Frauenklang 16: Wo Fanny Elssler ihren Fuß im Tanz hinsetzte, verbreitete sie Freude und das Gute unter den Menschen

Frauenklang 16: Buchbesprechung Fanny Elssler  in America  klassik-begeistert.de, 3. Dezember 2025


Buchbesprechung:

Welcome Fanny! A Viennese dances around the world. Fanny Elssler in America, von Toni Berlakovich (ed.)

Freie und sinngemäße Übersetzung fremdsprachigen Quellen: Dr. Ursula Szynkariuk

Übersetzung: Carl Terry, Shay Swanson, Mag. Gabriele Lajtos

ISBN 978-3-200-03255-2

Dieses Sammelwerk hat man 2013 in Wien anlässlich des 200. Geburtstags der Tänzerin veröffentlicht. Ein Jahr später haben die Verfasser dieses Buchs die FANNY ELSSLER SOCIETY gegründet, dessen Ziel sei ,,dem Wirken Fanny Elsslers zu stärkerer Beachtung und Bedeutung zu verhelfen, ihr Wirken lebendig werden zu lassen und wieder in ein allgemeines Bewusstsein zu rücken“.

von Jolanta Łada-Zielke

Wunderschöne Reproduktionen von Fotografien, Plakaten und Abbildungen der Presseberichte machen dieses Buch zu einem wahren Lesegenuss. Im Mittelpunkt steht zwar der Aufenthalt der berühmten Tänzerin auf dem neuen Kontinent, doch schildern die Autoren auch die anderen Abschnitte ihres Lebens.

Nachdem ich diese Lektüre gelesen habe, bin ich stark beeindruckt: Was für eine Frau! Welch tiefgreifenden Einfluss übte sie auf Menschen aus! Aufgrund ihrer Auftritte hat man sogar die Sitzungen eines Parlamentsbüros verschoben. Nach einer ihrer Aufführungen in Baltimore spannten die Verehrer die Pferde von ihrer Kutsche aus  und zogen sie selbst gemeinsam zu dem Hotel, in dem sie wohnte.

Es gab musikalische Hintergründe in Fanny Elsslers Familie: Ihr Großvater war ein Diener Joseph Haydns am Hofe des Fürsten Esterházy in Eisenstadt, und ihr Vater Notenkopist sowie ein enger Freund des Komponisten. Das Mädchen durchlief eine strenge Ballettausbildung in Wien und anschließend eine noch härtere Lebensschule in Neapel. Doch sie war stets zielstrebig und zeichnete sich durch Willensstärke und Warmherzigkeit aus. Nicht umsonst wurde sie „Lächeln ihres Jahrhunderts“ genannt.

Fanny Elssler tanzt die Cachucha, 1842 © Wikipedia

Innerhalb des damals noch jungen romantisch-klassischen Balletts entwickelte Fanny ihren eigenen Tanzstil. Dieser zeichnete sich durch Virtuosität, Eleganz und fließende Bewegungen aus, aber auch durch Natürlichkeit und den angemessenen Einsatz von Gestik und Mimik. Die Wiener Tänzerin präsentierte ihre originellen Programme in sorgfältig ausgewählten Kostümen, in denen die zeitgenössischen Porträtisten sie verewigten. Ihre innere Schönheit spiegelte sich auch im Äußeren wider.

Die Autoren zitieren einige Briefe von Kathi Prinsters, Fannys Cousine, die sie nach Amerika begleitete. Darin beschrieb sie ihrem Vater die Seereise in die Staaten (einschließlich eines Sturms), Fannys Auftritte und die begeisterten Reaktionen des Publikums. Amerika, damals so weit von Europa entfernt und noch immer fast exotisch, empfing die Wiener Tänzerin mit offenen Armen und wollte sie nicht mehr gehen lassen; dies waren die Symptome des so genannten Fannytismus“, der sich schnell verbreitete.  Das Buch enthält einige brillante Anekdoten, etwa wie Papst Pius IX. die Tatsache kommentierte, dass das römische Volk der Tänzerin ein Diadem im Wert von 12.000 Lire schenken wollte.

Fannys Repertoire enthielt Volkstänze verschiedener Länder, wobei sie ihre folkloristischen Elemente betonte. Sie hat sogar einen so genannten „Negertanz“ geschaffen, um eine schwarze Familie für 3.000 Piaster aus der Sklaverei abzukaufen und ihr einen Neuanfang zu ermöglichen. Eine Frau, eine Ausländerin unternahm also den ersten Schritt zur Abschaffung der Sklaverei, etwa 20 Jahre vor dem Bürgerkrieg in den USA!

Die Ballerina inspirierte die Dekorateure (heute würde man sagen: Designer) ihrer Zeit, die verschiedene Gadgets mit ihrem Bildnis herstellten. Die Archäologin Dr. Christine Neugebauer-Maresch benannte eine bei einer Ausgrabung entdeckte steinzeitliche Statuette einer Tänzerin „Fanny – Venus von Galgenberg“.

La Cracovienne – Krakowiak

Fannys meist aufgeführter und von ihren Verehrern erwarteter Tanz war die Cachucha, vor allem aus dem Ballett „Le diable boiteux“, in dem die Tänzerin 1836 in Paris als Florinda erste große Erfolge feierte. Besonders genossen habe ich jedoch die Abschnitte des Buches über die Cracovienne (Krakowiak), den Tanz aus meiner Heimatstadt. Er ist Bestandteil des Balletts „La Gipsy“ mit der Choreographie von Joseph Mazillier. Fanny führte ihn aber auch zum Abschluss ihrer anderen Vorstellungen auf. Ihre Cracovienne rettete die Premiere von „La Sylphide“ in Havanna (1841), die aufgrund der Inkompetenz ihrer Bühnenpartnerinnen beinahe gescheitert wäre.

Die erste Seite von Krakowiak in der Bearbeitung von Friedrich Burgmüller
© Musikabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek (digital)

Friedrich Burgmüller (1806–1874), ein in Paris lebender deutscher Komponist, arrangierte diesen Krakowiak für Klavier. Zu seinem Werk gehören auch eine Cachucha und das Ballett „La Chatte métamorphosée en femme“. Fanny Elssler tanzte ebenfalls darin. Laut den Autoren des Buches schaffte sie sich sogar ein kleines Kätzchen an, um die Bewegungen dieses Tieres im Tanz nachahmen zu können.

Alle Texte im Buch sind zweisprachig, auf Englisch und Deutsch, wodurch sich der Leserkreis deutlich erweitert.

Ich empfehle Euch/Ihnen, es zu lesen und diese außergewöhnliche Heldin kennenzulernen. Ihre Geschichte kann selbst jemanden mit nur allgemeinen Tanz- und Ballettkenntnissen fesseln. Ich wage zu behaupten, wenn Fanny heute noch lebte, würde sie mit ihrer künstlerischen Kraft Politiker dazu überzeugen, alle bewaffneten Konflikte zu beenden und sich für den Umweltschutz zu engagieren.

Der Krakowiak ist nach der Polonaise der nächste polnische Nationaltanz, der für die Aufnahme in die Repräsentative Liste des Immateriellen Welt-Kulturerbes der UNESCO kandidiert. Bei diesen Bestrebungen kann man die Öffentlichkeit auf Fanny Elssler aufmerksam machen, die als Erste diesen Tanz international förderte.

Jolanta Łada-Zielke, 3. Dezember 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Buchangaben:

Toni Berlakovich (ed.), Welcome, Fanny! A Viennesse dances around the world. Fanny Elssler in America Welcome Fanny! Auf der Spitze der Welt © 2013 by Toni Berlakovich

Freie und sinngemäße Übersetzung fremdsprachigen Quellen: Dr. Ursula Szynkariuk

Übersetzung: Carl Terry, Shay Swanson, Mag. Gabriele Lajtos

ISBN 978-3-200-03255-2

Frauenklang 15: Eleonora Zernitz klassik-begeistert.de, 22. November 2025

Frauenklang 14: Salome Parkresidenz Alstertal, Hamburg-Poppenbüttel ab 20. März 2025

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