Piotr Beczała und Sonya Yoncheva © Wiener Staatsoper
Wiederholt er das „E lucevan le stelle“ oder nicht? Es ist fast schon zum Spiel geworden, ob Piotr Beczała der Aufforderung nachkommt oder nicht. Es gibt keinen anderen Cavaradossi, von dem es das Wiener Publikum derart lautstark fordert. Natürlich gibt „der Piotr“ nach. „Der war gut wie immer“, hört man schon von der zweiten Aufführung der Serie. Bei der dritten lässt er das Publikum auch nicht lange zappeln – und gewinnt!
Giacomo Puccini
Tosca
Wiener Staatsoper, 15. Februar 2025
von Jürgen Pathy
Der Dirigent hat’s schon vorher gewusst. Handzeichen in Richtung Soloklarinettist, da tobt die Meute noch. Bei Puccinis „Tosca“ leitet die den ariösen Höhepunkt nämlich melancholisch ein. Beczałas Wiederholung dann – genauso makellos in den Höhen, wie schon bei den „Vittoria“-Rufen zuvor. Bravo auch schon beim „Recondita armonia“ im 1. Akt.
Mühelos also die Höhen, die Stimme unverkennbar wie immer. Eine Phrase und jeder weiß: „Das ist der Piotr“, der so geschmeidig im Legato singt, Italianità verströmt und sich mit dem Cavaradossi bereits jetzt ein Denkmal gesetzt hat. Einziges Manko: nicht mehr ganz so geschmeidig, wenn leisere Passagen des „E lucevan le stelle“ mit Energie gefüllt werden sollen.
Eine Tosca wie aus dem Bilderbuch
An seiner Seite hinterlässt Sonya Yoncheva ein hervorragendes Bild. Endlich wieder eine Tosca, vor der man nicht davonlaufen will. Lise Davidsen hat sich mit dieser Partie ja komplett verpokert. Bei Yoncheva fließt die Stimme, ohne viel Anstrengung, ohne Kraftaufwand. Dazu die dramatische Färbung im mittleren Register, das überwiegend zum Tragen kommt. Mit dieser Tosca möchte man gern jeden Tag zu Gott beten. Einziges Manko hier: Ab und zu schreit sie den zu laut an.
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Ein Mistkerl mit charmanter Stimme
Dazu die Überraschung des Abends: Ambrogio Maestri. Den Italiener hat man eher als Falstaff im Kopf. Dass er als Scarpia allen das Fürchten lehrt, ist der Aha-Moment des Abends. Seine Manipulation entfaltet er mit verführerischem Charme, beängstigender Autorität und einer Nuance Hinterlist.
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Nochmals zur Erinnerung, für alle, die es nicht am Schirm haben: Scarpia ist der Dreh- und Angelpunkt des veristischen Werks, das man 1900 in Rom uraufgeführt hat. Er nutzt Folter, Eifersucht und Täuschung, um seine Ziele zu erreichen – bis Floria Tosca ihn tötet, die eigentlich ein frommes Leben führt.
Das Wiener Staatsopernorchester – eine Klasse für sich
Nicht vergessen kann man an diesem Abend auch, dass das Staatsopernorchester zu den Besten zählt – wenn das Rädchen wie geschmiert läuft. Bereits zum Auftakt mit Knall signalisieren die Bläser: Heute herrscht Harmonie. Das Hornsolo im dritten Akt fließt wie aus einem Guss.
Pier Giorgio Morandi am Pult hat sich auch was Besonderes einfallen lassen: Im 2. Akt, dem „Scarpia-Akt“, lässt er Toscas „Schicksalsmotiv“ in einem Crescendo wachsen – nicht von der Lautstärke, sondern energetisch. 75 Prozent, als Scarpia beginnt, Tosca zu zermürben, während man Cavaradossi foltert. 90 Prozent, als Tosca dem Druck nicht standhält und Angelottis Versteck verrät. 100 % pure Energy, nachdem Tosca den Scarpia ersticht. Ein orchestraler „Ohrgasmus“, der sich wie ein Echo durch die düstere Szene zieht.
Seit 67 Jahren ein Monument
Die hält übrigens noch immer stand. Seit 1958 steht Margarete Wallmanns Inszenierung am Programm. 67 Jahre also, 657 Aufführungen seit der Premiere – und hoffentlich noch viele mehr. So gern man bei manchen Opern Innovatives sehen möchte, von dieser „Tosca“ sollte Bogdan Roščić die Finger lassen. Klassisch, auf dem Libretto basierend. Akt 1: Kirche Sant’Andrea della Valle in Rom. Akt 2: Palazzo Farnese, in Scarpias Privatgemächern. Akt 3: Auf der Engelsburg, im Morgengrauen vor Cavaradossis Hinrichtung. Mehr benötigt es auch nicht.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 16. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD-Besprechung: Giacomo Puccini, Tosca, Arena di Verona 11. November 2024