Giulio Cesare in Egitto: Christophe Dumaux © SF/Monika Rittershaus
Dirigentin Emmanuelle Haïm formt einen magischen Händelklang voller Eleganz und Lebendigkeit. Das Sängerensemble ist fulminant. Vier Counter, ein Sopran, ein Mezzo, ein Bariton und ein Bass tragen mich in Händels Stimmenhimmel. Diese Produktion ist mit einem Wort: fantastisch.
Giulio Cesare in Egitto (1724)
Opera seria in drei Akten, HWV 17
Komposition Georg Friedrich Händel
Libretto von Nicola Francesco Haym
nach Giacomo Francesco Bussanis Libretto zur Oper Giulio Cesare in Egitto von Antonio Sartorio
Musikalische Leitung und Cembalo Emmanuelle Haïm
Regie und Bühne Dmitri Tcherniakov
Kostüme Elena Zaytseva
Licht Gleb Filshtinsky
Kampfchoreografie Ran Arthur Braun
Dramaturgie Tatiana Werestchagina
Bachchor Salzburg, Einstudierung Michael Schneider
Le Concert d’Astrée
Haus für Mozart, Salzburg, 26. Juli 2025
von Frank Heublein
Im Haus für Mozart in Salzburg findet an diesem Abend die Premiere von Tcherniakovs Neuinszenierung von Georg Friedrich Händels Oper Giulio Cesare in Egitto statt.
Cembalistin und Dirigentin Emmanuelle Haïm bringt ihr selbst gegründetes Orchester Le Concert d’Astrée mit. Sie hat es im Jahr 2000 in Lille gegründet und sich mit ihm auf Barockmusik spezialisiert. Sie sorgt für einen genialen Händelabend. Ich sehe zwanzig Reihen vor mir ihren üppigen roten Haarschopf in konzentrierter Bewegung im Graben ab- und wieder auftauchend. Ihre wogenden Arme formen eleganten klaren lebendigen Klang. Sie ist die Maestra des jederzeit angemessenen und damit gelungenen Tempos, der abrupten Wechsel, mich den Atem anhaltenden Generalpausen. Sie erzeugt die durchgehende nie abflauende Spannung an diesem etwa dreieinhalb Stunden andauernden Abend. Magisch.

Die Inszenierung kürzt das Libretto in der Handlungsentwicklung, also in den Rezitativen. Das ist der Spannung und Kurzweiligkeit des Abends zuträglich. Die Übergänge zwischen den Arien sind kurz. Dmitri Tcherniakov sorgt mit einer dreigeteilten doch zugleich an den verbindenden Seiten offenen Bühne für den passenden geschickten Rahmen. Er schafft mit seiner Inszenierung, die lückenhafte Handlung so zu erzählen, dass ein Schuh draus wird für mich als zusehender Hörer. Eine sehr gute Idee ist die Hinzunahme Pompeos Leiche als stumme Rolle (René Keller). Der agyptische König Tolomeo ermordet seinen römischen Verbündeten Pompeo, um den römischen Bürgerkriegs-Schlachtensieger Giulio Cesare auf seine Seite zu ziehen. Das ist ursprünglicher Impuls und dauerhafte Motivation der Bühnenhandlung, die mit dem „Auftritt“ der physischen Leiche klar dargestellt wird.
Das Ensemble der Sängerinnen und Sänger ist außergewöhnlich. Vier Counter in einem Stück habe ich glaube ich noch nie erlebt. Daneben zwei Frauenstimmen, ein Bariton und eine Bassrolle. Diese acht sorgen für ein großes starkes strahlendes Leuchten Händels Musik.

Christophe Dumaux singt Giulio Cesare. Gleich zu Anfang begeistert er das Publikum mit seinem herrschaftlichen dramatischen entschlossenen Countersopran. Spielerisch leicht in der Höhe. Sein astronomisch hohes Niveau bestätigt er mit jeder Note, die er an diesem Abend singt. Sopran Olga Kulchynska als Cleopatra und Throninteressierte Schwester Tolomeos begeistert mich an stärksten – nicht nur mich, was ich am Schlussapplaus höre. Ihre schauspielerische Qualität ist stark. Zugleich macht die Figur die stärkste Entwicklung durch. Verführerin und Liebende Cäsars, Rächerin, Strategin. Ihrem stimmlich elastischen warmen Strahlschmelz erliege ich mit jeder Faser meines momentanen Seins.

Mezzo Lucile Richardot singt die Altpartie Cornelia, die Witwe Pompeos. Sie überzeugt durch präzises Ausleuchten von Trauer und Verlorensein mit ihrer kräftigen dunkleren Stimme. Counter Federico Fiorio singt Cornelia und Pompeos Sohn Sesto in Sopranlage. Sängerisch der Rolle entsprechend wird er im Verlauf des Abends immer entschlossener. Technisch brillant nimmt er locker jede Windung seiner Arie sehr geschmeidig. Counter Yuriy Mynenkos Tolomeo ist in Altlage komponiert. Im ersten Teil bin ich baff vor Erstaunen bei seiner Arie L’empio, sleale, indegno. Beeindruckend flüssig geradezu entspannte Lagenwechsel. Großartig ist seine stimmliche präzise Eleganz. Den Bösewicht nehme ich ihm mit jeder Note ab. Bariton Andrey Zhilikhovsky als Tolomeos Untergebener Achilla singt die Bassrolle als wichtigste männliche Stimmlage des Abends. Stimmlich entsprechend dunkel mit Volumen, zugleich wie alle technisch exzellent und leicht. Counter Jake Ingbar singt den ägyptischen Diener Nireno, eine Alt Partie. Im zweiten Akt unterstützt er seine Herrin mit einer einfühlsam klar gesungenen Arie. Der Moment, in dem Cleopatra sich ihren Giulio angelt und mit einem Kombischnäppchen den ägyptischen Thron. An der Seite Cäsars vervollständigt Robert Raso als Curio die Sängerriege.

Vier Counter, ein Sopran, ein Mezzo, ein Bass und ein Bariton tragen mich in Händels Stimmenhimmel. Den roten Klangteppich vom Feinsten breitet ihnen Emmanuelle Haïm mit ihrem Orchester Le Concert d’Astrée aus. Diese Produktion ist mit einem Wort: fantastisch. Verdiente Standing Ovations.
Frank Heublein, 27. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Die Übertragung der Premierenvorstellung können Sie am 02. August 2025 ab 20:15 Uhr im TV Sender 3sat ansehen und -hören.
Besetzung:
Giulio Cesare Christophe Dumaux
Cleopatra Olga Kulchynska
Cornelia Lucile Richardot
Sesto Federico Fiorio
Tolomeo Yuriy Mynenko
Achilla Andrey Zhilikhovsky
Nireno Jake Ingbar
Curio Robert Raso
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