David Bösch inszeniert düster-zeitlose Liebe, Rache und Vergeltung

Franz Schrekers „Irrelohe“ beim Festival 2022,  Opéra de Lyon 19. März 2022, Premiere

Foto: Irrelohe © Stofleth

Franz Schrekers „Irrelohe“ beim Festival 2022
Opéra de Lyon, 19. März 2022 Premiere

von Patrik Klein

Pandemiebedingt musste das Festival 2020 am Vortage der Premiere abgesagt werden. Über 1000 Zuschauerinnen, hunderte Produktionsmitarbeiterinnen und viel internationale Presse waren darüber zutiefst betrübt. Auch im Folgejahr machte die Pandemie den Planern am Haus einen Strich durch die Rechnung. Doch nun endlich konnten zwei der damals vorgesehenen Opernpremieren zur Aufführung kommen. Verdis „Rigoletto“ und Schrekers „Irrelohe“ standen auf dem Programm. Ergänzt wurde das Duo durch eine weitere Musiktheaterproduktion von Bachs „Trauernacht“ im Théâtre de Célestins in Lyon.

In diesem Jahr kristallisieren sich als Motto Familiengeheimnisse aus diesen drei Produktionen: Familiengeheimnisse mit all ihren Facetten und deren vielfältigen Auswirkungen auf das Musiktheater, die Oper, den Text und die Musik: Ein düsteres Erbe wirkt sich auf die dramatische Handlung des Irrelohe, das Geheimnis einer jungen Frau beeinflusst den Fortgang der Geschichte und das Ende von Rigoletto sowie die Familie eines Toten, die sich in der Trauernacht zum letzten gemeinsamen Mahl zu Ehren des Verstorbenen trifft. Die französische Uraufführung dieses dämonischen Werkes in Lyon hat man dem jungen, 1978 geborenen deutschen Burgtheaterregisseur David Bösch anvertraut. Vom Sprechtheater kommend, inszenierte er seit 2010 auch große Opern an bedeutenden europäischen Häusern. Bösch gilt als genauer Kenner der „entarteten“ Komponisten. In Lyon hatte er bereits 2015 Schrekers bekanntere Oper „Die Gezeichneten“inszeniert.

Mit bissigem Ernst, der Schreker gefallen hätte, inszeniert David Bösch mit seinem Team (Bühne: Falko Herold, Kostüme: Moana Stemberger und Licht: Michael Bauer) die handelnden Charaktere mit den inneren Verletzungen ihrer Seele, ihrer traumatischen Vergangenheiten und ihrer dadurch entstandenen Besessenheit nach Liebe, Rache und Vergeltung. Der Fluch, der seit vielen Generationen auf Irrelohe lastet, lässt die zu Zombies gewordene Gesellschaft ohne Erlösung zurück. Es gibt kein Happy End, sondern nur Tod und Vernichtung – Christobald, Fünkchen, Strahlbusch und Ratzekahl zündeln weiter und brennen im nächsten Projekt nicht nur das Schloss, sondern auch die Oper in Lyon nieder.

Interview des Dirigenten Bernhard Kontarsky

Probentrailer:

 

 

Franz Schreker (1878-1934) schrieb die Musik und das Libretto zu seiner Oper Irrelohe im Jahre 1924. Die Handlung ist der gothic novel von Edgar Allan Poe und E. T. A. Hoffmann nahe, und spielt im 18. Jahrhundert auf Schloss und Dorf Irrelohe, einem imaginären Ort.

Mit Korngold und Zemlinsky gilt der Komponist als Hauptvertreter des Jugendstils in der Musik, dieses ausufernden, dämonischen, stark von Wagner beeinflussten neuen Stils. Als Sohn eines jüdischen Fotografen wurde er 1920 zu einem der Vordenker der Berliner Musikhochschule, dem damaligen Zentrum der Avantgarde der Musikausbildung, das mit berühmten Namen wie Furtwängler, Fritz Busch, Arthur Schnabel, Edwin Fischer und Hermann Scherchen in Verbindung steht. Er bezeichnete sich selbst als Impressionist, Expressionist, Internationalist, Futurist und musikalischer Verist sowie als Jude und durch die Macht des Judentums emporgekommenen, als Christ und von der katholischen Clique unter Patronanz einer erzkatholischen Wiener Fürstin „gemacht“ worden… und ferner als der einzige Nachfolger Wagners, ein Konkurrent von Strauss und Puccini. Sein Aufstieg an die Spitze der Berliner Institution erzürnte die deutschen Rechtsextremen. Seine Opern, die damals populärer waren als die von Richard Strauss, galten den Nationalisten als Beispiel für den Internationalismus in der Kunst. Nach der Machtergreifung durch die Nazis wurde Schreker aller seiner Funktionen enthoben. Auf der Suche nach einem Zufluchtsland versuchte er vergeblich, sich in Wien, Paris und den USA niederzulassen. Er starb am 21.3.1934 in Berlin und wurde auf dem Waldfriedhof in Dahlem beigesetzt.

Die Oper Irrelohe wurde nach einer Ortschaft benannt. Der Komponist reiste nachts mit dem Zug durch die Lande. Mit lauter Stimme rief der Bahnwärter die Bahnstation „Irrloh“ aus und weckte den prominenten Passagier. Abrupt aus dem Schlaf gerissen, schaute Franz Schreker aus dem Abteilfenster und registrierte in seinem Gedächtnis den Namen der Station. Ein paar Tage später hatte er das Libretto zur Oper Irrelohe fertiggestellt. Die Komposition dauerte etwas länger.

Franz Schreker hat sich vom Expressionismus abgewandt und nutzt in seinem Libretto auf naive Weise die Zutaten und Stilmittel der Romantik: Unheilstiftende Nixen, Dämonisierung des Adels, Schlossbrände, Erbflüche, Bruderzwiste und Spielleute beleben die Szene.

Im Gegensatz zu seiner Oper „Die Schatzgräber“ tritt in Irrelohe das Theater wieder herrschend in den Vordergrund. Der allgewaltige Trieb, der hier brutal herrscht und in der Brudermordszene zu irrsinniger Brunst aufgepeitscht wird, ist im Feuer symbolisiert. Das Drama endet diesmal, ganz untypisch für Schreker, nicht mit seligem Sterben, sondern mit der Liebe Sieg über wilde Glut. Es endet mit der Erlösung des unter dem Fluch seines Geschlechts leidenden Grafen Heinrich durch die aufopfernde Liebe einer jungen Frau namens Eva, der Tochter des Försters.

Irrelohe (c) Stofleth

Trotz allem: Das Libretto ist schlüssig und spannend, und der Zuschauer folgt der Handlung mit steigendem Interesse. Die Musik gibt sich klar und verständlich. Sie folgt den dramatischen Situationen und ist von betörender Klangpracht und zudem leicht zugänglich.

Die Oper wurde 1924 in Köln unter Otto Klemperer uraufgeführt und ist ein einzigartiges Werk, in dem die Personen wie in Verdis „Troubadour“ agieren und als Helden dieser „Götterdämmerung“ in den Flammen den Tod finden.

In allen drei Akten auf der Bühne der Oper in Lyon erlebt man die Geschichte um den Grafen Heinrich in einem düsteren, trostlosen und weitgehend abgestorbenen Wald. Die Bäume haben nur noch ihre Stämme, sind blattlos, kraft- und saftlos. Dichter Nebel erzeugt eine unheimliche Stimmung.

Auf Videoleinwänden erzählen Stummfilmanimationen in Schwarzweiß mit Texttafeln in morbider Technik die alte Liebesgeschichte und die daraus erwachsenden Rachegedanken. Wenn die Mühle brennt, angezündet von Christobald, Fünkchen, Strahlbusch und Ratzekahl erscheint dies auf einer Boulevardzeitung auf Seite eins. Eine Liebesszene zwischen Heinrich und Eva, Rachegelüste, Mordgedanken oder Wunschvorstellungen Peters verdeutlichen die Emotionslage und Triebfedern der Protagonisten.

Es gibt wenig Kommunikation. Die Figuren bleiben meist stumm oder reden hinter dem Rücken über den sie alle belastenden Fluch.

Irrelohe (c) Stofleth

Lolas Wirtshaus steht im Wald und ist ein Kiosk mit Zigarettenautomat und angefügter Reklametafel „Irreloher Urpils“. Auf dem Tresen befindet sich ein alter Röhrenfernseher. Das Schloss des Grafen Heinrich droht geheimnisvoll im Hintergrund. In dieser Kulisse spielt sich der Handlungsfaden zwischen Lola, ihrem Sohn Peter und dem zurückkehrenden Ex-Ehemann Christobald ab. Lola hängt der Vergangenheit nach. Sie tut nichts zur Auflösung des Fluchs. Sie lässt auch ihren Sohn im Ungewissen über dessen Herkunft, die er jedoch einfordert.

Zu allen Schandtaten bereit sind die kess-bunt, frivol, sexistisch und mit Flammenwerfer ausgestatteten drei Musikanten Fünkchen, Ratzekahl und Strahlbusch. Der seltsame Kauz und fahrende Spielmann Christobald hat es nicht schwer die drei für seine Rache zu instrumentalisieren.

Eva kann sich zwischen Peter und dem jungen Grafen Heinrich nicht entscheiden. Nimmt sie ihre Kinderliebe oder den einsamen, liebessüchtigen, fluchbeladenen, ihr nachstellenden Heinrich?

Das Schloss des Grafen Heinrich wird aus dem Blickwinkel der Orangerie gezeigt. Die Pflanzen sind abgestorben. Auch in diversen Glasvitrinen befinden sich nur noch die vertrockneten Halme. Als die Gesellschaft in Form von geheimnisvollen Zombies erscheint, mutieren die toten Pflanzen in den Vitrinen zu Leichen der vergewaltigten Frauen der ehemaligen Schlossherren. Später sind es weiße Lilien als Zeichen des Todes. Kann in dieser Umgebung Eva den Werbungen des jungen Heinrich tatsächlich nachgeben? Dennoch nimmt sie seinen Heiratsantrag an.

Bei der Hochzeit vor der Kulisse des Schlosses des Grafen Heinrich gibt es kein Happy End wie bei Schreker eigentlich vorgesehen. Heinrich ersticht seinen Rivalen und Bruder Peter, der den Fluch des gemeinsamen Vaters mit sich trägt. Doch Eva hat sich für Peter entschieden. Sie schneidet sich die Pulsadern auf und sinkt über dem Leichnam Peters nieder. Heinrich bricht tot zusammen. Der Fluch kann nicht mehr weitergegeben werden. Das Schloss Irrelohe brennt. Auf der Videoleinwand brennt die Opéra de Lyon.

Schreker hat eine sinnliche, vor keinem prallen Theatereffekt zurückschreckende Musik komponiert. Er nähert sich hier deutlicher der Moderne als in seinen früheren Werken, mischt viele Reibungen in den spätromantisch-opulenten Klang, zeigt Brüche und Entsetzen durch atonale Einschübe. Bernhard Kontarsky, der mittlerweile 85-jährige Pianist und sehr erfahrene deutsche Dirigent wirft sich am Pult des Orchesters der Opéra de Lyon in die wilden Triebe, die Schreker musikalisch nachempfindet. Aber er nimmt sich auch zurück, entwickelt Momente kammermusikalischer Raffinesse, zeigt, was für eine Vielfalt in dieser Oper steckt. Oft erinnert sie in ihrer erzählerischen Dramatik an Kino-Soundtracks der frühen Dekaden des 20. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu Wagner und seiner Leitmotivtechnik komponiert Schreker situativ, packend, direkt, ohne zu kommentieren oder in die Zukunft zu schauen.

Die Partitur ist geradezu gigantisch, schwer entzifferbar und überfrachtet mit ausgetüftelten Regieanweisungen des Komponisten. Die Musik erscheint gar monströs. Manche Streicherpassagen sind eigentlich kaum mehr spielbar und auch die Sänger geraten an ihre Grenzen. Obwohl die Protagonisten überaus gut disponiert waren, hatten sie gelegentlich Mühe, sich gegen das in jeder Hinsicht großartig aufspielende Orchester der Opéra de Lyon durchzusetzen. Dazu eine höchst ungewöhnliche Besetzung im Orchestergraben mit starker Blechbläserschaft, allein einem Dutzend Schlagzeugern, Gitarren, Mandolinen, Harfen und sogar einem Cembalo.

Wagnerstimmen sind gefragt, um diese Oper auf die Bühne zu wuchten, Sänger, die große Kraft und Kondition mit der Fähigkeit zu lyrischen Zwischentönen verbinden. Der jungen kanadischen Sopranistin Ambur Braid, Ensemblemitglied an der Frankfurter Oper und dort betraut mit Rollen wie u.a. Norma und Salome,  gelingt als Eva das faszinierende Porträt einer Frau, die keinesfalls nur handlungsunfähiges Opfer einer irre gewordenen Männerwelt ist. Sie reizt Peter und den Grafen Heinrich, will von beiden begehrt werden, spielt mit dem Feuer und weiß um diese Gefahr.

Mit leidendem, fein phrasiertem und variablen Edelbariton verkörpert der deutsche Julian Orlishausen, Mitglied des Ensembles in Darmstadt und häufiger Gast in Leipzig mit Rollen wie den Heerrufer aus Lohengrin,  den unehelichen Peter, dem aus Hilflosigkeit brutalen Außenseiter, in dem viel von Bergs Wozzeck steckt.

Tobias Hächler gestaltet den einsamen und liebessehnsüchtigen Graf Heinrich mit viel Schmelz, Kraft aber auch nuancierter Feinheit. Der junge schweizer Tenor, der zunächst als Bariton in Basel und später als Tenor in Kassel startete, entwickelte sich zum jugendlichen Heldentenor und war damit eine ideale Besetzung für den Nachsteller der Förstertochter Eva.

Mit dem Polen Piotr Miciński als Förster und Vater der im Zentrum stehenden Eva, Lioba Braun als der ehemals vom alten Grafen vergewaltigten Gastwirtin, Michael Gniffke als Christobald als Anführer der rachelüstigen Brandstifter Fünkchen (Peter Kirk), Strahlbusch (Romanos Kudriasovas), Ratzekahl (Barnaby Rea), Pfarrer (Kwang Soun Kim), Müller (Paul-Henry Vila),  Anselmus (Antoine Saint-Esprès) und  Lakai (Didier Roussel) waren die weiteren Rollen dieses Musiktheaterabends äußerst komfortabel besetzt.

Applausbild Regieteam (c) Patrik Klein

Und so gelang der Opéra de Lyon ein aufregender Abend gespickt mit opulenten Klängen, einem Fest ausschweifenden Gesangs, expressionistischem Spektakel, einer Mischung aus Märchen und Melodram, Kitsch und Kirmes eingehüllt in Düsterheit und Tristesse.

Der Chor der Opéra de Lyon, einstudiert von Benedict Kearns, der praktisch zwei Premieren gleichzeitig absolvieren musste, glänzte wieder einmal durch bestechende Präzision und Spielfreude.

Applausbild 85jähriger Dirigent Bernhard Kontarsky (c)Patrik Klein

Der deutsche Dirigent Bernhard Kontarsky, der bereits viel Erfahrung sammelte an den Opernhäusern in Stuttgart, Bonn, Dortmund, Berlin und Paris, hält dieses komplexe Werk mit Energie und Feinfühligkeit musikalisch höchst aufregend zusammen.

Das Premierenpublikum erschien zunächst geschockt von dem unerwarteten Ende der Geschichte. Schließlich gab es aber verdiente Zustimmung und Riesenapplaus für alle Beteiligten an dieser Produktion.

Patrik Klein, 23. März 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Die Handlung (zum besseren Verständnis der Uminszenierung des Schlusses)

  1. Akt:

Auf dem Schloss Irrelohe lastet ein Fluch: Das Geschlecht derer von Irrelohe entstammt der Verbindung eines verrückten Mannes mit einem weiblichen Wassergeist. Aus diesem Fluch kommt im Leben eines jeden Grafen Irrelohe der Tag, an dem er entflammt von Wahnsinn  eine Frau vergewaltigt und danach umnachtet stirbt. Auch der alte Graf hat so an seinem Hochzeitstag vor dreißig Jahren ein Mädchen aus dem Dorf vergewaltigt und ist dem Wahnsinn verfallen. Sein Sohn, der junge Graf Heinrich, lebt nur in der Welt der Bücher und verlässt das Schloss kaum.

Lola war jung und schön. Viele Verehrer bemühten sich um sie, doch Lola ließ sie zappeln. Einem schenkte sie jedoch Gehör und wollte ihn heiraten. Am Tage ihrer Hochzeit kam ein anderer, der fragte erst nicht, sondern nahm sich mit Gewalt, was ihm gefiel – und gefallen hat ihm Lola. Nun sitzt Lola in ihrer Schenke, die sie mit Erinnerungsstücken aus der Vergangenheit ausgestattet hat. Als Blickfang durch das große Fenster im Hintergrund des Lokales bietet sich dem Besucher das Schloss „Irrelohe“ das architektonische Kleinod des Dorfes. Mit der Geschichte dieses Schlosses fühlt sich Lola auf seltsame Weise verbunden. Peter liebt es nicht, wenn die Gedanken der Mutter sich ständig mit diesem Thema beschäftigen. Aber Peter will mehr wissen. Was hat die Mutter mit der ganzen Sache zu tun? Vor allem, wer ist sein Vater? Die Eva, des Försters Töchterlein, will nichts von ihm wissen, weil er keinen Erzeuger vorweisen kann. Morgen wird die Mutter ihm den Namen nennen.

Christobald ist ein fahrender Spielmann. Mit einer Feder am Hut und einer Fidel unter dem Arm betritt er Lolas Gaststätte. Geld hat er keines, aber ein Gläschen Landwein gibt es zur Begrüßung umsonst. Der Alte will wissen, dass auf dem Schloss bald Hochzeit gefeiert wird. Er hat davon geträumt, und seine Träume werden wahr, behauptet der seltsame Kauz. Nun, wenn das so ist, kann er doch mit seiner Fidel auf der Hochzeit erscheinen und zum Tanz aufspielen, meint Peter dazu. Der Besucher hatte ihn merkwürdig angestarrt, als ob sich die beiden schon einmal begegnet seien. Dem Alten geht es wie Lola. Auch ihn lassen die Erinnerungen nicht los, auch er verspürt eine seltsame Bindung zum Schloss. Ein Gläschen Alkohol reicht aus und der Alte plaudert über Dinge, die er besser für sich behalten würde:

Die Grafen von „Irrelohe“ sind vom Schicksal dazu verurteilt, junge Bräute zu entehren. Sie warten, bis die Hochzeitsglocken läuten, und während das Volk tanzt und fröhlich ist, kommt der Herr Graf mit seinem Pferd angeritten, stürzt sich mit hochrotem Kopf auf die Braut und bemächtigt sich des verdutzten Mädchens an Ort und Stelle.

Christobald weiß, wovon er redet, denn sein Schicksal hat sich so zugetragen, und als es passierte, ist er passiv geblieben, hat feige die Flucht ergriffen und sein Mädchen im Stich gelassen. Will Peter wissen, wer seine Braut war? Die rote Lola! Peter reicht es. Die Mutter kommt herbeigestürzt und will die Ursache ergründen. Nach langer Zeit der Trennung erkennt man sich wieder. Der Christl sieht ganz schön alt aus, stellt Lola an ihrer einstigen Liebe fest. Man beschnuppert sich und geht ins Nebenzimmer. Eva rüttelt an der Tür. Peter soll aufmachen, sie hereinlassen und dann die Tür gleich wieder verschließen. Ein Kerl ist hinter ihr her, schon seit Tagen. Gewiss ist es Graf Heinrich. Hat er ihr schon die Kleider vom Leib gerissen und sie zu Boden geworfen? Nein, so weit ist es noch nicht gekommen. Jedoch hat sein Blick ganz irre geflackert und sein Keuchen hat sie gehört, wie er hinter ihr hergelaufen ist, aber sie hatte die flinkeren Beine. Peter soll ihn nicht gleich umbringen, vielleicht kann der Unglückliche für seinen Trieb nichts und leidet eventuell sogar darunter.
Ähnlichkeiten im Wesen mit Peter hat sie auch schon festgestellt. Jetzt bleibt dem verzweifelten Peter nur noch der Selbstmord!

  1. Akt: Der Pfarrer begegnet dem Müller an der Wegkreuzung und lobt das prächtige Korn, welches er geladen hat. – Malen kann er es leider nicht mehr. Die Mühle ist in der Nacht einem Brand zum Opfer gefallen. Jedes Jahr am 13. Juli brennt in dem Ort ein Gebäude ab. Es ist wie verhext. Die Brandstifter sind Fünkchen, Strahlbusch und Ratzekahl, drei Vagabunden auf der Durchreise, die der Jugend auf der Tenne zum Tanz aufspielen. Zu ihnen gesellt sich noch ein Vierter; es ist Bruder Christobald. Er ist der große Meister und angefüllt mit wildem Grimm. Es geht nicht um Geld, es geht um die Ehre. Gestern die Mühle und heute Nacht wird das Schloss an die Reihe kommen. Fachwerk brennt gut! Wenn es ihm nach ginge, stünde bald die ganze Welt in Flammen. Eva hatte sich hinter dem Wegkreuz versteckt und die wilden Gesellen belauscht. Der Herr Graf ist in Gefahr und ahnt es nicht einmal. Sie muss sofort zum Schloss eilen und ihn warnen. Der Christl soll es lassen. Lola ist gegen den Plan. Was geschah, ist lang her, und der junge Graf Heinrich kann nichts für die Schuld seines Vaters. Doch Christobald meint, nur Feuer könne die Schmach wegfressen, die man beiden angetan hat. Es ist sein Traum seit dreißig Jahren, den Herrensitz anzuzünden. Er wird nicht noch einmal feige sein. Anselmus, der Diener des Grafen, soll Eva ein Briefchen und einen Blumenstrauß zustellen. Durchlaucht möchte, dass sie zu einer Aussprache ins Schloss kommt. In einem Monolog erklärt Heinrich seine Ängste, seine Einsamkeit und seine Lebenserwartungen. Er ist es leid, schweigend zu dulden und von der Welt ausgesperrt zu sein. Er sehnt sich nach Glück und Liebe. Eine irre Lohe kann kommen und seinetwegen alles niederbrennen. Auf Schlossgespenster kann er gern verzichten. Eva ist ihrer Eingebung gefolgt und ins Schloss geeilt, um Heinrich zu warnen. Dieser ist über den Besuch entzückt, plündert die Vasen und streut die Blumen im Halbkreis um Eva. Artig entschuldigt er sich, falls er sie in seinem Ungestüm letzten Abend erschreckt haben sollte. Was nun folgt, ist das große Liebesduett zwischen dem Herrn Grafen und der Försterstochter. An Intensität reicht es an die Leidenschaft, die einst Tristan und Isolde ergriff, ohne weiteres heran. Es endet damit, dass sich sehnend Mund zu Mund findet. Die Tür stand offen, und überraschend taucht Christobald auf. Er fragt nach dem Hochzeitstermin und ob er zum Tanz aufspielen darf. Er wird auch für ein prächtiges Feuerwerk sorgen, doch Eva warnt. Anselmus kommt unverrichteter Dinge zurück. Zu seiner Verwunderung wird ihm die neue Schlossherrin vorgestellt. Was wird Peter dazu sagen?
  2. Akt: Peter ist nicht in Stimmung, hat Kopfschmerzen, und die Mutter muss ihn aufmuntern. Eva befindet sich in der Verlegenheit, die Entwicklung der aktuellen Situation zu erklären. War es nicht so, dass sie beide von Kindheit an nur Gespielen waren? Gut, ein bisschen Liebe war auch vorhanden. Aber so richtig geknistert hat es nicht. Peter sieht die Sache völlig anders. Das Feuer der Liebe hat in seinem Innern gelodert, nur hat er sich mühsam beherrscht. Er warnt Eva nachdrücklich, auf keinen Fall soll sie zur Tenne gehen und mit Heinrich tanzen. Doch Eva ist nicht geneigt, sich nötigen zu lassen und erklärt, dass Heinrich ihr Mann sein wird. Förster und Pfarrer sind innerlich tief beunruhigt. Heute sollen Heinrich und Eva miteinander vermählt werden. In Festtracht und mit zahlreichen Blumensträußen erscheinen die Dörfler zum Gottesdienst. Jeder kennt den Fluch, der auf den Herren von „Irrelohe“ lastet. Genau dreißig Jahre ist es her, dass Peters Mutter Böses angetan wurde. Das Verbrechen blieb bis heute ungesühnt. Unheil liegt in der Luft. Die Trauung in der Kirche ist vollzogen. Hoch lebe Graf Heinrich und die Gräfin Eva. Wie es Brauch ist, soll nun der Hochzeitsreigen getanzt werden. Die Musik erklingt bereits. Auch Lola ist auf dem Kirchplatz erschienen und singt ihr bekanntes Liedchen: Einst war ich jung einst war ich schön. Christobald wird von der Erinnerung an die Vergangenheit überwältigt und musiziert immer hektischer. Das Spiel des Musikanten und das Lied der Mutter machen Peter rasend. Auch in ihm fließt das Blut der Grafen von „Irrelohe“, mit seiner Beherrschung ist er am Ende. Peter erklärt dem Grafen, dass er sein Bruder sei und der gemeinsame Vater in der Hölle schmore. Die Situation eskaliert, Peter erfasst maßlose Begierde und gerät verbal außer Kontrolle. Der Förster versucht vergeblich, den Rasenden zu beruhigen. Heinrich ist ohne Waffe, niemand hilft ihm, kampfsporterprobt erwürgt er den hitzigen Nebenbuhler Peter mit bloßen Händen. – Lola weint und Eva ist verstört. „Irrelohe“ steht in Flammen. Christobald und seine Zündler haben ganze Arbeit geleistet. Man betrachtet das prächtige Schauspiel und hofft, dass der Fluch, der über dem Dorf lastet, damit ein Ende gefunden hat. Eva und Heinrich gehen einem neuen Anfang entgegen.

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