Giulio Cesare in Egitto lässt mein Herz voller Klangesfreude hüpfen

Georg Friedrich Händel, Giulio Cesare in Egitto  Haus für Mozart, Salzburg, 26. Juli 2025

Giulio Cesare in Egitto: Christophe Dumaux © SF/Monika Rittershaus

Dirigentin Emmanuelle Haïm formt einen magischen Händelklang voller Eleganz und Lebendigkeit. Das Sängerensemble ist fulminant. Vier Counter, ein Sopran, ein Mezzo, ein Bariton und ein Bass tragen mich in Händels Stimmenhimmel. Diese Produktion ist mit einem Wort: fantastisch.

Giulio Cesare in Egitto (1724)
Opera seria in drei Akten, HWV 17
Komposition  Georg Friedrich Händel

Libretto von Nicola Francesco Haym
nach Giacomo Francesco Bussanis Libretto zur Oper Giulio Cesare in Egitto von Antonio Sartorio

Musikalische Leitung und Cembalo  Emmanuelle Haïm
Regie und Bühne  Dmitri Tcherniakov

Kostüme  Elena Zaytseva
Licht  Gleb Filshtinsky
Kampfchoreografie  Ran Arthur Braun
Dramaturgie  Tatiana Werestchagina

Bachchor Salzburg, Einstudierung Michael Schneider
Le Concert d’Astrée

Haus für Mozart, Salzburg, 26. Juli 2025

von Frank Heublein

Im Haus für Mozart in Salzburg findet an diesem Abend die Premiere von Tcherniakovs Neuinszenierung von Georg Friedrich Händels Oper Giulio Cesare in Egitto statt.

Cembalistin und Dirigentin Emmanuelle Haïm bringt ihr selbst gegründetes Orchester Le Concert d’Astrée mit. Sie hat es im Jahr 2000 in Lille gegründet und sich mit ihm auf Barockmusik spezialisiert. Sie sorgt für einen genialen Händelabend. Ich sehe zwanzig Reihen vor mir ihren üppigen roten Haarschopf in konzentrierter Bewegung im Graben ab- und wieder auftauchend. Ihre wogenden Arme formen eleganten klaren lebendigen Klang. Sie ist die Maestra des jederzeit angemessenen und damit gelungenen Tempos, der abrupten Wechsel, mich den Atem anhaltenden Generalpausen. Sie erzeugt die durchgehende nie abflauende Spannung an diesem etwa dreieinhalb Stunden andauernden Abend. Magisch.

Emmanuelle Haïm, Dmitri Tcherniakov © SF/Jan Friese

Die Inszenierung kürzt das Libretto in der Handlungsentwicklung, also in den Rezitativen. Das ist der Spannung und Kurzweiligkeit des Abends zuträglich. Die Übergänge zwischen den Arien sind kurz. Dmitri Tcherniakov sorgt mit einer dreigeteilten doch zugleich an den verbindenden Seiten offenen Bühne für den passenden geschickten Rahmen. Er schafft mit seiner Inszenierung, die lückenhafte Handlung so zu erzählen, dass ein Schuh draus wird für mich als zusehender Hörer. Eine sehr gute Idee ist die Hinzunahme Pompeos Leiche als stumme Rolle (René Keller). Der agyptische König Tolomeo ermordet seinen römischen Verbündeten Pompeo, um den römischen Bürgerkriegs-Schlachtensieger Giulio Cesare auf seine Seite zu ziehen. Das ist ursprünglicher Impuls und dauerhafte Motivation der Bühnenhandlung, die mit dem „Auftritt“ der physischen Leiche klar dargestellt wird.

Das Ensemble der Sängerinnen und Sänger ist außergewöhnlich. Vier Counter in einem Stück habe ich glaube ich noch nie erlebt. Daneben zwei Frauenstimmen, ein Bariton und eine Bassrolle. Diese acht sorgen für ein großes starkes strahlendes Leuchten Händels Musik.

von links: Andrey Zhilikhovsky, Christophe Dumaux, Yuriy Mynenko, Olga Kulchynska, Jake Ingbar © SF/Monika Rittershaus

Christophe Dumaux singt Giulio Cesare. Gleich zu Anfang begeistert er das Publikum mit seinem herrschaftlichen dramatischen entschlossenen Countersopran. Spielerisch leicht in der Höhe. Sein astronomisch hohes Niveau bestätigt er mit jeder Note, die er an diesem Abend singt. Sopran Olga Kulchynska als Cleopatra und Throninteressierte Schwester Tolomeos begeistert mich an stärksten – nicht nur mich, was ich am Schlussapplaus höre. Ihre schauspielerische Qualität ist stark. Zugleich macht die Figur die stärkste Entwicklung durch. Verführerin und Liebende Cäsars, Rächerin, Strategin. Ihrem stimmlich elastischen warmen Strahlschmelz erliege ich mit jeder Faser meines momentanen Seins.

Olga Kulchynska, Christophe Dumaux (vermeintlich tot) © SF/Monika Rittershaus

Mezzo Lucile Richardot singt die Altpartie Cornelia, die Witwe Pompeos. Sie überzeugt durch präzises Ausleuchten von Trauer und Verlorensein mit ihrer kräftigen dunkleren Stimme. Counter Federico Fiorio singt Cornelia und Pompeos Sohn Sesto in Sopranlage. Sängerisch der Rolle entsprechend wird er im Verlauf des Abends immer entschlossener. Technisch brillant nimmt er locker jede Windung seiner Arie sehr geschmeidig. Counter Yuriy Mynenkos Tolomeo ist in Altlage komponiert. Im ersten Teil bin ich baff vor Erstaunen bei seiner Arie L’empio, sleale, indegno. Beeindruckend flüssig geradezu entspannte Lagenwechsel. Großartig ist seine stimmliche präzise Eleganz. Den Bösewicht nehme ich ihm mit jeder Note ab. Bariton Andrey Zhilikhovsky als Tolomeos Untergebener Achilla singt die Bassrolle als wichtigste männliche Stimmlage des Abends. Stimmlich entsprechend dunkel mit Volumen, zugleich wie alle technisch exzellent und leicht. Counter Jake Ingbar singt den ägyptischen Diener Nireno, eine Alt Partie. Im zweiten Akt unterstützt er seine Herrin mit einer einfühlsam klar gesungenen Arie. Der Moment, in dem Cleopatra sich ihren Giulio angelt und mit einem Kombischnäppchen den ägyptischen Thron. An der Seite Cäsars vervollständigt Robert Raso als Curio die Sängerriege.

Christophe Dumaux, René Keller (stumme Rolle), Federico Fiorio, Lucile Richardot, Andrey Zhilikhovsky © SF/Monika Rittershaus

Vier Counter, ein Sopran, ein Mezzo, ein Bass und ein Bariton tragen mich in Händels Stimmenhimmel. Den roten Klangteppich vom Feinsten breitet ihnen Emmanuelle Haïm mit ihrem Orchester Le Concert d’Astrée aus. Diese Produktion ist mit einem Wort: fantastisch. Verdiente Standing Ovations.

Frank Heublein, 27. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Die Übertragung der Premierenvorstellung können Sie am 02. August 2025 ab 20:15 Uhr im TV Sender 3sat ansehen und -hören.

Besetzung:

Giulio Cesare   Christophe Dumaux
Cleopatra   Olga Kulchynska
Cornelia   Lucile Richardot
Sesto   Federico Fiorio
Tolomeo   Yuriy Mynenko
Achilla   Andrey Zhilikhovsky
Nireno   Jake Ingbar
Curio   Robert Raso

Hotel Metamorphosis, Musik von Antonio Vivaldi Haus für Mozart, Salzburg, 6. Juni 2025

Requiem(s), Angelin Preljocaj Haus für Mozart, Salzburg, 17. April 2025

Mozartwoche Salzburg Haus für Mozart & Großer Saal, Mozarteum, 26. Januar 2025

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert