Floskeln aus dem 1. Akt sind vergessen. Im Fokus, im Spot dieser halben Stunde vor der Pause, stehen nur Elisabeth und Georg allein. Ihre wenigen Dialoge, ihre Arien, ihre langen und intensiven Duette. Nichts stört sie da draußen im Berg. Es gibt nichts, was da nicht hingehört. Ja, schön ist die Welt – wenn dann noch die Liebe die Herzen erreicht.

Graz ist der perfekte Ort für die Aufführung dieser Operette. Das sagt der Berliner als Gast diese Stadt – mit Blick auf das Opernhaus. Hochherrschaftlich von außen anzusehen, um feudalen Glanz und Freizügigkeit im Innern ergänzt. Das Operncafé gegenüber verwöhnt mit den köstlichsten Speisen und der Weg zurück zum Hotel wird gesäumt von keiner einzigen Baustelle. Keiner. Unfassbar, denkt der Berliner, und schreibt: Schön ist die Welt – der Titel des Werkes passt zu Graz, gehört absolut hier hin!

Corina Koller und Richard Samek geben Elisabeth und Georg als derbe Typen in Funktionsklamotten. Beide sind absolut stark und überzeugend in Stimme und Bühnenpräsenz. Ein großartiges Paar in den Titelpartien überzeugt das Publikum mit seiner Kunst.

Als die Grazer Philharmoniker die Ouvertüre intonieren, wähne ich mich einen kurzen Moment lang im Zeitalter historischer Plattenaufnahmen. Die Musik klingt antiquiert, aber der Sound ist üppig. Sind das die Noten aus dem Jahr der Uraufführung, die sie spielen? Vielleicht aber ist mein Hörempfinden nur total perplex und überrascht, endlich mal einen Lehár abseits von Lustiger Witwe und Land des Lächeln zu erleben? Denn die Musik, die dann fast drei Stunden lang den Opernsaal erfüllt, ist weder altbacken, noch langweilig, eher spannend und unterhaltsam.

Dieser unbekannte Lehár ist für mich der Höhepunkt der Inszenierung: Eine Entdeckung wunderbarer Operettenklänge!

Und der Ohrwurm, der bleibt, ist eine Rumba:

„Schön sind lachende Frau’n /
doch sei auf der Hut, sie küssen so heiß, sie küssen so gut…“

Eine Referenz an den Musikgeschmack der ausgehenden Zwanziger, dem sich auch Franz Lehár nicht entziehen konnte.

Da sind wir schon mitten im 3. Akt und im Status der Revue-Operette. Die dünnen Handlungsstränge haben sich längst entwirrt, die Musik drückt auf die Tube, das Ensemble zeigt noch mal, was es drauf hat.

Foto © Werner Kmetitsch

Die Operette als Genre des Musiktheaters bringt dem Publikum meist ein paar entspannte Stunden und wie hier in Graz auch ein Happy-End. Doch liest man den Namen des Librettisten Fritz Löhner-Beda im Programmheft, sollte auch an ein dunkles Kapitel zwischen all dem Glamour erinnert werden.

Der in Böhmen geborene spätere Theaterautor entwarf die Handlung zu vielen der erfolgreichen Operetten von Franz Lehár und Paul Abraham.
Dr. Löhner-Beda wurde auf Grund seiner jüdischen Herkunft im Dezember 1942 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Ohne seine Texte wäre allein der Operetten-Hype in Berlin  zwischen 1928 (Friederike) und 1932 (Ball im Savoy) gar nicht denkbar. Die an der Staatsoperette Dresden 2023 wiederentdeckte Polnische Hochzeit von Joseph Beer war eines der letzten Libretti, die Löhner-Beda entwarf.

So bleibt bei aller Ausgelassenheit doch dieser Wermutstropfen im Glas und die Erkenntnis, dass die Welt der Operette nicht immer nur schön ist.

Ralf Krüger, 5. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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