Foto: Archiv I MASNADIERI 2022 L.Oropesa (c) W.Hoesl
Münchner Opernfestspiele 2025
I MASNADIERI (DIE RÄUBER)
Melodramma tragico in vier Akten – 1847
Komponist Giuseppe Verdi. Libretto von Andrea Maffei nach Friedrich Schillers Drama „Die Räuber“.
Musikalische Leitung
Antonino Fogliani
Inszenierung
Johannes Erath
Bühne und Kostüme
Kaspar Glarner
Licht
Olaf Freese
Video
Lea Heutelbeck
Chor
Christoph Heil
Dramaturgie
Malte Krasting
Bayerisches Staatsorchester
Bayerischer Staatsopernchor
Nationaltheater, München, 20. Juli 2025
Premiere am 8. März 2020
von Dr. Petra Spelzhaus
Mit fliegenden Fahnen kommen wir nach einer viel zu langen Autofahrt aus Bella Italia punktgenau am Nationaltheater für unseren Opernbesuch an. In einem Anfall investigativen Journalismus stellen wir fest, dass die drückend schwülen Temperaturen die Heimat Giuseppe Verdis mit der bayerischen Landeshauptstadt verbinden. Das ist doch mal ein großartiger Einstieg in einen Abend, an dem Schillers Sturm-und-Drang-Drama „Die Räuber“ als – viel zu selten gespielte – Oper des großen Komponisten präsentiert wird.
Die Handlung wird in einen gespenstischen Palazzo verlegt. Aus Schillers Brüdern Karl und Franz Moor werden Carlo und Francesco. In der Interpretation von Regisseur Johannes Erath handelt es sich um zweieiige Zwillinge. Der nur wenige Minuten jüngere Francesco trägt den Makel in sich, dass bei seiner Geburt die Mutter verstorben ist. Carlo liebt Amalia, fühlt sich aber durch eine Intrige seines Bruders genötigt, Räuberhauptmann zu werden.
Vater Massimiliano und Amalia glauben, Carlo sei tot. Francesco kerkert den geschwächten Vater ein, um sein Ableben zu forcieren. Amalia versucht er zu nötigen, seine Frau zu werden, wogegen sich diese vehement wehrt. Carlo befreit seinen vergesslichen Vater und trifft Amalia im Wald. Sie will nicht mehr von seiner Seite weichen. Die Räuber erinnern ihren Hauptmann an seinen Schwur auf ewige Treue zur Bande. Amalia fordert daraufhin ihren Tod. Carlo erfüllt ihr diesen Wunsch und liefert sich der Justiz aus.

Die 2020 erstmals im Bayerischen Staatstheater aufgeführte Inszenierung spielt in einem rabenschwarzen Ambiente. Wahlweise werden lange Tafeln mit den Protagonisten oder auch ein weißer Sarg in die Kulisse geschoben. Ein Cello erinnert an die verstorbene Mutter, ebenso wie das wunderschön von Jakob Spahn dargebotene Cello-Solo in der Ouvertüre. Gelungene Regieidee sind die Schattenspiele. So entsteht aus dem Sarg und mehreren Stühlen ein Bett, in dem sich Amalia Francescos Annäherungsversuchen erwehrt. Ein berauschender Farbklecks wird uns im dritten Akt gegönnt in Form der dunkelgrünen Tannen. Die Darsteller werden mit Stellvertretern ihrer selbst konfrontiert, Handlungsebenen verschwimmen. Apropos Stellvertreter: Den zutiefst traumatisierten Figuren wünscht man eine Familienaufstellung nach Hellinger. Dann hätten sich die Jungs womöglich zusammengerissen und Amalia wäre ihr Ende erspart geblieben. Aber so ist halt Drama.

Die 1847 zum Ende der sogenannten „Galeerenjahre“ komponierte Oper „I masnadieri“ bewegt sich musikalisch zwischen den Welten: Die Wurzeln noch im Belcanto, schlummert in ihr schon der reife Verdi, wartend auf die Eruption. Die vor Kraft und Emotion strotzende Musik hat etwas mehr Bewegung und Farben in der Inszenierung verdient. Allerdings hat so ein düsteres Kammerspiel auch den Charme, dass es als Leinwand dienen kann für die großartigen Stimmen. Davon gibt es mehr als genug an diesem Abend.
Der im Gothic-Gewand daherkommende Räuberchor, der der Oper ihren Namen gibt, präsentiert sich bombenstark, kraftvoll, präzise, präsent. Die Melodien reißen mit, gehen unter die Haut, getragen vom großartig aufgelegten Staatsorchester unter der Leitung von Antonino Fogliani. Musiker und Sänger beflügeln einander zu einem phantastischen Gesamtklang.
Erwin Schrott gibt seinem Maximiliano eine sonore, schokobraune Stimmfarbe, leuchtend, geschmeidig in der Stimmführung, sehr vital für einen Alten, der kurz davor ist, sein Leben auszuhauchen.
Alfredo Daza singt die Rolle des Bösewichts Francesco mit schrecklicher Eleganz. Sein dramatischer und kraftvoller Bariton glitzert – passend zu seinem Sakko – in Bronzetönen.
Carlo wird von Charles Castronovo mit angenehmer samtig heller, beweglicher Stimme interpretiert, mit reichlich Vibrato beginnend, sich ins Heldenhafte steigernd.

Die einzige weibliche Rolle ist die Prima inter pares. Amalia wird von Lisette Oropesa einfach göttlich dargestellt. Ihr Gesang ist von purer Schönheit, empfindsam, variantenreich, sonor in den Tiefen, teils sanft flirrend, glockenklar in den Höhen, kontrolliert und hochemotional. Die gefeierte Sopranistin veredelt jede Szene, in der sie auftritt – egal ob solo, im Duett, Quartett oder im Zusammenklang mit dem Chor – mit einem zusätzlichen Glanz. Bravissima!

Das Publikum erwidert dieses famose musikalische Feuerwerk mit reichlich aufbrandendem Jubel und Szenenapplaus. Elektrisiert entschwindet es in die schwüle Münchner Sommernacht.
Einziger Wermutstropfen: Das war schon die zweite und letzte Aufführung der Räuber im Rahmen der Münchner Opernfestspiele 2025. Ich plädiere dringend für eine Wiederaufnahme des Stückes mit ähnlich herausragenden Darstellern. Der musikalische Rausch darf nicht enden.
Dr. Petra Spelzhaus, 22. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und Klassik-begeistert.at
Gabriel Fauré, Pénélope Prinzregententheater, München, 18. Juli 2025 PREMIERE
Festspiel-Liederabend Gerald Finley Prinzregententheater, München, 15. Juli 2025