Foto: Musikverein Wien / Müller (c)
Musikverein Wien, Metallener Saal, 27. April 2018
Fritz Kreisler Trio
Josef Herzer, Violine
Lisa Kilian, Violoncello
Stefan Gurtner, Klavier
- Benedict Randhartinger: Grand Trio e-Moll, op. 10
- Fritz Kreisler: Liebesleid; Liebesfreud
- Ernst Ludwig Leitner: Souvenir à Fritz Kreisler
- Johannes Brahms: Trio für Klavier, Violine und Violoncello Nr. 2 C-Dur, op. 87
von Thomas Genser
Unter dem Titel „Musikalische Souvenirs” tritt das Fritz Kreisler Trio erstmals im Wiener Musikverein auf. Neben dem Geiger Josef Herzer spielen an diesem Abend die Cellistin Lisa Kilian und der Pianist Stefan Gurtner. Das 2012 gegründete Klaviertrio bietet ein durchdachtes Programm, das Augenmerk auf selten gespielte Komponisten legt und dabei aber nicht vergisst zu unterhalten. Trotz einiger Ecken und Kanten gelingt das Debüt.
Den Beginn macht Benedict Randhartingers Grand Trio e-Moll. Obwohl er Schüler Salieris, Freund Schuberts und Hofkapellmeister unter Kaiser Franz Joseph war, ist er einem Großteil des heutigen Konzertpublikums kein Begriff. Sein Stück lässt den Einfluss der Wiener Klassiker erahnen, dringt aber weiter in die Musik des Biedermeier vor. Schon im ersten Satz verwandeln die drei Musiker den ansonsten kalt wirkenden Konzertsaal in einen bürgerlichen Salon, wenn auch mit wehmütigem Unterton.
Herzer steht im Mittelpunkt des Geschehens, beweist Virtuosität und Ausdruck, während Kilian das imaginierte Wohnzimmer mit samtigen Bässen zu wärmen weiß. Pianist Gurtner ist unauffällig, liefert aber eine solide Basis. Die Intimität ist hautnah erlebbar: Man hört jeden Atemzug, erkennt jede kleine Regung in den Gesichtern der Musiker und sieht dabei gerne über die wenigen unsauber intonierten Töne hinweg.
Im zweiten und dritten Satz erklingt gesangliche Melodik, die sich ausgezeichnet in die Akustik des kleinen Raumes einfügt. Leider mangelt es dem Trio ein wenig an Interaktion – mit Ausnahme der gemeinsamen Pizzicati wirkt das Zusammenspiel eher statisch. Das lebendige Finale kommt da gerade recht: Gurtner am Bösendorfer ist sehr präsent und meistert selbst die virtuosesten Läufe mit Bravour. Hier merkt man dem Oberösterreicher und seinen beiden Mitmusikern die Freude an.
Die darauffolgenden Charakterstücke Liebesleid und Liebesfreud entstammen der Feder des Wiener Komponisten und Geigers Fritz Kreisler. Der Bruckner-Schüler wird selten im Konzert gespielt und erregte zu Lebzeiten besonders damit Aufsehen, dass er eigene Kompositionen und Arrangements als wiederentdeckte Werke alter Meister ausgab. Im melancholischen Liebesleid fungiert die Geige als Erzählerin: Sie führt das a-Moll-Thema durch verschiedene, höchst empfindsam dargebotene Ausdruckscharaktere wie Flüstern, Weinen und Schreien.
Als Gegenpol fungiert das darauf folgende Liebesfreud, das Heiterkeit und Heurigenatmosphäre vermittelt. Die Begleitung von Kilian ähnelt von Klang und Satzweise der Kontragitarre des Wienerliedes, Gurtner steuert sanfte Begleitakkorde bei. Herzer, selbst gebürtiger Wiener, wippt zum Walzertakt und lädt zum Tanz. Der Gesang von Vokalisten wie Helmut Qualtinger oder André Heller wird dazu fast hörbar.
Das folgende Souvenir à Fritz Kreisler von Ernst Ludwig Leitner ist eine Hommage an den Namensgeber des Trios und wurde von den drei Musikern im Jahr 2016 in Bad Ischl uraufgeführt. Verschiedene Melodien von Kreisler werden harmonisch und metrisch verschoben nebeneinander gesetzt, nach Art einer Collage. Die dreisätzige zeitgenössische Komposition verlangt dem Trio alles ab: Neben anspruchsvollen Tönen für Geige und Klavier lässt Kilian ihr Instrument mal wie eine Harfe, mal wie eine Gitarre klingen. Immer wieder ansetzend wird das Publikum mit erstaunlichen Klängen und performativen Einlagen überrascht. Für Leitners detailreiche, laute Musik wird der Raum zu klein. Ein anderes Ambiente wäre dem ansonsten einwandfrei dargebotenen Stück angemessener.
Eine Verbindung zum Kurort Bad Ischl besteht auch nach der Pause: Hier wurde Brahms’ zweites Klaviertrio 1882 komponiert. Zum Ende des Abends zeigt sich also wieder einmal: Ganz ohne die großen Meister geht es dann doch nicht! Nichtsdestotrotz ist das Brahms’sche Trio ein kurzweiliges, wenn auch sperriges Werk. Am gewichtigen ersten Satz ist bis auf ein paar verzogenen Tönen nichts auszusetzen. Das Andante con moto tritt in Form eines Variationensatzes auf, in dem alle drei Mitglieder des Trios in kleinen solistischen Passagen brillieren. Nach dem bewegenden Ende herrscht komplette Stille im Saal.
Eng verzahnt und präzise gespielt ist die Rhythmik im Scherzo, obwohl einige Legato-Läufe der Violine zu sehr verwaschen klingen. Im Finale kommt es zu bewundernswerten Dialogen – genau von so etwas lebt Kammermusik! Mehr als zuvor tritt das Klavier in den Vordergrund, Gurtner besticht mit Arpeggios und eindrucksvollen Triolen-Läufen. Auf den glorreichen Schluss und langen Applaus folgt als Zugabe ein Klaviertrio-Arrangement von Anton Bruckners Steiermärker. Trotz Heimatfilm-Kitsch ist der pastorale Walzer ein angenehmer Ausklang des Abends und lässt hoffen, dass das junge Trio den Musikverein bald wieder beehrt.
Thomas Genser, 28. April 2018, für
klassik-begeistert.de