Foto: Matthias Baus (c)
Staatsoper Hamburg, 3. Juli 2018
Georg Philipp Telemann, Miriways
von Sarah Schnoor
Getränkehalter an den Stühlen, Glenn Millers „Moonlight Serenade“, Dämmerlicht, abgehängte Decke, ein paar Tische – alles in Schwarz-Weiß mit dezent gold-gelber Note und fertig ist die 1950er-Jahre-Baratmosphäre. Kommt man in die opera stabile, sitzt die „Barband“, bestehend aus Mitgliedern der Orchesterakademie des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg, schon bereit, und auch die Bardame (Ruzana Grigorian) hübscht sich und ihre Gläser hinter dem Tresen fleißig auf. Das Publikum darf mit an den im Raum verteilten Tischen sitzen, und alles wirkt so authentisch, dass ein Zuschauer sogar versucht, bei Ruzana Grigorian (Samischa) ein Getränk zu bestellen.
Sobald alle sitzen, wird Glenn Miller abrupt von einem schwungvollen Telemann abgelöst. Das kleine, einfach besetzte Barockorchester wird von Volker Krafft vom Cembalo aus mit zurückhaltendem Dirigat geleitet. Neben einigen überragend schönen Stimmen ist dieses Ensemble das Herzstück des Abends. Mit unglaublich guten Phrasierungen und Schwerpunkten zaubern die Musiker einen leichten, unterhaltsamen, aber auch spannenden Telemann, der selbst die ein oder andere misslungene Gesangspassage ungeschehen macht. Solistisch machen besonders Carmineluigi Amabile (Flöte) und die Violinen auf sich aufmerksam.
Gesanglich ist diese Aufführung von „Miriways“ teils durchwachsen. Die drei emotional aufgeladenen Liebesgeschichten in politischem Gewand werden von Sängern des internationalen Opernstudios im wahrsten Sinne unter die Leute gebracht. Holger Liebig inszeniert immersiv und lässt die Sänger zwischen den Stühlen umherlaufen und -lieben.
Jóhann Kristinsson spielt den Fürsten Miriways, der seine bisher vor allen verheimlichte Tochter Bemira aus politischen Gründen mit Sophi (Sergei Ababkin) vermählen will. Kristinssons Bariton ist perfekt für Barockmusik. Seine Stimme ist beweglich, rund und warm. Besonders an den leisen Stellen („O Schluss, der mir durch Herz und Seele dringt“) beeindruckt er mit unglaublich viel Weichheit. Neben Kristinsson kann auch Narea Son (Nisibis) überzeugen. Ihre zahlreichen, hohen Koloraturen sind präzise, klar und strahlend. Und wenn Sie auf einem hohen Ton einsetzend diesen auch noch magisch anschwellen lässt, kann man nur noch staunen über diese Kontrolle und Schönheit in der Stimme. Son spielt zusammen mit Sascha Emanuel Kramer (Murzah) ein verzückendes junges Liebespaar, dem wie allen Paaren des Abends Missverständnisse und andere Widrigkeiten im Weg stehen. In diesem Fall ist es der Fürst Zemir, der von Shin Yeo gesungen wird. Sein kräftiger und voller Bass passt sehr gut zur bedrohlichen Figur, die auch ohne zusätzlich inszenierte Vergewaltigung dunkel genug gewesen wäre. Außer der Atmosphäre und dem „Mittendrin“-Gefühl, das vor allem durch Kostüm (Julia Schnittger) und Bühnenbild (Nikolaus Webern) erzeugt wird, bietet diese Inszenierung leider keine interessanten Ideen. Das macht aber Dank der spritzigen Interpretation der Musik in für Barockmusik wunderbarer Akustik nicht viel aus. Es macht immer wieder Spaß diese kleineren Produktionen an der opera stabile zu erleben! Am Ende bekommen alle Beteiligten, allen voran Volker Krafft und sein Ensemble, verdientermaßen sehr viel Applaus.
Sarah Schnoor, 04. Juli 2018, für
klassik-begeistert.de
Musikalische Leitung: Volker Krafft
Inszenierung: Holger Liebig
Bemira: Soomin Lee
Samischa: Ruzana Grigorian
Sophi: Sergei Ababkin
Murzah: Sascha Emanuel Kramer
Zemir: Shin Yeo
Miriways: Jóhann Kristinsson
Nisibis: Narea Son
Violine 1: Algirdas Šochas
Violine 2: Dorothea Sauer
Viola: Jennifer Miller
Violoncello: Margreta Häfer
Flöte: Carmineluigi Amabile
Laute: Johannes Gontarski