Georg Nigl, Foto: Anita Schmid (c)
Nigl selbst, in dunklem Anzug, weißem offenen Hemd wirkt in seinem ganzen Auftreten völlig unprätentiös, bescheiden und lediglich seiner Kunst verpflichtet. Es gelingt ihm, ein Maß an Intimität herzustellen, wie es bei solchen Konzerten nur selten gelingt. Was Nigl an diesem Abend zurücklässt, ist pure Freude und Glück.
Philharmonie Berlin, Kammermusiksaal, 9. September 2019
Lieder von Schubert, Beethoven und Wolfgang Rihm
Georg Nigl, Bariton
Olga Pashchenko Klavier
von Peter Sommeregger
Am Anfang ein ungewohntes Bild: zwei Flügel stehen auf dem Podium des Saales. Der scheinbar ältere ist der Nachbau eines historischen Hammerflügels, er kommt passenderweise bei Schubert und Beethoven zum Einsatz, der wuchtige Steinway bleibt dem Liederzyklus Wolfgang Rihms vorbehalten.
Georg Nigl, ein ehemaliger Wiener Sängerknabe, verfügt über ein umfangreiches Repertoire für Bühne und Konzertsaal, das vom Barock bis zu zeitgenössischen Komponisten reicht. Seine Glanzrolle ist der Berg’sche Wozzeck, den er bereits von Moskau bis Berlin weltweit gesungen hat.
An den Beginn des Abends stellt Nigl acht Lieder von Franz Schubert, und schnell wird deutlich, was diesen Sänger zum Ausnahmekünstler macht. Nicht nur, dass die Liedtexte gut verständlich vorgetragen und gemäß ihrem Sinngehalt interpretiert werden, Nigl wählt für jedes einzelne Lied einen unterschiedlichen stimmlichen Ansatz. Klingt die „Taubenpost“ noch leise und verhalten, trumpft er in der „Forelle“ kräftig auf. Ein früher Höhepunkt ist „Der Wanderer an den Mond“, das ihm Gelegenheit zu zarten Kantilenen bietet. Die Geschmeidigkeit seiner Stimme scheint keine Grenzen zu kennen, Registerwechsel gelingen mühe- und bruchlos. Zeitweise meint man zu glauben, Nigel wäre Tenor, so sicher und rein ist seine Höhe- um gleich im nächsten Lied wieder auf die tieferen Register zurückzugreifen.
Beethovens durchkomponierter Zyklus „An die ferne Geliebte“ gelingt Nigl eindringlich und tief ausgelotet, hier herrschen die leiseren Töne vor, eine elegische Traurigkeit und atmosphärische Dichte zeichnen diese Interpretation aus.
Nach der Pause steht eine Uraufführung an: Wolfgang Rihms Liederzyklus „Vermischter Traum“ auf Gedichte von Andreas Gryphius ist vom Komponisten für Nigl geschrieben und Frucht und Ausdruck einer freundschaftlichen Beziehung der beiden Künstler. Rihm malt mit deutlich kräftigeren Farben, hier kann Nigl auch das durchaus große Volumen seiner Stimme einsetzen. Es berührt ungemein, dass der Sänger den Applaus unterbricht, um ein paar sehr persönliche Worte zu seinem Verhältnis zu Rihm zu sagen, auch dies gelingt ihm wie sein gesamtes Auftreten uneitel, unverstellt und ehrlich.
Ans Ende stellt er noch einmal vier Lieder Schuberts, wobei das letzte, „Abschied“, mit unglaublicher, wehmütiger Transparenz vorgetragen wird. Ein tröstlicher Ausklang trotz aller Melancholie.
Zum Gelingen dieses anspruchsvollen Programms trägt wesentlich die Musikerin Olga Pashchenko bei, Musikerin deshalb, weil sie ihre künstlerische Tätigkeit keineswegs nur auf Klavier und Liedbegleitung beschränkt. Sie ist auch Organistin und spielt in diversen Kammermusik-Ensembles, also eine universelle Künstlerpersönlichkeit, was man schon an der hochsensiblen Begleitung an diesem Abend bemerken kann.
Nigl selbst, in dunklem Anzug, weißem offenen Hemd wirkt in seinem ganzen Auftreten völlig unprätentiös, bescheiden und lediglich seiner Kunst verpflichtet. Es gelingt ihm, ein Maß an Intimität herzustellen, wie es bei solchen Konzerten nur selten gelingt. Die erschütternde Tatsache, dass bei dem Konzert dieses Ausnahmekünstlers die Hälfte aller Plätze leer bleibt, münzt er sogar noch zu einem Vorteil um: die überschaubare Zahl der Zuhörer verschmilzt so zu einem Kreis der Wissenden und Mitfühlenden, der Besuch von einem Freund bekommt, um Kammermusik zu treiben. Was Nigl an diesem Abend zurücklässt, ist pure Freude und Glück.
Peter Sommeregger, 10. September 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Seine neue CD Vanitas ist ein unerhörtes Ereignis. Ich kenne kaum weitere Alben, die genauso gelungen sind. Offenbar decken sich die CD und das damalige Programm. Auch der Pianistin gelingen einige außergewöhnliche Momente. Unbedingt hörenswert. Eine CD für die Ewigkeit.
Gustav MzS