Titelfoto: © Clive Barda
Gilbert & Sullivan, Iolanthe, English National Opera, 24. Februar 2018
Dirigent, Timothy Henty
Regie, Cal McCrystal
Bühne, Paul Brown
Choreographie, Lizzi Gee
Chormeister, James Henshaw und Mark Biggins
Iolanthe, Samantha Price
The Lord Chancellor, Andrew Shore
Queen of the Fairies, Yvonne Howard
Phillis, Ellie Laugharne
Strephan, Marcus Farnsworth
von Charles E. Ritterband
Hatte sich am Abend zuvor in der „Carmen“ der Royal Opera eine gewisse Langeweile und Unmut über eine allzu sehr von eitlem Regietheater dominierte Inszenierung eingestellt, war hier, in der von Covent Garden nicht allzu weit entfernten English National Opera alles anders.
Das Bühnenbild der satirischen Operette von Gilbert & Sullivan war märchenhaft – üppig, bunt und bezaubernd fantasievoll. Es bot immer neue, geradezu atemberaubende Überraschungen: Die von riesigen Blüten dominierte Welt der Feen, in denen Paradiesvögel herumflatterten und lustige Tiere aus dem Dickicht traten – und die Menschenwelt, in der tatsächlich ein ganzer Eisenbahnzug mit schnaubender Dampflokomotive auf die Bühne fuhr oder das House of Lords in seiner ganzen Pracht aufgebaut wurde.
Die English National Opera, deren Überleben leider nicht gesichert ist, und die seit Jahrzehnten konstant mit Londons zweifellos originellsten und kreativsten Operetten- und Opernproduktionen glänzt, muss mit dem West End konkurrieren, in deren Mitte dieses riesige Musiktheater steht: Deshalb können sich Produktionen wie diese „Iolanthe“ spielend mit den weltberühmten, oft jahrzehntelang auf den Spielplänen stehenden Musicals wie „Phantom of the Opera“ oder „Miss Saigon“ messen. Diese schwungvolle Operette, die als das ironischste Werke dieses einzigartigen Komponisten-Librettistenduos gilt, nimmt das Oberhaus aufs Korn. Viele der geistreich-humorvollen Anspielungen werden vom englischen Publikum sofort erfasst, ein Ausländer hat da schon mehr Mühe. Umso mehr genießt man dieses durch und durch englische Spektakel mit seinen aufwändigen Bühnenbildern und prachtvollen Kostümen.
Das ENO-Orchester wird der temperamentvollen Musik des Komponisten Arthur Seymour Sullivan (1842 – 1900) voll und ganz gerecht und auch der Chor, dem das Spektakel um liebeshungrige Feen und leicht vertrottelte alte Lords sichtlich Spaß macht, erbringt großartige Leistungen. Unter den Sängern ragt die Iolanthe von Samantha Price mit ihrer ebenso schönen wie kräftigen Stimme hervor, doch der stimmlich überragende und schauspielerisch dominierende Star des Abends ist die majestätisch-maliziöse Feenkönigin Yvonne Howard. Eher schüchtern und zurückhaltend der Schäfer Strephan von Marcus Farnsworth. Alles in allem ein glänzender Abend, der den Zuschauer begeistert und aufs köstlichste amüsiert ins hektische Londoner West End entlässt.
Charles A. Ritterband, 12. März 2018
für klassik-begeistert.at
Der Journalist Dr. Charles E. Ritterband schreibt exklusiv für klassik-begeistert.at. Er war für die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) Korrespondent in Jerusalem, London, Washington D.C. und Buenos Aires. Der gebürtige Schweizer lebt seit 2001 in Wien und war dort 12 Jahre lang Korrespondent für Österreich und Ungarn. Ritterband geht mit seinem Pudel Nando für die TV-Sendung „Des Pudels Kern“ auf dem Kultursender ORF III den Wiener Eigenheiten auf den Grund.
Titelfoto: © Clive Barda