Zelmira, Rossini-Opera Festival 2025 © rossinioperafestival.it
Bei dieser Oper, die Rossini 1822 für das berühmte Teatro San Carlo in Neapel komponierte, sollte der Zuschauer erst gar nicht versuchen, der komplexen Handlung zu folgen. Die Inszenierung, in einer modernen Sportarena (Auditorium Scavolini), übrigens mit erstaunlich guter Akustik, wie üblich ohne Mikrophone oder Lautsprecher, war wenig hilfreich, was die Entschlüsselung des Geschehens betraf. Da wurden Stelen hin- und hergetragen, eine Leiche exhumiert, mit schwarzer Erde um sich geworfen, ein Gehenkter von oben auf die Bühne gesenkt, zahlreiche Militärhelme sorgsam auf der Bühne ausgelegt und alsbald wieder eingesammelt etc. etc.
Dass es keine projizierten Texte gab, war auch nicht hilfreich. Dafür ein wahres Feuerwerk des Belcanto, wie man es vom weltweit führenden Rossini-Festival Pesaro erwartet und ein Orchester, das alle Register zieht.
Gioachino Rossini, Zelmira
Regie: Calixto Bieito
Musikalische Leitung: Giacomo Sagripanti
Bühne: Calixto Bieito und Barbora Horáková
Kostüme: Ingo Krügler
Licht: Michael Bauer
Coro del Teatro Ventidio Basso, Chorleiter: Pasquale Veleno
Orchestra del Teatro Comunale di Bologna
Rossini Opera Festival, 13. August 2025
von Dr. Charles E. Ritterband
Rossini beschritt mit dieser überlangen Oper neue, unkonventionelle Wege. Er verzichtete auf die sonst so beliebte Ouvertüre und platzt direkt ins Zentrum der dramatischen Handlung; einige der Arien verzichten auf die übliche schnelle „Cabaletta“ und die Ensembles – einige der besten, die Rossini je in Musik gesetzt hat – weisen kaum Crescendi auf.
Die Handlung, die längst begonnen hat, bevor der Vorhang sich hebt, ist verwickelt, kompliziert wie kaum eine Handlung irgendeiner Oper, und daher kaum durchschaubar. Diese Umstände – und vor allem auch die anspruchsvolle Besetzung auf der Bühne und im Orchestergraben – haben zweifellos dazu beigetragen, dass diese an sich ja musikalisch großartige Oper weitgehend obskur blieb und an den großen Opernhäusern kaum zur Aufführung gelangt.

Der bewährte Regisseur Calixto Bieito setzte auf Abstraktion und kühne, kompromisslose Modernität (und setzt sich weitgehend über die ohnehin allzu komplexe Handlung hinweg). Der Boden der Arena ist bedeckt mit beleuchteten, transparenten Kunststoffplatten in deren Mitte das Orchester platziert wurde und auf denen sich unter guter Ausnutzung der räumlichen Gegebenheiten die Handlung abspielt. Die Podeste lassen sich mechanisch ausweiten oder verengen, was der Inszenierung zusätzlich Dynamik verleiht; die professionell gehandhabte Lichtregie sorgt für abwechslungsreiche Effekte in diesem völlig kahlen Bühnenbild.
Doch was da musikalisch geboten wird – mit erheblichen Anforderungen an das Publikum an Länge und unlösbaren szenischen Rätseln – ist schlicht grandios und diese herrliche Musik hätte eigentlich eine weit bessere, vorzugsweise barocke Inszenierung (oder dann konsequent eine konzertante Aufführung) verdient.
Wunderbare Soli von Harfe, Flöten, Klarinetten und Blechbläsern, ein Bühnenorchester, das brillant von hoch oben auf einer Empore ertönt, schafft zusätzlich dreidimensionale Effekte. Maestro Giacomo Sagripanti hat mit Subtilität und höchster Musikalität sein Orchester voll im Griff.

Der große Belcanto-Star, ein ausgewiesener Rossini-Spezialist, dieser Inszenierung ist zweifellos der amerikanische Tenor Lawrence Brownlee aus Ohio als Ilo. Mit einer kristallinen Leichtigkeit und Virtuosität die ihresgleichen sucht intoniert er mit unerschöpflicher Leichtigkeit seine Koloraturen, das herrliche Auf und Ab seiner Arien, die in mehreren perfekt getroffenen hohen D’s gipfelten.
Leider wurde er von der Regie in Posen genötigt, die das Karikaturale, ja Lächerliche streiften – so musste er sich in seiner gesamten Leibesfülle unter Sessel zwängen, in seiner offensichtlich schweren grünen amerikanischen Kampf-Uniform über die Bühne schlurfen, in Löchern (Schützengräben?) kauern – und dabei mit kompromissloser Perfektion singen.

Die aus Florenz stammende Anastasia Bartoli in der überaus anspruchsvollen Titelrolle der Zelmira singt im dritten Jahr erfolgreich am Rossini-Festival.

Ihre Stimmstärke ist überragend, dabei intoniert sie mit größter Präzision und Musikalität. Kaum sehr überzeugend hat Brownlee, nur halb bei Bewusstsein auf seinem Sessel zusammengesackt sein Liebesduett mit Zelmira quer über die ganze, riesige Bühne hinweg zu singen. Kein Geniestreich diese Regie – und wohl auch eine kaum zumutbare Überforderung der Protagonisten…
Dr. Charles E. Ritterband, 13. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Gioachino Rossini, L’Italiana in Algeri Teatro Rossini, Pesaro, 12. August 2025
Gioachino Rossini, Guillaume Tell Opéra Royal Liège, 12. März 2025
Gioachino Rossini, Il turco in Italia, Libretto Felice Romani Glyndebourne, 12. Oktober 2024