Die Kirche St. Joseph kurz vor Beginn der Aufführung © Frank Heublein
Schuberts Unvollendete beginnt düster dunkel und endet hell zuversichtlich. Die Messe in As-Dur ist ein choraler Sturm, doch Schubert wendet die musikalische Dramatik vom Aufgewühlten in ein Ende voller nachdenklicher Ruhe. Die Aufführenden um den musikalischen Leiter Thomas Scherbel nehmen mich mit auf eine eindrückliche klanglich ausgeprägt gefühlstiefe und Bilder erzeugende Reise.
Franz Schubert (1797 – 1828)
Symphonie in h-Moll, D 759 „Unvollendete“
Messe in As-Dur D 678
Sopran Monika Lichtenegger
Alt Regine Jurda
Tenor Christian Sturm
Bass Timo Janzen
Joseph Chor München
Vokalensemble St. Joseph
Freies Landesorchester München
Thomas Scherbel, Leitung
Kirche St. Joseph, München, 16. November 2025
von Frank Heublein
An diesem Sonntagabend erklingen in der Kirche St. Joseph im Münchner Stadtviertel Maxvorstadt zwei Werke Franz Schuberts. Auf die Symphonie in h-Moll, D 759 die „Unvollendete“, folgt Schuberts fünfte Messe in As-Dur D 678. An beide Werke hat Schubert in der zweiten Hälfte des Jahres 1822 letzte Hand angelegt. Doch während er die Messe im November 1822 vollendet, an der er seit November 1819 arbeitete, blieb die Symphonie von da an unvollendet in der Schublade liegen. Warum? Es gibt unterschiedliche Annahmen, die sich allerdings aus Schuberts Aufzeichnungen weder stützen noch widerlegen lassen.
Der Anfang der Unvollendeten, die ersten Takte des Allegro moderato des ersten Satzes lassen mich an Goethes Erlkönig denken. Meine Assoziation ist eine impulsive. Dunkel treibend die Streicher als Erlkönig, hell erhebt sich die Flöte wie der Sohn aus Goethes Gedicht. Im Bild bleibend wären die Hörner der Vater. Die Hörner strahlen Zuversicht aus. Doch damit endet auch schon die Passung meines Impulses. Denn im Verlauf des Satzes traut sich das helle warme lebenszugewandte Holz aus der Deckung und stellt sich mutig gegen die dunkle bedrohliche Streichermacht.
Der zweite Satz im Andante con moto setzt die Ermutigung fort. Von Klarinette zur Oboe zur Flöte steigert sich mein Vertrauen und Glaube an das siegende Helle. Doch nichts da! Schlagartig verdunkeln die Streicher meine Stimmung. Am Ende des Satzes vereinen sich die Strömungen über die solistische nachdenkende Geige. So endet dieser zweite Satz des symphonischen Fragments hoffnungsvoll.
Dirigent Thomas Scherbel findet überzeugende Tempi, lässt vom ersten Ton an meine Fantasie fliegen. Erzeugt mit dem Freien Landesorchester München einen Klang, der in der weihrauchschwangeren eher kühlen Kirche mein Inneres wärmt.

Schuberts Messe in As-Dur ist eine Herausforderung für den Chor. Das Vokalensemble St. Joseph beweist Ausdauer und dynamische Stärke. Mal im drängend aufgewühlten Forte, mal im ergreifend warmen Piano. Nicht die Solisten stehen im musikalischen Zentrum, sondern der Chor. Im Credo gibt es eine anspruchsvolle tonal gleitende Passage, die der Chor sehr gut meistert.
Meist steht dem wuchtigen Chor die Solistenriege als ein Quartett musikalisch gegenüber. Einzig der Sopran hat einige wenige solistische Stellen. Sopran Monika Lichtenegger beginnt eher zurückhaltend, doch jederzeit klar. Im Agnus Dei lässt sie ihre Stimme strahlen. Alt Regine Jurda singt entschlossen und warm. Tenor Christian Sturm lässt zusammen mit den beiden Frauenstimmen im Benedictus das Trio zum Hörerlebnis werden. Jede der drei Stimmen höre ich einzeln aus einem großartig intonierten Gesamtklang heraus. Wunderbar. Exzellente Passung. Bass Timo Janzen hat die beständige Kraft, dem Quartett eine sichere Basis zu geben.

Interessant ist die tonale Dramatik, die Schubert dem Werk verleiht. Überraschend, denn er lenkt von der anfangs wuchtig aufgewühlten Stimmung ins abschließende Agnus Dei, das mit dem Solistenquartett schon verhalten beginnt. Der Chor singt das Miserere gedämpft. Nachdenklich, ruhig und verhalten verklingt diese Messe. Nicht der zornige wuchtige alttestamentarische Gott, sondern eher seine vergebende warmherzige Seite des neuen Testaments scheint in diesem Schluss auf.

Das Freie Landesorchester München unter Thomas Scherbel ist gut abgestimmt mit Chor und Solisten. Jederzeit unter den Stimmen, was in dieser Messe konzentrierte zugewandte Aufmerksamkeit erfordert. In den wuchtigen Chormomenten musikalisch starker hörbarer zweiter Pol, der zusätzlich die musikalische Emotion einen entscheidenden Tick mehr für mich nuanciert.
Die Aufführenden um den musikalischen Leiter Thomas Scherbel nehmen mich mit auf eine eindrückliche klanglich ausgeprägt gefühlstiefe und Bilder erzeugende Reise.
Frank Heublein, 17. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at