Foto: © Edoardo Piva
„Dieser Nabucco – ästhetisch und gesanglich einer der besten, die ich je gesehen habe – bekräftigt den Rang des „Regio“ als eine der allerersten Opernbühnen Italiens und wohl auch Europas insgesamt. Diese Aufführung kann sich mit allem messen, was namhaftere Opernhäuser zum Thema „Nabucco“ geboten haben.“
Teatro Regio Torino, 21. Februar 2020
Giuseppe Verdi, Nabucco
von Charles E. Ritterband
Turin mit seinen eleganten, endlos scheinenden Kolonnaden, den ausladenden Plätzen und dem mit üppigen Goldornamenten beladenen Königspalast leistet sich ein Opernhaus allerersten Ranges, das jedoch etwas im Schatten der nahen Scala di Milano und des legendären Teatro la Fenice in Venedig steht: Erst 1973 eröffnet, ist dieser kühne Neubau ganz im Stil der 70er Jahre der Nachfolger des alten, 1740 eingeweihten Theaters, das 1936 (wie das „Fenice“) den Flammen zum Opfer fiel. Im alten Theater war Arturo Toscanini Chefdirigent von 1895 bis 1898 und unter seiner Stabführung erlebten mehrere Opern Richard Wagners in diesem Haus ihre italienische Erstaufführung.
Dieser Nabucco – ästhetisch und gesanglich einer der besten, die ich je gesehen habe – bekräftigt den Rang des „Regio“ als eine der allerersten Opernbühnen Italiens und wohl auch Europas insgesamt. Diese Aufführung kann sich mit allem messen, was namhaftere Opernhäuser zum Thema „Nabucco“ geboten haben – vielleicht auch, weil diese Oper (wie an diesem Abend einmal mehr deutlich wurde) den Italienern gleichsam als patriotische „Nationaloper“ ganz besonders am Herzen liegt.
Star des Abends war zweifellos die Abigaille der ukrainischen Sopranistin Tatiana Melnychenko: Ihre einzigartige stimmliche Kraft und der daraus resultierende Wohlklang sind kaum zu überbieten. Aber auch der Nabucco des bekannten sizilianischen Baritons Damiano Salerno glänzte durch Beherrschung einer samtenen, kraftvollen Stimme. Überragend auch der sonore, äußerst wohltimbrierte Bass des Spaniers Rubén Amoretti als Zacharias.
Ein besonderer Moment für Chor und Orchester des Teatro Regio war erwartungsgemäß der legendäre Gefangenenchor, besonders hingebungsvoll gesungen, der beim Turiner Publikum lange anhaltenden Applaus erntete. Und wenn mich nicht alles täuscht, brummelten einige ältere Herren in den Sitzreihen hinter mir das berühmte „va, pensiero, sull’ali dorate“ (flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen) inbrünstig mit – was weit weniger störte als die sich in anderen italienischen Theatern systematisch in den unpassendsten Momenten mit den unpassendsten Klingeltönen bemerkbar machenden Mobiltelefonen.
Charles E. Ritterband, 25. Februar 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Der Schweizer Publizist Dr. Charles E. Ritterband, Bestseller-Autor und langjähriger Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) , berichtet trotz des Coronavirus‘ seit Tagen für klassik-begeistert.de aus Nord-Italien.
Dirigent: Donato Renzetti
Regie: Andrea Cigni
Bühne: Dario Gessati
Kostüme: Tommaso Lagattolla
Abigaille: Tatiana Melnychenko
Nabucco: Damiano Salerno
Fenena: Agostina Smimmero
Zacharias (Oberpriester der Hebräer): Rubén Amoretti
Ismael: Robert Watson
Oberpriester des Baal: Romano Dal Zovo
Chor und Orchester des Teatro Regio Torino