Maggio Musicale Fiorentino präsentiert einen filmreifen „Rigoletto“

Giuseppe Verdi, Rigoletto  Maggio Musicale Fiorentino, 18. Februar 2025

Medienquelle: www.maggiofiorentino.com

Die Produktion des Maggio Musicale glänzt mit der schillernden, brutalen Welt am Hof des Herzogs, angereichert durch riesige suggestive Video-Projektionen im Hintergrund. Rigolettos Wohnhaus wird hier zur Großwäscherei, in der Gilda und Giovanna an riesigen Waschmaschinen tätig sind.

Giuseppe Verdi
Rigoletto

Musikalische Leitung: Stefano Ranzani
Orchester des Maggio Musicale

Regie: Davide Livermore
Bühne: Giò Forma
Kostüme: Gianluca Falaschi
Licht: Antonio Castri
Video: D-Wok

Wiederaufnahme der (durch Covid gestoppten) Produktion von 2020

Maggio Musicale Fiorentino, 18. Februar 2025

von Dr. Charles E. Ritterband

Das Theater-Multitalent Davide Livermore hat sich als Opernregisseur an der Mailänder Scala mit seinen Produktionen der bekanntesten Werke des Repertoires einen großen Namen gemacht. Dass er mithalf, das einst so gefährliche Turiner Stadtviertel um das Teatro Baretti mit jahrelangen sozialen Interventionen in einen sicheren Treffpunkt verschiedener sozialer Schichten zu verwandeln, prägt nicht zuletzt auch seine Inszenierung des „Rigoletto“ in Florenz: Die eindrückliche letzte Szene spielt in einer rot leuchtenden Halbwelt-Bar (als Mörderhölle des Sparafucile) und die ermordete Gilda endet in einer desolaten, unheimlichen, verschmutzten Untergrund-Station deren Gefährlichkeit Livermores Erfahrungen in jenem Turiner Viertel drastisch widerspiegelt.

Eine suggestive, üppig-farbige detailreiche Produktion – manchmal des Guten allerdings zu viel: Der Herzog dringt in die Wäscherei und damit in die Gefühlsweilt der unschuldig-naiven Gilda ein, indem er mit einem Schuss aus einer Pistole die Neonbeleuchtung außer Betrieb schießt und einen Kurzschluss bewirkt. Das ist zwar dramatisch äußerst wirksam – aber verwundert letztlich doch, zumal weder Gilda noch Giovanna auf diesen dramatischen Knalleffekt des Herzogs auch nur im geringsten reagieren.

Davide Livermore © Eugenio Pini

Zumindest von der zart besaiteten Gilda wäre eine gehörig erschreckte Reaktion zu erwarten gewesen – aber nichts dergleichen. Dass dann auch Rigoletto eine Pistole zückt, ist eine klare Aussage: Auch er ist Teil dieser brutalen Gangsterwelt. Aber bereits des Guten zu viel.

Zu den vom Regisseur gehörig gepflegten Details zählt auch die Flucht der von den Höflingen in den Palast entführten Gilda aus des Herzogs Schlafgemach: Während man sich in sämtlichen anderen Opernproduktionen auszumalen hat, was sich dort ereignete, wird dies in der Fassung Livermores drastisch überdeutlich: Gildas weißes Nachtgewand weist Blutflecken an und auch ihre Oberschenkel sind blutverschmiert. Das ist wohl krude, aber restlos klar.

Dass Rigoletto zwar über ein rotes Narrengewand verfügt, das er der traumatisierten, zitternden Tochter liebevoll überhängt, ist stimmig. Dass er aber hier nicht über den im Text deutlich erwähnten Buckel verfügt, ist wohl der gängigen political correctness geschuldet.

Die Oper beginnt mit der Geräuschkulisse eines vorbeifahrenden Zuges. Wozu? Das wird am Schluss klar, als der verzweifelte Rigoletto seine ermordete Tochter in eine desolate U-Bahnstation schleppt, wo im Hintergrund pausenlos U-Bahn-Züge vorbeiflitzen. Aber was ist mit dem im Text erwähnten Fluss, in den die Leiche des Herzogs hätte versenkt werden sollen? Plötzlich irrelevant, um des szenischen Effekts der U-Bahn-Station willens, welche ja tatsächlich die Umgebung von Sparafuciles Mörderhöhle verdeutlicht und das Schreckliche dieses Moments multipliziert.

Dass Gilda nicht als Sterbende im Sack ihre so berührende letzte Arie singt, sondern als Double dem weiß leuchtenden Himmel entgegenschwebt, wo bereits die Mutter wartet, ist wohl ein guter Regie-Einfall. Zumal die große Arie einer sterbenden, liegend in einem Sack gesungen, wirkt leicht lächerlich. Das wurde hier elegant und poetisch umschifft. Ein hübsches Detail auch das Foto der von Rigoletto besungenen toten Mutter Gildas auf der Waschmaschine im Waschsalon des 2. Aktes, samt roter Gedenkkerze – vom brutalen Herzog typisch achtlos umgeschmissen. Aber das Foto zu erkennen war nur den Zuschauern mit scharfem Opernglas und guten Plätzen vorbehalten.

Eine gute Idee, den Auftritt des (übrigens imposanten wie erstklassigen) Monterone dadurch aufzuwerten, dass er durch das Publikum schreitet – immerhin kommt von ihm der Fluch (maledizione), welcher der Oper ihren ursprünglichen Namen und Rigoletto seine letzten Worte gab. Ebenso stimmig, dass der Auftritt des Sparafucile bereits (stumm, vorerst) von seiner Schwester Maddalena begleitet ist, die ja als Köder für die Mordopfer zu fungieren hat.

Musikalisch bestechend, präzise und temperamentvoll das Orchester des Maggio Musicale unter der souveränen Stabführung von Stefano Ranzani.

Olga Peretyatko © alikhan photography

Eine Gilda zum Niederknien (Olga Peretyatko) mit harmonischen, zarten Phrasierungen und eine Maddalena (Eleonora Filipponi), die als überaus glaubwürdige Verführerin auftritt und deren wunderbar patinierter Mezzo im zu Recht so hoch gerühmten Quartett mit Rigoletto, dem Herzog und Gilda wunderbar zur Geltung kommt.

Leon Kim © Sylvia Perucchetti

Ein großartiger Bariton als Rigoletto (Leon Kim) mit gefühlvoller Kraft und stimmlicher Wärme. Maskulin dominant und doch tenoralem Schmelz der Tenor des Herzogs (Celso Albelo).

Charles E. Ritterband, 18. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Besetzung:

Herzog: Celso Abelo
Rigoletto: Leon Kim
Gilda: Olga Peretyatko
Sparafucile: Alessio Cacciamani
Maddalena: Eleanora Filipponi
Giovanna: Janetka Emilia Hosco
Monterone: Manuel Fuentes

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