Und es leuchtet der Tenorstern am Bonner Opernhimmel

Giacomo Puccini, Tosca  Theater Bonn, 11. Mai 2025

Jonathan Tetelman © Bettina Stöß

Um den 100-jährigen Todestag von Giacomo Puccini gebührend zu feiern, führt das Theater Bonn in der Saison 2024/2025 mehrere Serien von dessen Erfolgsoper “Tosca” auf. Einige Aufführungen werden durch Einladung illustrer Gesangsgäste zu Galas aufgewertet. So auch an diesem Sonntag, dem Muttertag. Wer seiner Mama zu diesem Feiertag eine Karte für die Aufführung an diesem sonnigen Tag geschenkt hat, hat ihr damit sicherlich eine riesige Freude und Überraschung beschert. Nach einigem organisatorischen Hin und Her erlebt das Bonner Publikum eine begeisternde Galavorstellung, dank Carmen Giannattasio als Tosca und vor allem Jonathan Tetelman, dem neuen Star am Tenorhimmel, als Cavaradossi.

Giacomo Puccini (1858-1924)
TOSCA
Melodramma in drei Akten (Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica)

Musikalische Leitung: Dirk Kaftan

Inszenierung: Silvia Gatto
Kostüme: Simone Bendacordone

Beethoven Orchester Bonn

Theater Bonn, 11. Mai 2025

von Jean-Nico Schambourg

Eigentlich erscheint es ein leichtes, eine Galavorstellung von Tosca zu organisieren. Besitzt man selbst ein gutes Orchester, einen guten Opernchor sowie ein gutes Sängerensemble, genügt das Hinzufügen von zwei Gesangsstars.

In Bonn sollten diese für die Mai-Serie eigentlich Angela Gheorghiu und Ramón Vargas heißen. Doch dann kommt alles anders: Angela Gheorghiu muss schon vor der ersten Vorstellung am 3. Mai aus persönlichen Gründen abreisen und wird ersetzt von Monica Conesa (3. Mai), sowie von Carmen Giannattasio (für die folgenden Aufführungen).

Nach dem ersten Abend muss auch Ramón Vargas wegen Heuschnupfens auf die nächsten beiden Abende verzichten. Freddie De Tommaso, der den Cavaradossi in der März-Serie in Bonn gesungen hatte, erklärt sich bereit zu übernehmen, um einige Stunden später selbst wegen Erkrankung absagen zu müssen.

Der Direktion des Theater Bonn gelingt darauf das Kunststück Jonathan Tetelman als Einspringer für den Einspringer zu engagieren. Dass der Bonner Oper damit ein großer Coup gelungen ist, bemerkt man vom ersten Auftritt an von Jonathan Tetelman als Cavaradossi. Nicht nur mit seinem „Latino-Lover” – Aussehen, nein, vom ersten Ton an seiner sinnlichen Stimme zieht er das Publikum in seinen Bann.

Ich kannte die Stimme bisher nur von seinen CD-Aufnahmen, von denen ich allerdings sehr beeindruckt war. Dieser Abend in Bonn ist das erste Mal, dass ich den Sänger live auf der Bühne erlebe und ich kann mich schwerlich in den letzten Jahren an eine Tenorstimme erinnern, die mich live so beeindruckt hat. Dabei ist es nicht die pure Kraft der Stimme, die mich fesselt, sondern vor allem, wie er die Töne zu einem bronzenen Klang bündelt und wie Laserstrahlen durch den Saal schmettert.

Seine Phrase “La vita mi costasse” im ersten Akt, sowie seine “Vittoria”-Rufe im zweiten gehen unter die Haut. Den bronzenen Klang behält er dabei über den ganzen Stimmumfang und bei jeder Dynamikstufe bei. Der Sänger weiß um seine vokalen Stärken und spielt sie voll aus. Vielleicht ist das der einzige kleine beckmesserische “Kritikpunkt”, den man anbringen könnte. Aber wer kann, der kann!

Um so bewegender dann sein “E lucevan le stelle” im letzten Akt. Er beginnt es innerlich gefasst, um dann gegen Schluss der Arie Verzweiflung Platz zu machen, ohne aber je weinerlich zu klingen und die Arie mit Schluchzen oder sonstigen Mätzchen zu verunstalten. Dem daraufhin aufbrausenden Applaus des Publikums wurde mit der Wiederholung der Arie gedankt.

Carmen Giannattasio und Jonathan Tetelman © Bettina Stöß
Carmen Giannattasio hat die Titelrolle letztes Jahr bei der Aufführung dieser Produktion am Teatro Comunale in Bologna gesungen. Sie ist eine sehr gute Tosca, die sowohl den lyrischen als auch den dramatischen Ansprüchen der Partitur gerecht wird. Die Liebe zu Cavaradossi mitsamt ihrer Eifersucht singt sie mit gutgeführtem, warmen Sopran, dem sie auch einen Schuss Ironie hinzufügt, wo verlangt. Später wird Toscas Verzweiflung und ihre Verachtung gegenüber Scarpia nie durch schrille, unkontrollierte Töne gestört.

Giorgos Kanaris aus dem Bonner Opernensemble singt Scarpia mit guter Stimme, vielleicht zu schön, zu kontrolliert. Seinem Scarpia fehlt stimmlich ein wenig die schiere Brutalität, die den Polizeichef von Rom auszeichnet. Aber sein Rollenporträt ist in sich geschlossen.

Giorgos Kanaris und Chor © Bettina Stöß 

Auch die Interpreten der kleineren Rollen verdienen sich ihre Anerkennung beim Schlussapplaus: Christopher Jähnig als Angelotti, Martin Tzonev als Messner, Ta Hwan Yun als Spoletta, Miljan Milovic als Sciarrone, Jongmyung Lim als Schließer und Valérie Ironside als Hirt.

Chor und Kinder- und Jugendchor des Theater Bonn singen sehr präsent in der Te Deum-Szene am Schluss des ersten Aktes.

Im Graben leitet Dirk Kaftan das Beethoven Orchester Bonn mit viel Sinn für die schwelgerischen Momente in Puccinis Partitur. In den dramatischen Momenten werden die Stimmen, trotz der Brutalität des Orchesterklanges, nie überdeckt. Aber auch die lyrische Momente werden orchestral genossen und geben den Sängern somit einen idealen Klangteppich.

Die Inszenierung von Silvia Gatto ist klassisch traditionell im besten Sinne des Wortes. “Tosca” brauch keine ausgefallenen Regiemätzchen, sondern will einfach nur als Drama erzählt werden. So ist es ein großes Verdienst der Regisseurin, die Geschichte glaubhaft zu erzählen und die Werktreue dabei in den Vordergrund zu stellen.

Die Bühnenausstattung entstammt einer Tosca-Produktion des Teatro Comunale in Bologna aus dem Jahre 2024. Sie charakterisiert die jeweiligen Schauplätze der drei Akten perfekt, sei es durch eine gewisse Opulenz wie die Kirche Sant’Andrea della Valle oder das Büro von Scarpia oder durch Schlichtheit wie die Engelsburg im letzten Akt. Die Kostüme von Simone Bendacordone reihen sich nahtlos in Regieauffassung und Bühnenbild ein.

Das Bonner Publikum war hörbar beeindruckt von diesem wunderschönen Opernabend, der sowohl musikalisch als auch szenisch zu begeistern wusste und bedachte alle Beteiligten mit großem, teils überschwänglichem  Applaus.

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